Roland Schweizer (Mitte) umrahmt von seinem starken Team. Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Kulturwelt: Roland Schweizer hat vor 40 Jahren buntes Leben in den Schwarzwaldort Simmersfeld gebracht

Von Martin Bernklau

Simmersfeld. Im Jahr 1980 kamen Roland Schweizer und drei Sozialpädogik-Studenten aus Esslingen in den abgelegenen Schwarzwald-Höhenort Simmersfeld, kauften mit einem ausgelösten Bausparvertrag das Köllbachhaus und machten es zu einer Jugendbildungsstätte. Seither hat sich Simmersfeld sehr verändert.

Roland Schweizer ist so etwas wie der Patron der ein paar Jahre später gegründeten Kulturwerkstatt. Aber alleine will er sich nicht porträtiert sehen. "Nicht ohne meine Leute", sagt Schweizer.

So im Quartett, meint er, "repräsentieren wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" der Kulturwerkstatt, die vor zehn Jahren das Festspielhaus baute und das Gesicht von Simmersfeld damit noch einmal prägend veränderte: Christel Blaich-Lenk ist dabei, die gegenwärtige Vorsitzende und Mitstreiterin schon seit Gründertagen. Die jungen Theatermacher Birgit Heintel und Andreas Jendrusch recherchieren und schreiben einerseits das Stück und planen die nächste Inszenierung der Kulturwerkstatt. Eine Schwarzwälder Familiensaga soll es werden. Andererseits haben sie Simmersfeld als Stützpunkt für ihr neugegründetes professionelles "Abnobamons – Regionentheater" gewählt.

Die Jugendbildungsstätte im selbstausgebauten Köllbachhaus lief von Anfang an ganz gut – bis heute übrigens ohne Hausordnung. Ein Netzwerk von Sozialpädagogen, die Pforzheimer Arbeiterwohlfahrt und der Kreisjugendring sorgten für eine gute Belegung des 400 Jahre alten Bauernhauses mit Freizeiten – "trotz null Komfort und viel Improvisation". Schnell war das Köllbachhaus im eher pietistisch geprägten Simmersfeld auch "Treffpunkt für die Freaks", erinnert sich Schweizer, "für ein paar Lehrer, Ärzte, Musiker, Instrumentenbauer". Christel Blaich-Lenk kam damals von einem sinnsuchenden Indien-Trip zurück. Die angehende Erzieherin engagierte sich gleich in der 1983 gegründeten Kulturwerkstatt.

Ein "Anderes Kino" mit bei der Calwer Kreisbildstelle entliehenen Filmen oder eine Ausstellung des Altensteiger Malers und Bildhauers Klaus Henning gehörten zu den ersten Aktivitäten im Veranstaltungsraum. Kleinkunstreihen mit Kabarettisten wie Uli Keuler, Liedermachern wie Thomas Felder ergänzten das, auch Konzerte von Rock bis Jazz machten die Location bekannt.

Der Musikgeschmack, räumen die altgedienten Macher lachend ein, war schon immer eine umstrittene Sache. Für die finanzielle Basis der Kulturwerkstatt waren Konzerte wie der Auftritt der "Lords" mit 800 zahlenden Zuschauern in der Altensteiger Markgrafenhalle notwendig. Aber 1985 gab es auch ein "Mini-Woodstock" an den Tennisplätzen, wo open air ein Schmalfilm des legendären Festivals gezeigt wurde und harte Bands auftraten wie "Ex", heute noch als "Dr. Gonzo" in der Region unterwegs.

Zum 49. Geburtstag von Roland Schweizer kam der Weltstar Tony Sheridan nach Simmersfeld, Wegbegleiter der frühen Beatles im Hamburger Star-Club. Aber 2004, als in einem gemeinsamen Kraftakt unglaublicher Eigenleistung das Festspielhaus gebaut wurde, waren erstmals auch die Punks los, mit zwei wilden Bands aus Pforzheim. Aus diesem "and they dance"-Konzert entwickelte sich dann die jährliche Sommerfestival-Reihe der jungen Kulturwerkstatt am Skilift, die heute kurz AMS-Camp heißt, Action, Mond und Sterne – mit Kultur, Vorträgen, Workshops.

Politisch hatte sich die Kulturwerkstatt schon 1983 zu Hochzeiten der Friedensbewegung und auf dem Höhepunkt der Diskussion um das Waldsterben hervorgetan. Für die ambitionierte Dokumentation um den Zustand des Schwarzwaldes hatte der damalige Bürgermeister Günther Hiller die Räume des Rathauses geöffnet, vielleicht der entscheidende Brückenschlag zwischen dem bürgerlichen Simmersfeld und seiner links-alternativen Soziokultur. Forstamts-Präsidenten zollten Respekt. Roland Schweizer organisierte Busfahrten ins kahle Riesengebirge der CSSR und Friedenstreffen in der Prager Szene-Kneipe U Fleku.

Dann kam mit dem Ausbau der Scheuer das Theater hinzu. Das Experiment des Theaterhauses in Stuttgart-Wangen, vor allem aber der Versuch des Melchinger Lindenhofs auf der Schwäbischen Alb, das Volkstheater zeitgemäß, anspruchsvoll und politisch wiederzubeleben, faszinierten Roland Schweizer und seine Mitstreiter. Ein tri-nationales Theaterseminar mag der Anfang gewesen sein, auch viel Theaterarbeit in Workshops, bevor sich mit der Wilhelm-Hauff-Adaption vom "Kalten Herz" das Simmersfelder Sommertheater der Kulturwerkstatt 1997 spektakulär in Szene setzte – im schwarzen Wald.

In zweijährigem Rhythmus folgten unter professioneller Regie seither aufsehenerregende, selbstentwickelte Stücke mit lokalhistorischen Hintergründen wie "Gertrude Grenzgängerin" über die letzte Hingerichtete in Calw, über die nach Palästina ausgewanderten Templer des Nordschwarzwalds mit der "Reise nach Jerusalem" oder über "Hermann Hesse – Lebensstufen". Die Schauspielerin und Theaterpädagogin Birgit Heintel war von Anfang an dabei. Gemeinsam mit dem Hesse-Regisseur Andreas Jendrusch repräsentiert sie für Roland Schweizer jetzt auch die Zukunft der Kulturwerkstatt mit.

Die beiden und haben mit dem Regionentheater "Abnobamons" ein professionelles Ensemble gegründet und mit dem "Tom-Sawyer"-Stück im Sommer mit viel Erfolg "den ganzen Schwarzwald" bespielt. Das Kammerspiel "Kleine Eheverbrechen" wird am 15. November Premiere haben – natürlich im Festspielhaus. Das nächste große Simmersfelder Sommertheater auf der zum Köllbachtal hin offenen Freilichtbühne hinter dem Haus aber ist auch schon in Arbeit.

Wie sehr die Kulturwerkstatt und ihr Festspielhaus Teil von Simmersfeld und soziokulturelles Zentrum für die ganze Region geworden sind, zeigt sich für Roland Schweizer auch darin, dass sich der großartige Kulturbetrieb – mit seinem professionellen Equipment einschließlich einem schönen Konzertflügel – ohne Familienfeiern und kleine kommerzielle Veranstaltungen kaum tragen könnte: "Beim Public Viewing und Mario Götzes Siegtor im Endspiel lag sich hier ganz Simmersfeld in den Armen", freut sich der Kultur-Pionier über die gelungene Integration einer Idee.