Die Spieler der Wild Wings bedankten sich am Freitagabend bei den Fans für die tolle Unterstützung während der DEL-Comeback-Saison. Fotos: Sigwart Foto: Schwarzwälder-Bote

EishockeyVon kühlen Katakomben und heißen Wild Wings: Neuling erlebt beim Comeback ein Wechselbad der Gefühle

Von Gunter Wiedemann, Michael Bundesmann und Kevin Schuon

Rückblick: 5. August 2013. 28 Grad zeigt das Thermometer vor der Helios-Arena an, deutloch kühler ist es in den Katakomben der Eishalle. Stefan Mair sitzt im Trainerbüro an seinem Schreibtisch, zwei Handys, ein Laptop und ein "Player and Profiles"-Aktenordner sind in Reichweite. Drei Wünsche äußert der Coach der Wild Wings mit Blick auf die Saison. "Ich hoffe, dass Fans und Umfeld Geduld haben. Im ersten Jahr in der DEL wird es auch Tiefen geben. Weiter wäre ein guter Start in die Saison sehr wichtig. Zuletzt hoffe ich natürlich, dass ich den Weihnachtsstollen in Schwenningen genießen darf", lacht Mair. Alle seine Wünsche erfüllten sich in einer DEL-Premieren-Runde, die viele positive Überraschungen, aber auch einige Tiefpunkte parat hatte.

DIE VORBEREITUNG

Es war für alle Verantwortlichen eine Mammutaufgabe, den Zeiger sportlich, strukturell, finanziell und organisatorisch innerhalb von wenigen Wochen von der 2. Bundesliga auf die DEL umzustellen. In der Helios-Arena wurde gebaut, die Wild Wings konnten so – im Vergleich mit vielen anderen Konkurrenten – erst spät mit dem Eistraining beginnen. Auch in Sachen Kaderzusammenstellung hatten die Schwenninger aufgrund der erst im Mai perfekten Lizenzübernahme von den Hannover Scorpions Wettbewerbsnachteile. Sechs Spieler aus der Zweitliga-Runde blieben, dazu kamen zunächst 15 Neue. Ebenfalls neu an der Bande: Dave Chambers, der routinierte Co-Trainer von Stefan Mair, und der schon zuvor als Nachfolger von Stefan Wagner präsentierte Manager Alexander Jäger. "Wir müssen uns nun in den Vorbereitungsspielen spielerisch erst einmal finden", wusste Sascha Goc, der neue Kapitän, dass auf die Wild Wings ein steiniger Weg warten würde. So kam es dann auch. Die ersten Testspiele verliefen durchwachsen, doch gegen Ende der Vorbereitung gab es gute Auftritte gegen die DEL-Kontrahenten aus Augsburg und Nürnberg. "Wir müssen mutig und schlau spielen", lautete die Erkenntnis von Stefan Mair nach einer intensiven Vorbereitungsphase. "Am wichtigsten ist es, dass wir in der Defensive möglichst kompakt stehen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg in der DEL. Nur so kann man Spiele gewinnen", betonte Sascha Goc vor dem ersten DEL-Auftritt in Mannheim.

DIE SAISONPHASEN

Also ausgerechnet beim Erzrivalen begann am 13. September 2013 nach zehn Jahren Wartepause für die Wild Wings wieder das Abenteuer DEL. "Die Sensation hatten wir in der Hand", war Michael Werner, einer der beiden Geschäftsführer der Wild Wings GmbH, nach der unglücklichen 1:2-Niederlage bei den Adlern beeindruckt. Am 22. September war es dann so weit: Schwenningen feierte mit dem 4:3 nach Penaltyschießen in Düsseldorf den ersten Saisonsieg. Es folgten Überraschungserfolge gegen Köln, in München, das 8:1-Fest gegen Augsburg und eine knappe Penaltyniederlage gegen Meister Berlin. "Wir haben uns Respekt verschafft, dürfen die Situation aber auch nicht überbewerten", betonte Verteidiger Alexander Dück. Recht hatte er. Die Gegner stellten sich im Laufe der Runde besser auf den Underdog ein. Schwenningen hielt zwar die Partien oft lange offen, doch zu oft gewann der Gegner mit einem Tor Unterschied. Vor der Deutschland-Cup-Pause sprang aber ein Sechs-Punkte-Wochenende gegen die Spitzenteams aus Köln und Nürnberg heraus. Lohn war am 3. November 2013 – zwischenzeitlich hatte sich David Sulkovsky der Mannschaft angeschlossen – der Sprung mit 20 Punkten auf den elften Rang, nur zwei Zähler hinter dem Tabellenachten aus Augsburg. "Wir haben bisher in fast jedem Spiel mitgehalten, uns als Team gefestigt und stehen in der Defensive nun stabiler. Verbessern müssen wir uns noch bei den Special-Teams und beim Verhalten in der neutralen Zone", bilanzierte Stefan Mair die erste Saisonphase, dessen zweiter Wunsch also in Erfüllung ging.

