Die Welt ist eine Baustelle, und die hält eine Menge Überraschungen für Selim (Matthias Happach, links) bereit, der sich nach einem Selbstmord-Attentat vor seinem Schöpfer (Florian Kleine) wiederfindet. Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Regionentheater Abnobamons feiert mit der Terroristen-Posse "Aus dem Staub" Premiere in Simmersfeld

Von Martin Bernklau

Simmersfeld. Ein Knall, ein roter Lichtblitz – dann ist Selim im Paradies. So fängt "Aus dem Staub" an, die brisant gebliebene Posse von Hans Jürgen Kugler um einen palästinensischen Selbstmordattentäter. Das Abnobamons-Regionentheater hatte im Simmersfelder Festspielhaus Premiere mit Andreas Jendruschs rasanter Inszenierung eines satirisch-ernsten Denkstoffs.

Weil aber mit Allah nicht zu spaßen ist, hatten die Theatermacher und der anwesende Autor dieser höchst unterhaltsamen Farce einen Prolog im Himmel vorausgeschickt, mit dem Florian Kleine als "Der Eine" anbot, alle höchstpersönlich vor die Tür zu führen, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen könnten. Alle blieben. Dann dröhnten die Propaganda-Videos des IS schwarz-weiß im Hintergrund und rückten die explosive Aktualität des Themas in den Blick der gut 60 Besucher.

Und dann findet sich der verdutzte Märtyrer mit einem Schlag vor seinem Schöpfer, brüllt und stammelt sein "Allahu akbar" und erkundigt sich schließlich schüchtern, wie viele von den "räudigen zionistischen Hunden" er denn mitgenommen habe. Sieben Frauen, fünf Kinder und drei Männer, klärt ihn der nicht übertrieben amüsierte Allmächtige auf. Alles Ungläubige. Alles Feinde, mit deren Blut er das Heilige Land hatte tränken wollen.

Noch schüchterner fragt Selim – mal bübisch, mal spitzbübisch dargestellt von Matthias Happach – dann nach den vom Imam als Belohnung versprochenen 72 Huris. "Du hast den Unsinn doch nicht wirklich geglaubt", höhnt der "Eine" und empfiehlt dem jungen Mann sowieso statt der Jungfrauen: "Halt dich lieber an eine erfahrene Frau." Das ist Stoff für allerhand Spott und Satire, auch für religionskritische, fast bis zum Klamauk.

Weil das Jüngelchen ein bisschen aufmüpfig wird bei den spitzfindig sophistischen Debatten um die Qualitäten von Gottes schöner Welt, bietet der ihm in seiner unendlichen, väterlich gönnerhaften Weisheit an, dass er sich ja mal eine eigene neue Erde mit einem neuen Menschen bauen könnte. Er zeigt ihm den Schaltkasten mit den Reglern für die Zutaten: Intelligenz darunter, Fleiß, Barmherzigkeit und Liebe, viel Liebe.

Nun ist die Erschaffung einer neuen Welt ja keine Handlung, jedenfalls keine bühnenreif darstellbare. Aber die Inszenierung macht aus diesem Kopfstück, diesem knitz-philosophischen Thesen-Theater in pfiffigen Dialogen zweier sehr präsenter Mimen doch ein Schauspiel, das keinen Augenblick lang hölzern und papieren als graue Theorie daherkommt. Federleicht beiläufig fließen die großen Gedanken ein, von Nathan bis Faust, von der Ringparabel bis zum biblischen Ich-bin-der-ich-bin. "Die Wahrheit ist, dass es keine Wahrheit gibt", muss Selim lernen und zur Kenntnis nehmen, dass göttliche Allmacht und menschliche Freiheit nicht zusammenpassen.

Gemeinsam mit der Ausstatterin Karola Volles und ihrer sehr sorgsam, sehr liebevoll gestalteten Bühne sind dem Regisseur Andreas Jendrusch schöne Bilder eingefallen. Diese aufblasbaren, schwebenden Tierchen etwa, von Dinos bis zu Kühen, Fröschen und Hühnern, die Blumenbeete, dieses Bauarbeiter-Ambiente mit Bierflasche, Schaufel und Schubkarre. Der Eine aber schiebt gelassen den Caddy. Er spielt auch gerne Golf.

Die Welt ist eine Baustelle. Selim schraubt also an seiner Welt und stürzt allmählich immer mehr in Verzweiflung, bis er schließlich zu den abgehobenen Klängen von Gottes Gitarrensolo wütend auf den Schaltkasten eintritt: "Es kommt nie raus, was ich mir vorgestellt habe – und nie was Gutes", jammert er. Eben, hört man den Allmächtigen sagen. Das Perfekte hält er sowieso für die Hölle.

Am Ende packt der Eine dann ein und geht. Selim schreitet ins Licht, ins helle Nichts hinter der Bühne. Es gibt langen Beifall für ein höchst kurzweiliges Theater, das auch ohne echte Handlung starke Bilder findet, Spaß am Gedanken hat – und macht. Und nebenbei hat es auch noch eine gelassene tolerante Botschaft an die religiösen Fanatiker: Nehmt euch nicht so wichtig!

Am heutigen Samstag ab 20. 30 Uhr gibt das Regionentheater Abnobamons die vorerst letzte Vorstellung von Hans Jürgen Kuglers "Aus dem Staub – eine wirklich eschatologische Posse" im Simmersfelder Festspielhaus.