Theater Lindenhof begeistert das Publikum im Simmersfelder Festspielhaus mit einer heiteren Landeskunde

Von Manfred Köncke Simmersfeld. Auf der Bühne zwei Bistrotische und halb gefüllte Weingläser. Bernhard Hurm vom Theater Lindenhof in Melchingen erscheint, begrüßt sein Publikum im gut besuchten Festspielhaus. Und Uwe Zellmer? Der kommt bestimmt gleich, raunt am Nebentisch ein Mann seiner Frau zu. Bei der "heiteren Völkerverständigung" zu 60 Jahre Baden-Württemberg sind die Uhland-Preisträger des Jahres 2011 doch immer gemeinsam aufgetreten. Dann stellt sich heraus: Uwe Zellmer ist krank.

Und jetzt? Hurm wird doch nicht versuchen, in beide Rollen zu schlüpfen, sich quasi die Bälle selber zuwerfen? Genau das tat er aber an diesem Abend – und nach zwei Stunden munteren Erzählens dialektdurchwobener Geschichten, dem freien Vortrag "sauguter" Gedichte, pausenlos aus dem Ärmel geschüttelter Bonmots und sich Spöttelns über das Bindestrich-Land ging bestimmt auch der letzte Besucher mit Sonne im Herzen nach Hause. Dem künstlerischen Leiter der Kulturwerkstatt, Roland Schweizer, fiel ein Stein vom Herzen.

Wie kann man, fragte sich an diesem Abend nicht nur er, nur so viel Gereimtes zu topografischen Eigenheiten, handfesten und scheinbaren Mentalitätsunterschieden in Worte fassen, ohne den Faden zu verlieren. Sebastian Blau und Ludwig Uhland, Thaddäus Troll, Eduard Mörike, Peter Hebel und anderen schwäbischen Lyrikern erwies Hurm seine Reverenz. Und Seitenhiebe gab es auch genügend in Richtung der Schwaben aus Baden und Württemberg ("Badenser darf man nicht sagen, es heißt ja auch nicht die Berlinse"). Kostprobe gefällig? "Über Baden lacht die Sonne - über Württemberg die ganze Welt." Warum es Menschen auf die Schwäbische Alb zieht? "Weil sie dort näher am Himmel sind, wenn die Welt untergeht."

Das Schwäbische "Do goht d’Katz de Boom nuff" wörtlich ins Englische zu übersetzen, ist tückisch, sagte er – und hatte die Lacher auf seiner Seite. Wenn der Intendant des Lindenhof-Theaters nicht hin und wieder vom Weinglas am Nebentisch genippt hätte, wäre gar nicht aufgefallen, dass aus dem Doppelpassspiel ein Solo geworden war. Nur gegen Ende, bei der ewig langen "Weihnachtsgeschichte auf Schwäbisch" von Thaddäus Troll ging ihm die Kraft aus und sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Hurm setzte sich leicht ermattet auf einen Stuhl und griff zum Manuskript.

Wer mit der Erwartung ins Festspielhaus gekommen war, einen lückenlosen Werdegang von 60 Jahren gemeinsames Ba-Wü erzählt zu bekommen, hätte besser einen Volkshochschulkurs belegt. Wer aber Spaß daran hatte, zweieinhalb Stunden lang mit wachsendem Vergnügen die Eigenheiten und Schnurren seiner Landsleute aufs Tapet zu bekommen und wem es bei klassischen Versen schwäbischer Literaten warm ums Herz wurde, der lag goldrichtig.