Die Kreuzigung: Christian Kepplers Bild in der Schernbacher Kirche ähnelt auffallend Matthias Grünewalds Original. Foto: Cochrane Foto: Schwarzwälder-Bote

In Schernbacher Kirche können Besucher die "Kreuzigung" von Christian Keppler betrachten / Zwei Abendandachten

Seewald-Schernbach (cw). Die Kirche in Schernbach ist nicht nur das architektonische Schmuckstück des kleinen Dorfs. Sie birgt auch ein Kunstwerk, das eng an ein berühmtes Original angelehnt ist: das Gemälde "Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes".

Besucher können sich das Bild am Wochenende ansehen, denn dann ist die Kirche nach einem Beschluss des evangelischen Kirchengemeinderats Göttelfingen geöffnet. Unter der Woche kann der Schlüssel in der Verwaltung im Bruderhaus abgeholt werden.

Regelmäßige Gottesdienste werden in dem 1897 eingeweihten und vor vier Jahren restaurierten Gotteshaus zwar nicht mehr gehalten, aber Pfarrerin Renate Cochrane lädt in den Sommermonaten zu Abendandachten in der verschindelten Holzkirche ein. Zwei sind noch geplant – am Samstag, 23. August, und am Samstag, 20. September. Bei der ersten, einer Friedensandacht, wird an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert und dabei auch an die Verzweiflung der Menschen in den heutigen Kriegsgebieten gedacht. Die zweite, eine literarische Abendandacht, hat "Das kalte Herz" als Thema. Die Abendandachten mit Abendliedern sind jeweils mit einer Wanderung von Göttelfingen nach Schernbach verbunden. Wenn das Wetter mitspielt, treffen sich die Teilnehmer um 18.15 Uhr an der Kirche in Göttelfingen und wandern auf dem ebenen Weg durch den Wald nach Schernbach. Die Andacht beginnt um 19 Uhr.

Dann können die Besucher auch das erschütternde Gemälde betrachten, das die Kreuzigung wie das Original historisch-realistisch darstellt. Der Schernbacher Bauernsohn und Pietist Christian Keppler hat das Bild "Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes" 1951 für die Kirche gemalt und dabei fast originalgetreu Matthias Grünewalds "Kreuzigung" aus dem um 1523/25 entstandenen "Tauberbischofsheimer Altar" nachgebildet.

Grünewalds "Kreuzigung" ist in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe zu sehen. Der andere Teil des "Tauberbischofsheimer Altars", "Die Kreuztragung", wird in der Kunsthalle noch bis zum 21. September bei einer Sonderausstellung gezeigt. Das Gemälde, das als eines der Hauptwerke der deutschen Kunstgeschichte gilt, wird seit einigen Jahren umfassend restauriert. Weitere Jahre sind nach Angaben der Karlsruher Kunsthalle nötig, um das große Tafelgemälde von Schmutz und Übermalungen aus späterer Zeit zu befreien. Die Sonderausstellung zeigt die Methoden der Restaurierung.

Nur in einem Punkt wich Christian Keppler in seinem Gemälde für die Schernbacher Kirche vom Original ab: Johannes stützt sich auf einen Stab. Keppler wollte damit ausdrücken, wie Pfarrerin Cochrane meint, dass der verzweifelte Johannes sich am Stab des Trostes aufrecht halten kann.

Grünewald malte Jesus mit dem Gesicht eines Bauern, mit Beulen und Geschwüren übersät. Seine Sympathien für die aufständischen Bauern waren offenkundig. So erinnert der "Tauberbischofsheimer Altar" nicht zuletzt eindringlich an die Zeit des Bauernkriegs. Kepplers Gemälde passt denn auch, wie Pfarrerin Cochrane sagt, gut zu der Schernbacher Kirche, deren Geschichte mit der Sorge für die "geringsten Brüder" verbunden sei. So sei während der badischen Revolution 1848 ein junger Revolutionär in den Schwarzwald geflohen und von Schernbachern gefunden worden. Als Soldaten in dem Dorf nach ihm suchten, versteckten ihn die Schernbacher in einem Abortschlauch.

Für diese Lebensrettung sei "Dr Schlemmer", wie man ihn später nannte, zeitlebens dankbar gewesen. Seine Witwe stiftete das Kapital für den Bau der kleinen Kirche. Die Schernbacher Handwerker errichteten sie mit viel ehrenamtlichem Einsatz. Die Kirche sollte der Gemeinde und den Heimbewohnern des Bruderhauses dienen.

Als die Naziherrschaft und damit auch das Euthanasie-Programm kam, beteten viele verängstigte, auch behinderte Menschen in dem Gotteshaus. Der Heimleiter und die Schernbacher Bürger verhinderten gemeinsam, dass Bewohner des Bruderhauses abtransportiert und in die Gaskammern gebracht wurden. So spiegelt die Schernbacher Kirche historisch und künstlerisch das Leid, aber auch den erfolgreichen Kampf dagegen.

Wer übrigens Original und Nachbildung vergleichen möchte, kann dies direkt vor Ort tun: Auch eine Abbildung von Grünewalds "Kreuzigung" ist in der kleinen Dorfkirche zu sehen.