Der Bildungsplan der grün-roten Landesregierung ist umstritten - am Samstag zeigten wieder hunderte Demonstranten in Stuttgart ihren Unmut. Foto: FRIEBE|PR/ Yannik Specht

Am Wochenende gingen in Stuttgart zum dritten Mal die Gegner des Bildungsplans auf die Straße. Jetzt reagiert die grün-rote Landesregierung und will das Thema neu einordnen. Als Einknicken will sie das nicht verstanden wissen.

Am Wochenende gingen in Stuttgart zum dritten Mal die Gegner des Bildungsplans auf die Straße. Jetzt reagiert die grün-rote Landesregierung und will das Thema neu einordnen. Als Einknicken will sie das nicht verstanden wissen.

Stuttgart - Nach wochenlangen heftigen Debatten rückt Grün-Rot von dem ersten Entwurf des Bildungsplans 2015 ab und knickt damit nach Ansicht ihrer Kritiker ein. Schüler sollen nach den neuen Plänen der Landesregierung nicht nur die Achtung vor Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen lernen. Vielmehr solle auch Toleranz gegenüber unterschiedlichen Nationalitäten, Ethnien, Religionen oder Kulturen gelehrt werden, erläuterten Kultusminister Andreas Stoch (SPD) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Mehr als 190.000 Menschen hatten zuletzt mit einer Petition gegen einen „Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens“ protestiert.

Die „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ soll nun als eigene „Leitperspektive“ von insgesamt sechs Grundsätzen etabliert werden. Die FDP im Landtag sprach von einer Kehrtwende der Landesregierung angesichts der Forderungen der Opposition. Der CDU geht die „rein kosmetische Korrektur“ nach Einwänden von Eltern und Christdemokraten nicht weit genug.

Kretschmann: Knicken nicht ein

Von einem Einknicken gegenüber Kritikern könne keine Rede sein, beteuerte Kretschmann. Auch Stoch betonte, das ursprüngliche Anliegen, Schüler nicht heterosexueller Orientierungen vor Diskriminierungen zu schützen, solle nicht „verwaschen“ werden. Die zum Teil bewusst geschürten Missverständnisse seien kein Grund, das Thema vom Tisch zu wischen.

Grün-Rot reagiert mit der Änderung des Entwurfs des Bildungsplan auf Kritik, die Landesregierung werte das Thema „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ auf und dränge damit Schüler in eine bestimmte Richtung. „Ich bin überzeugt, dass das die Debatte versachlichen wird“, sagte Kretschmann. Es habe nie die Absicht gegeben, Schüler „umzuerziehen“ oder zu „indoktrinieren“. Kretschmann: „Es geht letztlich um nicht weniger als Menschenwürde und das daraus abgeleitete Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit.“ Die Landesverfassung gebe der Regierung den Auftrag, dafür zu sorgen, dass an allen Schulen der Geist der Duldsamkeit und der sozialen Ethik walte. Anders als Kritiker glauben machen wollten, gehe es keinesfalls um sexuelle Praktiken.

Auf dem YouTube-Kanal der Landesregierung äußerte sich Kretschmann ebenfalls zu dem Thema:

"Atmosphäre der Toleranz und des gegenseitigen Respekts"

Am vergangenen Samstag hatten an einer dritten Protest-Veranstaltung gegen den Bildungsplan in Stuttgart rund 600 Bürger teilgenommen. Mit der Einbettung in ein „allgemeines Diversitätsthema“ bleibe der Auftrag an die Lehrer bestehen, die einzelnen Aspekte, darunter das Thema sexuelle Vielfalt, im Unterricht verbindlich zu behandeln, betonte Stoch. „Es ist keine Abwertung, sondern Aufwertung des Themas.“ Er fügte hinzu: „Schule ist ein Raum, in dem sich die Menschen begegnen. Und das soll in einer Atmosphäre der Toleranz und des gegenseitigen Respekts stattfinden und nicht im Sinne der Ausgrenzung.“

Ob der Bildungsplan fristgerecht im Schuljahr 2015/16 an allen Schulen eingesetzt werde, hänge nicht von diesem Komplex ab. Entscheidend seien vielmehr die Rückmeldungen aus den Erprobungsschulen und die Arbeit der Fachkommissionen. Im Vordergrund stehe die Qualität des Plans für die weiterführenden Schulen außer dem achtjährigen Gymnasium.

Auch Sicht der CDU hat Stoch immer noch nicht verstanden, dass die öffentliche Diskussion um den Bildungsplan sich nicht allein auf die Frage der sexuellen Vielfalt beschränke, sondern auch die „völlig willkürlich“ gesetzten fünf Leitperspektiven infrage stelle.