Hat der Polizeipräsident die Kriminalitätsstatistik verharmlost? Foto: peshkov/Fotolia.com/Archiv/Gentsch/Montage: Ulm

Drei Polizeigewerkschaften werfen Polizeipräsident Ulrich Schwarz Schönfärberei vor.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ist die Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Tuttlingen "schön geredet"? Diesen Gedanken jedenfalls stellen die drei Polizeigewerkschaften in den Raum und erheben schwere Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz.

Die Vertreter der drei Polizeigewerkschaften beim Polizeipräsidium Tuttlingen – die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sehen sich veranlasst, "die Darstellungen des Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz richtig zu stellen". Dieser hatte jüngst die Kriminalitätsstatistik für den Präsidiumsbereich im abgelaufenen Jahr vorgestellt und dabei ein gar nicht so negatives Bild gezeichnet.

Es werde den Bürgern der Eindruck vermittelt, "als lebten sie auf einer Insel der Glückseligen", wettern die Polizeigewerkschaften und haben auch schon eine Idee, warum ein so rosiges Bild gezeichnet werde. Zahlen würden "im Bedarfsfall schon einmal schön geredet, Hauptsache, der gute Gesamteindruck nach außen wird nicht gestört", stellen die Gewerkschafter in den Raum und das alles, um zu zeigen: "Alles im Griff hat offenbar der Präsident des Polizeipräsidiums Tuttlingen, Ulrich Schwarz." Dabei sei "überall da, wo Schwarz regiert, die Welt eben gerade nicht in Ordnung".

In einer dreiseitigen Mitteilung gehen die Gewerkschaften äußerst hart mit Schwarz ins Gericht. Wo eklatante Steigerungen von Straftaten zu verzeichnen seien, werde dies von Schwarz "bagatellisiert", der Ladendiebstahl werde "verniedlicht" und 21 Tötungsdelikte "nehmen sich nach unserer Ansicht nicht als geradezu wenig aus, auch wenn es in New Orleans jährlich 250 Morde sind – solche Vergleiche, wie Schwarz sie angestellt habe, "verbieten sich". Ebenso hapere es strukturell gewaltig: Eines der großen Ziele der Polizeireform, mehr Polizei auf die Straße zu bekommen, sei schlicht verfehlt. Die personelle Ausstattung der Polizeireviere geradezu katastrophal – statt der von Schwarz erwähnten 10 700 Überstunden stünden beim Präsidium 60 000 Überstunden unter dem Strich. Die Kriminalpolizei im Landkreis sei "chronisch unterbesetzt", zusätzliche personelle Löcher entstünden durch immer wieder neue Sonderkommissionen, die wegen Einbruchsdiebstahl oder mit Bezug auf die Flüchtlingsströme notwendig seien.

Die Arbeitsbelastungen für die Beamten seien enorm. Schlagworte wie "Zeithetze, Arbeitsintensität und Verantwortungsdruck" werfen die Gewerkschaften in den Raum und sie finden: "Schwarz hat weder das Thema Belastung noch das Thema Überstunden im Griff. Und er ist meilenweit davon entfernt, seinen Beschäftigten eine wirkliche Gesundheitsvorsorge bieten zu können". Tatsächlich verärgere er die Beschäftigten "durch seine ständige Schönfärberei". Sie fordern: Schwarz solle aus der Personalnot endlich keinen Hehl mehr machen, seiner Fürsorgepflicht als Vorgesetzter nachkommen und "die ganze Problematik endlich auch im Ministerium" vorbringen.

Während seine Gegner ihre Vorwürfe in einem dreiseitigen Schreiben formulieren, liest sich die Stellungnahme des Polizeipräsidenten auf Anfrage unserer Zeitung fast schon wortkarg. "Die Darstellung von Problemfeldern, die Art der Argumentation und auch der gewählte Stil" der Pressemitteilung "einiger Vertreter unserer Gewerkschaften" seien nicht neu. Bevor diese gestern an die Presse geschickt wurde, seien keine Gespräche zwischen den Bezirks- und Kreisverbänden der Gewerkschaften und der Leitung des Polizeipräsidiums geführt worden. Dies wäre ein Wunsch des Polizeipräsidenten, und "sicherlich auch den Anliegen der Gewerkschaften dienlicher: Miteinander zu reden statt übereinander zu schreiben."

Info: Rechenbeispiel

Ihre Vorwürfe, Schwarz rede die Statistik des Polizeipräsidiums Tuttlingen schön, untermauern die Polizeigewerkschaften mit einem Beispiel: Im Vergleich zu den anderen Präsidien im Land, stehe das Präsidium Tuttlingen vergleichsweise gut da. Doch bereits vor der Polizeireform seien die zum Präsidium gehörenden fünf Landkreise mit die sichersten in Baden-Württemberg gewesen – auch mit den höchsten Aufklärungsquoten.

Vor der Polizeireform seien die Straftaten in diesen fünf Landkreisen bereits nach 2008 kontinuierlich zurückgegangen, von 30 238 im Jahr 2009 auf 28 466 im Jahr 2012. 2013 wurde die Reform auf den Weg gebracht, die Zahl der Straftaten erhöhte sich 2013 auf 29.293. Im ersten Jahr der Reform, 2014, habe es eine weitere Steigerung auf 29.830 gegeben, 2015 eine weitere Steigerung "auf einen neuen Höchststand von 31.704 Straftaten". "Verglichen mit den Zahlen vor der Reform eine stolze Steigerung der Straftaten um 11,4 Prozent", so die drei Gewerkschaften.