Die Ansprüche an junge Vorgesetzte steigen. Wer in der Lage ist, sich selbst zu führen und seine psycho-mentalen Kräfte zu pflegen, meistert sie leichter und steht stabiler im Arbeitsleben.

„Die Wirtschaft wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Die Zukunft ist da, bevor wir damit rechnen“, sagt Professor Dr. Hermann Simon, Managementdenker, Gründer und heutiger Chairman von Simon, Kucher & Partners Strategy & Marketing Consultants in Bonn. „Verschiedene Technologien werden miteinander verschmelzen und die Grenzen der physischen, digitalen und biologischen Welt durchbrechen. Unsere Art, zu leben und zu arbeiten, wird sich dadurch grundlegend verändern“, beschreibt Klaus Schwab, Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums, der Organisation, die das alljährlich in Davos stattfindende „World Economic Forum“ ausrichtet, das Kommende.

Und er ist sicher, dieser Verschmelzungsprozess dürfte das beruflich Gewohnte auf breiter Front eher früher als später erschüttern. Was den Schweizer Wirtschaftswissenschaftler und Gastprofessor für Politische Ökonomie an der Universität Basel, Prof. Bruno S. Frey, in seiner Abhandlung „Glück – Die Sicht der Ökonomie“ zu dem unsentimental-pragmatischen Schluss kommen lässt: „Beruflich wie privat muss das Lebensglück irgendwie in der Bewährung und Behauptung in dieser permanenten Unsicherheit gefunden werden.“

Aber wie? „Dafür gibt es keine allgemeingültigen Rezepte. Jeder muss nach diesbezüglich für ihn passenden Mustern, Möglichkeiten und Wegen suchen“, sagt der Geschäftsführer der Münchner Unternehmensberatung Coverdale, Thomas Weegen. Und er warnt eindringlich davor, „sich einfach in Veränderungen hineintreiben zu lassen, wie das häufig zu beobachten ist.“ Unter den sich abzeichnenden beruflichen Arbeitsbedingungen die Orientierung zu bewahren, gelinge nicht ohne Selbststeuerung. Wer diesbezüglich nachlässig handele, mache sich nach dem Motto „Friss, Vogel, oder stirb“ zum Spielball des Geschehens. Beispiele dafür gäbe es schon genug.

Auf Veränderungen flexibel reagieren können

Für Weegen steht fest, erst Selbststeuerung ermöglicht, auf veränderte Anforderungen wie Gegebenheiten vorausschauend und damit flexibel reagieren zu können. Sich in die Pflicht zu nehmen, sich anzustrengen, sich mit den heute schon voraussehbaren Veränderungen auseinanderzusetzen, das sei die wirkungsvollste berufliche Vorsorgemaßnahme.

Warum? „Weil das aus dieser inneren Einstellung heraus erwachsende Gefühl die Grundlage dafür schafft, mit Druck, Ungewissheit, Unvorhersehbarkeit, Unklarheit und Veränderungen angstfreier umzugehen“, so Weegen. „Im Fall eines heute jederzeit möglichen beruflichen Einschnitts wird dieses Gefühl zum inneren Halt und zur ermutigenden Triebkraft für einen Neuanfang oder eine notwendig werdende berufliche Neuorientierung. Wer sich selbst bewiesen hat, in dieser radikalen Unsicherheit aus dem persönlichen Wollen das zur Selbststabilisierung Notwendige tun zu können, der verschafft sich dadurch einen enormen beruflichen Vorteil.“

Die Dinge nicht einfach auf sich zukommen lassen – auch der Esslinger Philosophieprofessor Dr. Ferdinand Rohrhirsch sieht diese außengeleitete Orientierung kritisch und hält sie „für die wohl größte Schwächung psycho-mentaler Stabilität“. Er sieht umgekehrt „in der dem Leben Richtung und Halt gebenden Rückbesinnung auf die Notwendigkeit von kritisch-abwägender Selbstführung und der damit verbundenen Anstrengung den maßgeblichen Dreh- und Angelpunkt persönlicher Stabilität im Instabilen“.

Und so gibt er aus ganz praktischer Coaching-Erfahrung heraus zu bedenken: „Lässt sich jemand nur von den Vorgaben gerade tonangebender Denkweisen führen, dann fehlt dieser Person die Mitte, der Punkt, der ihr im Leben Halt gibt.“ Erst aus diesem Rückhalt wiederum, aus diesem gewissen In-sich-Ruhen könne sich dann ein Gespür für das Hintergründige von Entwicklungen und für die sich daraus ergebenden persönlichen Handlungs- und Steuerungsimpulse entwickeln. Und zwar sowohl im persönlichen Selbstführungs- als auch im vorgesetzten Führungs- und Entscheidungshandeln.

Im Blick auf das ständig anspruchsvoller werdende Führungshandeln hält Rohrhirsch es für unverzichtbar, dass sich Führungskräfte mehr auf die aus dem reflektiertem Umgang mit sich selbst erwachsende persönliche Überzeugungskraft verlassen als ausschließlich auf die alles über einen Kamm scherenden Führungstechniken zu setzen. Diese Überzeugungskraft gewinne umso mehr an Stärke, desto weniger Führende aus der äußeren Verunsicherung heraus situativ affekt- und impulsgesteuert auftreten. „Wer aus sich heraus überzeugend führen will, darf sich nicht von dem Augenblicklichen einer Situation gefangen nehmen, zu vorschnellem Reagieren verleiten und sich dadurch den notwendigen Blick über die Situation hinaus trüben lassen.“

Aus dem Impuls heraus zu reagieren, berge immer die Gefahr, sich aus dieser Emotionalität heraus von zwangsläufig eingeengten, aus dem Vergangenen vorstrukturierten und in der Umgebung tonangebenden Denk- und Verhaltensmustern steuern zu lassen. „Sich selbst und andere im Instabilen einigermaßen stabil, also nicht noch zusätzlich entmutigend und verunsichernd zu führen, verlangt Distanz zu sich selbst ebenso wie zu den Umständen“, so Rohrhirsch. Anders gesagt, verlange es, Lernender zu sein und zu bleiben. Und das setze nun einmal eine gewisse Selbstüberwindung und Anstrengung voraus. Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, hat das unlängst in einem Interview so gesagt: „Das leichte Leben ist eine Illusion. Wir müssen hart arbeiten, ein Fundament schaffen und dann darauf aufbauen.“