Freiheit: Von 26 Plätzen im Gebiet des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord können Drachen- und Gleitschirmflieger starten. Die Gelände rund um Oppenau (Bild) sind bei den Sportlern beliebt. Foto: Deckert

Naturpark und Gleitschirmflieger einigen sich auf Verhaltenskodex. Konzept schreibt Regeln fest.

Seebach - Wie kann man Naturschutz und Sport im Freien unter einen Hut bringen? In einer bundesweit einzigartigen Konzeption haben sich der Naturpark Schwarzwalds Mitte/Nord und die im Deutschen Hängegleiterverband organisierten Drachen- und Gleitschirmflieger im Ortenaukreis auf Spielregeln geeinigt. Das soll erst der Anfang gewesen sein.

Natursportarten erleben einen Boom: Sich draußen in der freien Wildbahn zu verausgaben ist gesund, es erdet und Psychologen sehen es als wichtigen Präventionsfaktor gegen Burnout und Depressionen an. Sei es Wandern, Mountainbiken, Joggen oder Drachenfliegen – der Erholungs- und Spaßfaktor sind unbestritten. Allzu oft geraten die Sportler dabei allerdings mit Förstern, Jägern und Naturschützern aneinander – beide Seiten werfen sich, auch im Ortenaukreis, vor, keine Rücksicht auf die Natur zu nehmen, sich umzulassen wie die Axt im Walde und in die Schutzräume von Tieren einzudringen, sie gar mutwillig um des eigenen Hobby wegens, zu zerstören.

Diese Diskussionen wollten der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord und der Deutsche Hängegleiterverband (DHV) nicht hochkochen lassen – schließlich ist man auch gegenseitig aufeinander angewiesen. Seit 1975 gleiten die Sportler im Schwarzwald durch die Lüfte, brauchen freie Wiesen um zu starten und zu landen und der Naturpark braucht Gäste, Touristen, Besucher – auch die, die durch das Gleitschirmfliegen in die Region kommen. Die freien Plätze hatten sie vor allem nach dem Orkan Lothar – doch so langsam wachsen die Kahlflächen wieder zu.

Björn Klaasen, Klaus Kienzle (beide DHV) und Stefan Bächle (Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) dem Verein Wildwege) wendeten sich an Rastatts Landrat Jürgen Bäuerle in seiner Funktion als Vorsitzender des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord und den Geschäftsführer Karl-Heinz Dunker. Ihr Ziel: Eine Konzeption "Gleitschirm- und Drachenfliegen im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord". "Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, den Sportlern den Spaß nicht zu nehmen und sie doch so zu lenken, dass sie dem Naturschutz nicht in die Quere kommen und sich die Belastung für Tiere und Pflanzen in Grenzen hält", erinnert sich Bäuerle. Das sei gelungen.

Und zwar, indem erst einmal der Ist-Zustand der 26 Flugplätze im Bereich des Naturparks erfasst worden ist. Sprich, es wurden Fragen geklärt wie beispielsweise: In welche Richtung starten die Gleitschirmflieger, wie hoch liegt der Startplatz, wo ist der Landeplatz, wer fliegt dort, welche Infrastruktur gibt es, können die Sportler mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen und wie stark wird er frequentiert? Dann äußerten sie die Naturschützer, die Jäger und die Anwohner: Welche Schutzgebiete liegen in der Nähe, welche Flora und Fauna ist schützenswert, welche Tiere werden durch den Flugbetrieb gestört?

Mittels einer Matrix werden die Ergebnisse ausgewertet

Die Informationen wurden in eine Matrix übertragen und gewichtet. Dadurch konnten für jeden Start- und Landeplatz spezifische Handlungsempfehlungen aufgestellt werden. "Wenn jemand nicht weiß, dass er wo nicht parken darf, dann parkt er dort eben trotzdem", fasst Klaasen zusammen. "So ist das auch beim Gleitschirmfliegen: Wenn man den Sportlern erklärt, dass sie von manchen Plätzen nur zu bestimmten Jahreszeiten starten können oder eine bestimmte Höhe einhalten müssen, dann klappt das in den meisten Fällen auch, weil die Kontrolle untereinander stark ist", ergänzt Kienzle. Durch die detaillierten Analysen der einzelnen Plätze konnte also ermittelt werden, wann wer wie hoch fliegen darf, was bei der An- und Abreise zu beachten ist, in welche Richtung gestartet werden kann und welche Routen geflogen werden dürfen. Und: Dass es für die etwa 4000 Gleitschirmflieger in diesem Gebiet momentan keinen Bedarf an neuen Star- und Landewiesen gibt, sondern dass bereits bestehende Plätze ausgebaut werden können. Außerdem wurde durch die Matrix klar, dass es im Nordschwarzwald keine perfekten Fluggelände gibt. Die besten Plätze erfüllen zwischen 60 und 80 Prozent der Idealbedingungen. Dazu gehören die Gelände "Merkur", Omerkopf", "Oppenau Rossbühl" und "Althof". Der "Ortenberg-Steinbruch" hingegen ist eigentlich unattraktiv und wird kaum genutzt.

"Wir wollten einen Ausgleich zwischen Erholung in und Erhaltung der Natur schaffen", betont Dunker. Die Konzeption, die in wenigen Tagen in Kraft treten wird, hat damit zur Verbesserung der Geländesituation, zur Gesamtbetrachtung, zur Kooperation zwischen den Fliegervereinen, zur Integration der Piloten in den Naturschutz und zur gegenseitigen Akzeptanz der beiden Parteien beigetragen.

Kostenpunkt: 15 000 Euro – weitere Projekte sollen folgen

Gekostet hat die in dieser Form bundesweit einzigartige Zusammenarbeit 15.000 Euro. Und die Macher haben schon neue Visionen. Denn: Nicht nur im Ortenaukreis und im Schwarzwald gibt es Gleitschirmflieger – sondern in ganz Deutschland. Außerdem gibt es ja noch die Mountainbiker, die Jogger und die Geocacher, mit denen die Naturschützer sich an einen Tisch setzen wollen.