Es bedurfte vieler Akteure, um dem jungen Flüchtling Micail Mohajer (Bildmitte) bei Boysen eine Chance als Maschinenbedienarbeiter zu sichern. Foto: Buckenmaier

26-jähriger Iraner hat bei Boysen als Schweißer eine Chance bekommen, die er nutzen will.

Simmersfeld - Boysen ist ein kosmopolitisches Unternehmen. In der Belegschaft des Abgasspezialisten finden sich mehr als 20 Nationalitäten. Mit dem 26-jährigen Micail Mohajer ist nun eine weitere Nation hinzugekommen: der Iran. Die Geschichte eines Flüchtlings, der in Deutschland große Pläne hat: Er will es bis zum Meister schaffen.

Etwas verlegen schaut der 26-Jährige in seinem blauen Arbeitsanzug drein, während eine Stunde lang in der anberaumten Pressekonferenz bei der BAK Boysen Abgaskomponenten GmbH in Simmersfeld über sein Flüchtlingsschicksal und die Chance, die ihm nun der deutsche Arbeitsmarkt bietet, geredet wird. Dann endlich darf er an seinem Arbeitsplatz in der Schweißerei zeigen, was er kann und legt flugs das Stahlrohr in die Maschine, als ob er die "vertane" Zeit wieder reinholen wollte.

Axel Günter, Kaufmännischer Leiter bei BAK Boysen, und Personalleiter Clemens Amann waren sich gleich einig, als sie den jungen Mann bei einem von der Arbeitsagentur initiierten Speeddating kennenlernten, dass sie ihm eine Chance geben würden. "Das war so ein Bauchgefühl: Er passt in die Mannschaft", sagt Günter. Der junge Iraner erfüllte gleich drei der vier wichtigsten Einstellungskriterien: Er hat eine hohe Bleibeperspektive, spricht dank der ihm vermittelten Sprachkurse schon gut deutsch und hat vor allem die richtige Einstellung, um ins Boysen-Team zu passen. "Unser Ziel ist es, null Fehler zu produzieren", sagt Günter, "dafür braucht man auch das Talent, dies auch dauerhaft zu wollen."

"Wir wollen immer ein bisschen besser sein"

Eigentlich ist Micail ein studierter Betriebswirtschaftler. Aber selbst im eigenen Land fand er nach absolviertem BWL-Studium keinen geeigneten Job. Er verdingte sich stattdessen als Schweißer, auch später in der Türkei, wohin er flüchtete. Im Oktober 2015 kam er nach Deutschland und in den Kreis Calw, wo Jobcenter und Landkreis beispielhaft Hand in Hand bei der Integration von Flüchtlingen agieren.

Seit Oktober 2016 gibt es hier ein eigenes Kompetenzteam, das sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Zeitgleich aufgelegt wurde ein Kooperationsmodell, das nicht nur den schnellen Draht zu den Unternehmen herstellt, sondern auch bei der Qualifizierung der Flüchtlinge hilft. Im Landratsamt wurde das Thema Integration ohnedies zur Chefsache erklärt, höchste Flexibilität seitens der Behörden einfordernd. So war es auch kein Problem, das vierte Kriterium für die Einstellung des jungen Iraners bei Boysen zu erfüllen: die Verlegung des Wohnortes von Calw nach Simmersfeld. Mit öffentlichem Nahverkehr hätte der junge Iraner die Schichtzeiten nie einhalten können.

Für Martina Lehmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, ist dieser Fall ein Paradebeispiel für die gelungene Zusammenarbeit zwischen ihrer Agentur und dem Calwer Landratsamt. Und ihr Anspruch ist hoch: "Wir wollen immer ein bisschen besser sein." 451 der rund 2000 Asylbewerber im Kreis wurden seit dem vergangenen Jahr in Arbeit oder Ausbildung gebracht. Die Vermittlungsquote von 21,5 Prozent sei "überdurchschnittlich". Das Kompetenzteam Asyl und Flucht für Unternehmen (KAFU) habe allein 267 Beratungen mit Unternehmen organisiert, 29 Flüchtlinge in Arbeit gebracht und 30 Fördermöglichkeiten organisiert.

Auch für Micail Mohajer muss der Job als angelernter Maschinenbedienarbeiter bei Boysen nicht das Ende seiner beruflichen Entwicklung sein. Aber Grundvoraussetzung dafür sei das Beherrschen der deutschen Sprache, sagt der Kaufmännische Leiter Axel Günter, um an den Produktionsabläufen und Betriebsprozessen mitwirken und vor allem auch die Arbeitsschutzmaßnahmen verinnerlichen zu können.

Es bedarf der Akzeptanz auch in der Belegschaft

Eine Weiterbildung zum Facharbeiter muss sich der junge Iraner durch Leistung im Betrieb erarbeiten. Personalchef Amann will mit Augenmaß darauf achten, dass der Belegschaft nicht der Eindruck vermittelt wird, dass es hier zu einer Vorzugsbehandlung kommt: "Dafür muss man eine Akzeptanz entwickeln. Auch dies ist Teil der Integrationsbemühungen."

Micail Mohajer weiß um diese hohe Hürde und lächelt auf die Frage, wie er seine berufliche Perspektive sieht: "Ich mache immer weiter. Immer weiter – bis Meister."