Bei den Kostümen und den Requisiten bewiesen die "Sommertheater"-Macher viel Liebe zum Detail. Foto: Kulturwerkstatt Foto: Schwarzwälder-Bote

Heute ist Premiere für das Simmersfelder Sommertheater "Schnaitbach – eine Dorfsaga aus dem Oberen Wald"

Von Martin Bernklau

Simmersfeld. Es ist immer noch heiß. Jetzt kommt das Lampenfieber hinzu. Am heutigen Donnerstagabend um 20. 30 Uhr ist auf der Freilichtbühne vor dem Fest-Spiel-Haus die Premiere für das diesjährige Simmersfelder Sommertheater der Kulturwerkstatt: "Schnaitbach – eine Dorfsaga aus dem Oberen Wald" ist nach den Produktionen über Hauff, Hermann Hesse und die im vorvorigen Jahrhundert hingerichtete Gerda Pfleiflin aus Teinach vielleicht das Stück mit dem engsten Lokalbezug. Wir haben die Macher befragt – die Regisseure Andreas Jendrusch und Markus Schlüter, die Schauspielerin Birgit Heintel und den Dramaturgen Roland Schweizer.

Andreas Jendrusch, rund 30 Laienschauspieler, ein paar Profis – Sie haben erst am Montag alle erstmals zur Gesamtprobe zusammengebracht. Was waren die schwersten, was waren die schönsten Szenen für den Regisseur, der die Geschichten teils auch selber mitgeschrieben hat?

Andreas Jendrusch: Die schönsten Szenen sind natürlich immer die, in denen es eine Befreiung von Konflikten gibt. Es ist schwer, eine herauszupicken. Jede hat ihren Charme. Eine meiner Lieblingsszenen ist die Tuchszene, in der sich die Liebe zwischen Lorle und Wilhelm befreit. Bei den schwersten tu ich mich tatsächlich etwas schwer. Hier bleibt mir ein Kloß im Hals stecken, wenn ich an die Entwicklung der Figur des späteren Nazi-Ortsgruppenleiters denke und dadurch mit tatsächlichen historischen Geschehnissen konfrontiert werde.

Markus Schlüter, Sie arbeiten mit Laienschauspielern fast vom Kindes- bis fast zum Greisenalter, mit Erfahrenen und mit Anfängern. Wie motivieren Sie Ihre Truppe, wie stimmen sie das Team ein?

Markus Schlüter: Bei einem so großen gemischten Ensemble braucht jeder seine Aufgabe, jeder möchte sich als Teil des großen Ganzen sehen und wahrgenommen werden. Wir versuchen, allen Beteiligten so ein Gefühl zu geben. Dann kommt die Motivation oft von ganz allein. Außerdem gehen wir mit viel Interesse und Lust an die Sache und versuchen so, unsere eigenen Kräfte weiterzugeben.

Die Hauptrollen sind mit Profis besetzt. Wie klappt das?

Markus Schlüter: Ich habe mit diesen Konstellationen immer nur gute Erfahrungen gemacht. Mit Birgit Heintel habe ich schon öfter zusammengearbeitet und stand auch schon selbst mit ihr am Rottweiler Zimmertheater auf der Bühne. Andreas Schäfer, unser Wilhelm Waidele, hat ganz viel Erfahrung auf dem Theater. Sie besetzen bei uns zwar die Hauptrollen. Trotzdem war es uns wichtig, sie nicht herauszuheben, sondern eine Einheit zu bilden. Und das funktioniert sehr gut. Das Ensemble muss im Mittelpunkt stehen. Jeder lernt von jedem. Die Amateure können sich etwas von der Arbeitsweise der Profis abschauen, und die Profis genießen die Spielfreude und die Einsatzbereitschaft der Amateure. Ganz ohne Allüren.

