75 Prozent der Studierenden kommen mit dem Auto, nur vier Prozent können den ÖPNV nutzen. Foto: berc/Fotolia.com

Bundesweit einmaliges Projekt wird an Hochschule Furtwangen erforscht: Ländlichen Raum mobil machen.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ein bundesweit einmaliges Mobilitätsprojekt wird derzeit an der Hochschule Furtwangen erforscht. Es geht darum, fünf Standorte im ländlichen Raum nachhaltig mobil zu machen.

Die Hochschule Furtwangen mit den Standorten in Furtwangen, Schwenningen und Tuttlingen sowie die Duale Hochschule in Schwenningen und die Musikhochschule Trossingen sind im Projekt integriert.

Projektleiter ist Anton Karle, Jochen Baier und Assistentin Ann-Christine Conzelmann betreuen das Projekt. Baier, der den Bereich Logistik und Supply-Chain-Management des Fachbereiches Wirtschaftsinformatik der Hochschule Furtwangen leitet, erklärt dass das Vorhaben fakultätsübergreifend bearbeitet wird. Es wird für eine Laufzeit von drei Jahren vom Ministerium für den Ländlichen Raum gefördert. Alle Betroffenen werden aktiv einbezogen, zum Beispiel mit Umfragen, Interviews und Studentenprojekten. Im Mittelpunkt steht die Mobilität von Studierenden, beziehungsweise die Frage: "Wie können wir Studierende nachhaltig mobil machen?".

"Hier in Furtwangen gibt es zum Beispiel eine Bahnhofstraße, aber keinen Bahnhof", stellt Jochen Baier fest. 75 Prozent der Studierenden kommen mit dem Auto, nur vier Prozent können den ÖPNV nutzen. Das liege mit an den Verkehrsverbindungen zum Beispiel aus dem Breisgau nach Schwenningen und nach Furtwangen, meint Baier. Die Zeiten seien an den Schulen ausgerichtet und nicht etwa am Beginn der Vorlesungen an der Hochschule Furtwangen. "Die Studierenden werden zu jeder Vorlesung einige Minuten später kommen. Erschwerend hinzu kämen, so Anton Karle, die Schulferien: "Ein Teil der Busse fällt dann aus".

Der noch amtierende Verkehrsminister Winfried Hermann wolle ein Baden-Württemberg-Semesterticket für Studierende einführen, was er, so Karle, begrüßen würde. Das Ticket soll es voraussichtlich 2018 geben.

Ein weiteres Problem für die Studierenden sind die Kreisgrenzen, beziehungsweise die Grenzen der Verkehrsverbünde, die Kosten verursachen. 11,60 Euro sind zum Beispiel für eine Fahrt von Freiburg nach Furtwangen zu berappen. Die Grenze des Verkehrsverbundes ist bei Gütenbach. Es gehe nun darum, so Baier, die Verbundgrenze zu flexibilisieren. Etliche Studierende kämen aus dem Freiburger Raum. Von zirka 300 ist die Rede. "Das ist schon ein Potenzial", meint der Hochschullehrer. Im Raum Freiburg gibt es ein günstiges Ticket für Studierende. Immerhin kostet es mit dem Fernbus von Freiburg nach Schwenningen nur fünf Euro, "und außerdem gibt es WLAN im Bus", für Studierende ein großes Plus. Ein Fernbus von Furtwangen nach Freiburg scheint offenbar momentan kein lohnendes Projekt. "Wir wollen den ÖPNV im Einzugsgebiet der Hochschule analysieren", betont Karle. Dabei sollen auch der Verkehrsverbund Schwarzwald-Baar und alle umliegenden Verkehrsverbünde einbezogen werden. Große Chancen verbinden die Projektverantwortlichen außerdem mit dem Thema Gäubahn.

"Wie können wir die Studierenden motivieren, nicht alle im eigenen Auto zu sitzen?", nennt Karle eine wichtige Fragestellung. Mitfahrgelegenheiten stünden hoch im Kurs.

Elektromobilität und Car-Sharing sind ein weiterer Schwerpunkt des Programmes. Dabei geht es außerdem um E-Bikes. Fahrräder im ländlichen Raum seien zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber "suboptimal", wegen der Topografie, meinen die Projektpartner. Die Hochschule Furtwangen will selbst Elektroautos kaufen und diese als Dienstfahrzeuge für den Verkehr zwischen den einzelnen Standorten Furtwangen, Schwenningen und Tuttlingen verwenden. Diese Fahrzeuge sollen auch den Studierenden zur Verfügung stehen. Diejenigen, die zwischen den Standorten pendeln, können sich ein Fahrzeug ausleihen. Welche Marke gekauft wird, steht noch nicht fest. Jochen Baier verhandelte gestern mit Autoherstellern. Die Fahrzeuge sollen in den nächsten Wochen gekauft werden. Die momentan niedrigen Spritpreise stellen allerdings oftmals für die Studierenden keine Motivation dar, zu wechseln. "Für Preise von unter einem Euro pro Liter Diesel möchte ich die Flexibilität des eigenen Autos", zitiert Baier einen motorisierten Studenten.

Auch um die ländliche Infrastruktur wollen sich die Projektteilnehmer kümmern. "Ziel ist: Wie kommt ein Studierender nachhaltig an einen Studienort, wie können sich Studierende im ländlichen Raum nachhaltig bewegen?", formuliert Anton Karle. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass nur wenige Parkplätze vorhanden sind. In Tuttlingen gibt es beispielsweise überhaupt keine. In Schwenningen sind momentan zwar noch Parkplätze hinter dem Bahnhof. Doch dort soll mittelfristig eine Stadtteilhalle entstehen. Immerhin, so stellt Karle fest, habe Schwenningen wenigstens einen Bahnhof. Und in Tuttlingen verkehre ebenfalls der Ringzug.

Studierende wollen nicht zu jedem ins Auto steigen

In drei Jahren sollen die fünf Hochschulstandorte verkehrstechnisch besser als bisher miteinander verbunden und für Studierende und Beschäftigte unkomplizierter zu erreichen sein, wünschen sich die Projektverantwortlichen als ein Ziel. Dabei setzen sie auch auf unkonventionelle moderne Methoden. Wie zum Beispiel eine eigene Mitfahr-App für Hochschulstudierende. Diese kann aber nur von Studierenden mit einem Hochschul-Log-in und nicht wie beispielsweise die virtuelle Mitfahrplattform "flinc" von der gesamten Bevölkerung genutzt werden. Das bedeutet für die Studierenden mehr Sicherheit. "Viele sagen: ›Ich steige nicht zu jedem ins Auto‹", erklärt Karle die Problematik. Das Thema Mobilität ist schon seit 2007 fest verankert an der Hochschule. 2012 wurde ein Arbeitskreis Mobilität gegründet. Das jetzige Projekt wird vom Ministerium für den Ländlichen Raum finanziell unterstützt, außerdem gibt es weitere Sponsoren. Die Studie soll ein Ergebnis bringen, das für alle Hochschulen im ländlichen Raum angewendet werden kann.