Es folgte ein Wechselbad der Gefühle. Sechs Niederlagen in Serie (22. November bis 13. Dezember), dann ein 6:4-Heimsieg gegen Krefeld und am 22. Dezember ein 4:3-Penaltyerfolg gegen Iserlohn: Die Wild Wings hatten nach 30 Saisonspielen (32 Punkte) weiter Tuchfühlung zum zehnten Rang, den Augsburg (36) belegte. Als "Weihnachtsgeschenk" gab es für Stefan Mair aber nicht nur einen Stollen, sondern auch den Ex-Münchner Sean O’Connor, der die Schwenninger im Sturm verstärkte. Im Januar kam noch Mark Lee dazu, während Matt MacKay (München), Richard Gelke (Frankfurt) und Tom-Patric Kimmel (Crimmitschau) keine Rolle mehr spielten. Doch wieder einmal erwies sich die Zeit von Weihnachten bis zur zweiten Länderspielpause (3. bis 14. Februar) mit Blick auf die (Pre)Play-offs als vorentscheidend. In 13 Spielen holten die Wild Wings – trotz grandioser Siege in Berlin und (wieder einmal) gegen Lieblingsgegner Köln – nur 15 Punkte. Zu wenig, um vor der kurzen Unterbrechung noch ernsthaft um die Pre-Play-off-Teilnahme mitspielen zu können. Nach 44 Spielen (47 Punkte) waren die Schwenninger 13., der Rückstand auf den für die Pre-Play-offs relevanten achten Rang war auf 13 Zähler angewachsen. Manager Alexander Jäger kannte einen Grund dafür: "Auswärts holen wir einfach zu wenige Punkte."

Spätestens, als die beiden ersten Spiele nach der Pause gegen Augsburg und Ingolstadt verloren wurden, war dann auch bei den größten Optimisten der Groschen gefallen. Die Pre-Play-offs waren endgültig außer Reichweite. Danach folgte der turbulente 8:4-Spiel gegen Schlusslicht Düsseldorf. Nun war klar, dass die Wild Wings die Runde nicht auf dem letzten Rang beenden werden. Noch aber gab es zwei Höhepunkte, die beiden Heimspiele gegen Spitzenreiter Hamburg (0:2) und das Derby gegen Mannheim (3:4 nach Penaltyschießen). Nach 52 turbulenten Spieltagen beendeten die Wild Wings mit 51 Punkten. die Saison auf dem 13. Platz.

DIE TOPS

"Wir wollen die Fans und die Region sportlich begeistern und weitere Euphorie verbreiten", betonten Michael Werner und Thomas Burger, die beiden Geschäftsführer der Wild Wings GmbH, vor der Runde. Diese Ziele wurden erreicht. 4530 Zuschauer verfolgten im Schnitt die Heimspiele in der Helios-Arena, darunter auch viele Gästefans, die mit zahlreichen Sonderzügen den für sie oft neuen Eishockey-Standort entdeckten. Auch der Zusammenhalt innerhalb des Teams stach positiv heraus. Die Spieler waren ein eingeschworenes Team. Stefan Mair betonte während der Saison oft: "Wer nach Schwenningen kommt, weiß, dass er in jedem Spiel 100 Prozent geben muss." Der Charakter der Mannschaft gehört also ebenfalls zu den Tops. Zu den Höhen zählen weiter die drei Siege gegen den Titel-Aspiranten aus Köln. "Hätten wir eine solche Bilanz gegen andere Mannschaften, würden wir die Play-offs erreichen", lachte Alexander Jäger. Abgesehen von der 2:11-Klatsche in Ingolstadt und der 1:8-Niederlage in München haben sich die Schwenninger meistens gut verkauft. Sie konnten in dieser Saison neben Köln auch Titelverteidiger Berlin und den Top-Teams aus Nürnberg, München, Wolfsburg und Krefeld Punkte abluchsen. Dazu kommt, dass die Wild Wings in der heimischen Helios-Arena elf ihrer insgesamt 17 Siege feiern konnten. Der Bauchenberg war also oft nur schwer zu bezwingen.

DIE FLOPS

Während die Schwenninger also in der Helios-Arena überzeugten, war in der Fremde sogar Schlusslicht Düsseldorf etwas besser. Ganze 15 Zähler holten die Wild Wings in 26 Auswärtsspielen. Seit dem 5. Januar, also dem 4:3-Sieg nach Penaltysieg in Berlin, setzte es für die Neckarstädter in fremden Eishalle nur Niederlagen. "Vielleicht zeigen unsere Spieler in den Heimspielen mehr Leidenschaft", weiß auch Alexander Jäger, dass sich die Wild Wings in der kommenden Runde auswärts steigern müssen, wollen sie länger im Kampf um die Pre-Play-off-Plätze mitmischen. Klar ist auch, dass 190 Gegentore einfach zu viel sind. Kein Team hat mehr kassiert. Gründe dafür waren auch das Unterzahlverhalten (Erfolgsquote: 80,8 Prozent) und die zu vielen Strafen. 17,37 Minuten lang saßen pro Spiel im Schnitt Spieler der Wild Wings in der Kühlbox, nur die Cracks aus Straubing wurden öfters auf die Strafbank geschickt. "Und das Unterzahlspiel kostet eben sehr viel Kraft, die dann im Verlauf einer Partie fehlen kann", weiß nicht nur Stürmer Morten Green. Auch das Powerplay (Erfolgsquote: 14,4 Prozent) war keine Stärke der Schwenninger, wobei Schlüsselspieler für das Überzahlspiel oft verletzt waren – oder überspielt wirkten. Außer Spesen nichts gewesen hieß es in den Vergleichen mit Ingolstadt und Hamburg. Enttäuschend war – nicht nur für Coach Stefan Mair – das Verhalten von Matt MacKay, der mangels Spielzeit in Schwenningen seinen Vertrag auflöste und sich kurz vor Weihnachten Red Bull München anschloss. Ganze elf Spiele hat der junge Angreifer seit diesem Zeitpunkt für die bayerische Millionentruppe bestritten. Schwer hatte es Backup-Goalie Lukas Steinhauer, der im Schatten des bis auf eine kleine Schwächephase nach dem Deutschland-Cup starken Dimitri Pätzold keine 200 Minuten lang das Schwenninger Gehäuse hütete.

