Bei der Demonstration am Mittwoch in Stuttgart wurde dem „Schwarzen Donnerstag“ vor fünf Jahren gedacht. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Gegen den früheren Oberstaatsanwalt, der Chefermittler bei Delikten rund um Stuttgart 21 war, ist erneut Strafanzeige erstattet worden. Dies wurde bei der Demonstration zum fünften Jahrestag des Schwarzen Donnerstags verkündet.

Stuttgart - Auf ein Neues. Dieter Reicherter, pensionierter Richter, gibt nicht auf: „Ich habe Oberstaatsanwalt a.D. Häußler wegen uneidlicher Falschaussage beim Generalstaatsanwalt angezeigt“, erklärte er am Mittwoch bei der Kundgebung zum fünften Jahrestag des sogenannten Schwarzen Donnerstags. Am 30. September 2010 war eine Polizeiaktion zur Räumung eines Baufelds für Stuttgart 21 im Schlossgarten außer Kontrolle geraten. Beim Einsatz mit Wasserwerfern und Pfefferspray hatte es mindestens 164 Verletzte gegeben. Reicherter will den einstigen Chefermittler auch wegen Strafvereitelung im Amt belangt wissen. Bernhard Häußler habe es pflichtwidrig unterlassen, „gegen Polizisten zu ermitteln, die verbotenerweise Pfefferspray gegen Kinder eingesetzt haben“.

3000 bis 8000 Teilnehmer, je nach Schätzung von Polizei oder Veranstalter, waren zur Kundgebung am Hauptbahnhof gekommen. Das Aktionsbündnis gegen S21 warf den Behörden „fünf Jahre Strafvereitelung“ vor. Mit neu entdeckten Videosequenzen will Reicherter noch mal Druck machen. In Tonaufnahmen sind fränkisch sprechende Polizisten zu hören, die verabreden, Pfefferspray in die Gesichter von Blockierern zu reiben. Außerdem sind jugendliche Demonstranten zu erkennen. Allerdings: Ein damals 14-Jähriger, den Reicherter ausfindig gemacht hat, will nicht als Zeuge aussagen.

Häußler soll nun zum Verhängnis werden, was er am 5. November 2014 am Landgericht beim Wasserwerferprozess ausgesagt hatte. „Die Videoauswertung hat keinen Pfefferspray-Einsatz gegen Kinder ergeben.“ Man habe keine Kinder feststellen können. „Der Jüngste war 18.“ Für Reicherter ist das nun eine uneidliche Falschaussage. „Das wollte ich ihm nicht durchgehen lassen“, erklärt er, „ein Zeuge vor Gericht muss die Wahrheit sagen, das gilt auch für einen pensionierten Oberstaatsanwalt.“

Die Strafanzeige, letzten Freitag eingereicht, ist von der Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch weitergereicht worden – an das Justizministerium. „Wir haben vorgeschlagen, dass eine andere Staatsanwaltschaft im Badischen die Anzeige prüft und bearbeitet“, sagt Tomke Beddies, Sprecherin des Generalstaatsanwalts. Das Justizministerium bestätigt den Eingang der Akte am Mittwochnachmittag. „Die Entscheidung fällt frühestens am Donnerstag“, heißt es. Freilich: Schon einmal war Häußler vergebens angezeigt worden – wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg prüfte, sah aber keinen Grund für ein Verfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe wies eine Beschwerde Anfang 2015 zurück, das Oberlandesgericht Karlsruhe ließ im Juli ein Klageerzwingungsverfahren nicht zu.

Der Protest gegen das Bahnprojekt geht aber weiter. „Unsere Bürgerbewegung hat sich nicht zerschlagen lassen“, erklärt Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses, am Hauptbahnhof, wo sich die Demonstranten nach dem Zug durch die Innenstadt versammelt hatten. Das Projekt S21 sei mit Überschreiten der Kostenobergrenze „rechtlich und finanziell gescheitert“. Pfarrer Martin Poguntke von der Gruppe TheologInnen gegen S21 bezeichnet die Demonstranten als Teil einer weltweiten Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit. Hier wie andernorts hätten sich Parlamente und Regierungen entmachten lassen von der Wirtschaft und ihren Interessen.