Birgit Heintel, nach viel Organisation und Dramaturgie für das Regionentheater Abnobamons spielen Sie mal selber wieder – die Hauptrolle der patenten und ihren Kriegsheimkehrer Wilhelm Waidele so unbeirrbar liebenden Magd Lorle. Wie fühlt es sich an?

Birgit Heintel: Großartig! Die Geschichte ist unglaublich spannend, ich empfinde es als etwas ganz Besonderes, ein Stück Heimatgeschichte für das Publikum erlebbar zu machen. Die Figuren gehen einem sehr nahe. Teil davon sein zu dürfen, das mag ich sehr. Und natürlich genieße ich es, nach längerer Zeit hinter und um die Bühne herum wieder selbst zu spielen.

Außerdem ist es so toll, mit dem Ensemble der Kulturwerkstatt zusammenzuarbeiten. Meine erste Begegnung war einige Jahre vor meiner Schauspielausbildung, als ich beim ersten Simmersfelder Sommertheater "Das kalte Herz" mitgespielt hatte. Schnell war mir damals klar, dass dies ein besonderer Ort ist mit besonderen Menschen die mit ganz viel Herzblut, Energie und Feuer Geschichten erzählen. Seither liebe ich die besondere Atmosphäre, das Authentische, das die Simmersfelder alle zwei Jahre auf die Bühne bringen. Theater zu den Leuten bringen, für die Leute machen, die Menschen mitnehmen und berühren. Das ist es, was ich mit meiner Schauspielkunst erreichen möchte, und das ist es, was den Simmersfeldern immer wieder besonders gut gelingt. Davon nach Jahren wieder Teil zu sein, ist schon was ganz Besonderes.

Das doch recht aufwendige zeittypische Bühnenbild im soldatischen Feldgrau versperrt den Zuschauern zwar ein wenig vom wunderbaren Blick ins Köllbachtal. Wer hat es gezimmert, woher stammen all die Gegenstände aus der Zeit zwischen den Weltkriegen wie Webstuhl, Spinnrad oder Herd, Türen, Stühle, Büffet?

Roland Schweizer: Frieder Ehmer hat das Bühnenbild handwerklich umgesetzt. Das Feldgrau ist bewusst so reliefartig gewählt. Das Schauspiel steht im Vordergrund, inspiriert von der Schwarzweiß-Stimmung der "Heimat"-Filme. Schauspiel braucht aber auch Hintergrund, sogar Projektionswand. Aber da ist links daneben der offene Bereich der Dorfkneipe ganz bewusst transparent gehalten. Hier passiert das Soziale, das Politische. Da ist öffentlicher Raum, offene Tür. Die Landschaft weitet sich durch Licht, wenn es dunkel wird. Viele der Sachen kommen aus Zwerenberg, von der Evangelischen Kirchengemeinde. Vieles hat auch unser Pfarrer-Darsteller Peter Porschke mitgebracht, der als Schreinermeister auch einen Restaurationsbetrieb führt.

Es gibt ein paar Geschichten, die sich wirklich so ähnlich in Simmersfeld zugetragen haben sollen. Können Sie uns vorab ein paar andeuten?

Roland Schweizer: Dass der hiesige Arzt den depressiven Wilhelm kurz vor dem Erfrieren im Wald gefunden und gerettet hat, ist nicht ganz frei erfunden. Auch die Sache mit dem Bau der B 294, damals als "Reichsstraße" mit Reichsarbeitsdienst und Zwangsarbeitern gebaut. Für die Figur des Pfarrers gab es in Ebershardt einen realen historischen Kern. Der hatte enge Kontakte zur Bekennenden Kirche, zum Widerstand und zu Dietrich Bonhoeffer. Und die Bahn, das Rütschle, das Altensteigerle, das ist natürlich auch historisch.

"Schnaitbach" spielt zwischen dem Ende des Ersten und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, Nazizeit. Das ist lang her, nur wenige Zeitzeugen leben noch und waren damals Kinder. Kann das Stück noch einmal alte Wunden aufreißen?

Roland Schweizer: Ja, kann.