DIE VORGABEN

"Wir werden uns am unteren Tabellendrittel orientieren müssen, streben aber an, mit Teams wie Düsseldorf, Straubing, Krefeld und vielleicht auch Augsburg auf Augenhöhe zu sein. Es wäre schön, wenn wir an einem Pre-Play-off-Platz kratzen könnten", meinten Michael Werner und Thomas Burger vor dem ersten Saisonspiel in Mannheim. Diese Einschätzung sollte sich – mit Ausnahme von Krefeld – als realistisch herausstellen. Zwar schnupperten die Wild Wings eine Zeit lang an einem der Pre-Play-off-Plätze, am Ende ging dieser insgeheim gehegte Wunsch aber nicht in Erfüllung und wurde deutlich verpasst. Dennoch: 51 Punkte in der ersten DEL-Saison sind ordentlich, was auch die meisten Fans so sahen. Der erste Wunsch von Mair ging also auch weitestgehend in Erfüllung.

DIE FINANZEN

Der Etat der Wild Wings betrug rund 4,2 Millionen Euro. Etwa zwei Millionen Euro waren bereits vor der Saison über Sponsoren gedeckt. Dazu kamen die TV-Gelder und natürlich die Zuschauereinnahmen. Der kalkulierte Schnitt von 3800 Fans pro Spiel wurde mit am Ende 4530 Zuschauern deutlich übertroffen. Das Ziel, im ersten Jahr in der DEL keine roten Zahlen zu schreiben, sollte also erreicht worden sein.

DAS FAZIT

Die Schwenninger Wild Wings wussten, dass es im ersten Jahr im Haifischbecken DEL nicht einfach wird. So kam es dann auch. Kampfgeist und Charakter des Teams waren zwar vorbildlich, doch dies reichte in einer langen und intensiven Saison nicht aus, um ernsthaft um die Pre-Play-offs mitspielen zu können. Es fehlte die Breite im Kader, um auch Ausfälle von Leistungsträgern auffangen zu können. Dies machte sich in der entscheidenden Saisonphase deutlich bemerkbar. Aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen, also der erst im Mai festgezurrten Übernahme der DEL-Lizenz von Hannover und der daraus resultierenden Wettbewerbsnachteile, haben die Wild Wings eine ordentliche Runde gespielt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht enttäuscht. Viel mehr war mit Blick auf die Konkurrenz realistisch gesehen einfach nicht drin. Und die Fans haben nach zehn Jahren Zweitliga-Kost gesehen, dass eben zwischen DEL I und neuer DEL II ein riesengroßer Unterschied ist. "Das ist wie Bayern München und Unterhaching", verglich früher einmal Ex-Coach Mike Bullard die beiden Klassen. Recht hat er. Und die Wild Wings waren (und werden) zwar keine Bayern, doch selbst Verantwortliche aus Berlin oder Köln betonten immer wieder, wie gut die Neckarstädter der 1. Liga tun. Dies ist der eigentliche Erfolg. "Schwenningen ist in der DEL angekommen", meinte nicht nur Haie-Trainer Uwe Krupp, also ein echter Gewinn für die höchste Klasse. Und nicht nur die Kölner werden wieder mit viel Respekt an den Bauchenberg fahren.

DER AUSBLICK

Bisher unter Vertrag stehen: Trainer: Stefan Mair. Co-Trainer: Dave Chambers. Torwart: Dimitri Pätzold. Verteidigung: Sascha Goc, Elias Granath, Alexander Dück, Adam Borzecki, Stephan Wilhelm, Ty Wishart und Rob Brown (Augsburg). Sturm: Morten Green, Thomas Pielmeier, Philipp Schlager, Mirko Sacher, Dan Hacker, Ryan Ramsay, Ashton Rome (Düsseldorf) und Konstantin Schmidt (Ravensburg). Erst gut die Hälfte des Kaders steht. Auf Stefan Mair, Alexander Jäger und Co. kommt also noch viel Arbeit zu, bis sie spätestens Anfang August wieder die kühlen Katakomben der Helios-Arena aufsuchen.