Mikado-Spielen fällt vielen Parkinson-Patienten schwer. Foto: AltoPress / Maxppp

Im Interview erklärt der Parkinson-Experte Andres Ceballos-Baumann, woran man die Krankheit erkennt und wie sich Risikofaktoren beeinflussen lassen. Er sagt auch, wie groß die Hoffnung auf eine Impfung ist.

Parkinson ist bislang nicht heilbar. Kann man sich vor der Krankheit schützen?

Nein, es gibt keine Prophylaxe. Aber wir können Risikofaktoren beeinflussen. Menschen, die sportlich aktiv sind, haben zum Beispiel eine geringere Wahrscheinlichkeit, Parkinson zu entwickeln. Das gilt auch für Raucher. Rauchen und Kaffeetrinken sind protektive Faktoren – das soll aber nicht heißen, dass ich das Rauchen anraten möchte.

Auf welche Stoffe, die Zigaretten und Kaffee enthalten, kann man den schützenden Effekt zurückführen?
Man weiß nicht, ob das wirklich an bestimmten Substanzen liegt. Auch die Persönlichkeit könnte eine Rolle spielen. Man sagt, dass Parkinson-Patienten pflichtbewusst und eher risikoscheu sind. Menschen mit einer solchen Veranlagung rauchen seltener.
Wie kann man sich diese psychischen Zusammenhänge erklären?
Bei Parkinson-Patienten mangelt es an dem Nervenüberträgerstoff Dopamin. Dopamin braucht man, um Neugier und Initiative zu entwickeln. Auch das Risikoverhalten wird durch Dopamin gefördert. Dopaminmangel ist der Grund, warum etwa 40 Prozent der Patienten unter Depressionen leiden.

Zittern mit Parkinson gleichzusetzen ist falsch

Viele Parkinson-Symptome, etwa Rückenschmerzen, sind sehr unspezifisch. Welche Anzeichen sind wirklich verdächtig?
Das Wesentliche ist das Zusammenkommen von vier Kardinalsymptomen. Grundlegend ist die Bewegungsverarmung, auch Akinese genannt. Sie äußert sich dadurch, dass der Gesichtsausdruck nicht mehr so lebhaft ist, die Gestik nachlässt und das Armpendeln beim Gehen nicht mehr so stark ist. Ein Beispiel: Ein Manager hat mir erzählt, dass er wegen einseitiger Schulterschmerzen zum Orthopäden gegangen ist. Dabei kam nichts heraus. Dann wurde er beim Coaching für eine Präsentation gefilmt. Als der Mann die Aufnahme anschaute, fiel ihm auf, dass er eine Körperseite praktisch nicht bewegt hat. Er hat nur mit einer Hand gestikuliert, die andere lag steif am Körper.
Und wie typisch ist das Zittern?
Der Ruhetremor zählt zwar zu den Kardinalsymptomen, wird aber gern überschätzt. Landläufig wird Zittern mit Parkinson gleichgesetzt – das ist falsch! Viele Patienten, etwa 50 Prozent, haben gar keinen Tremor. Ansonsten können Muskelsteifigkeit sowie Gleichgewichts- und Gangstörungen wichtige Anzeichen sein. Das grundlegende Symptom ist die Bewegungsverarmung. Sie kann sich auch in der Stimme niederschlagen: Sie wird dann leise, ist nicht mehr so moduliert.
Offenbar verändert sich auch oft die Schrift. Kann man daraus etwas ablesen?
Ja, die Mikrografie kann ein sehr guter Hinweis auf die Krankheit sein. Patienten schreiben oft kleiner und langsamer. Da gibt es auch ein bekanntes Beispiel, nämlich Wilhelm von Humboldt. Er ist wahrscheinlich der Erste, der die kleiner werdende Schrift beschrieben hat – und zwar als Patient.
Welches Symptom fällt Patienten zuerst auf?
Oft fangen sie an, Schmerzen in einer Schulter zu haben, oder sie ziehen ein Bein nach. Etwa die Hälfte der Patienten geht mit diesen Problemen zunächst zum Orthopäden. Manche Veränderungen fallen eher Angehörigen auf, etwa, dass die Betroffenen langsamer werden, für Dinge mehr Zeit brauchen.

Symptome gut behandelbar

Spielen Riechstörungen eine Rolle?
Ja, sie sind eines der Prodromalsymptome, also der Anzeichen, die der Krankheit vorausgehen. Dazu zählen auch chronische Verstopfung, Depressionen und der sogenannte Gewaltschlaf. Damit meint man Schlafstörungen, bei denen der Patient im Schlaf spricht, schreit oder um sich schlägt.
Wie wichtig ist es, eine Parkinson-Erkrankung früh zu erkennen?
Wenn wir wissen, dass es sich um die Parkinson-Krankheit handelt, dann können wir die Symptome gut behandeln. Deshalb ist es wichtig, Parkinson früh zu diagnostizieren. Dadurch kann man die Patienten auch vor unzweckmäßigen Therapien schützen.
Sind die Aussichten auf einen langsameren Verlauf der Krankheit besser, wenn die Therapie früh beginnt?
Es gibt keine sicheren Daten, die das beweisen. Wenn man aber schaut, wie der natürliche Krankheitsverlauf war, bevor es Dopaminersatzstoffe gab, so sah das damals ziemlich desolat aus. Auch die Lebenserwartung war früher reduzierter.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, wenn nahe Verwandte Parkinson haben?
Es gibt einige genetische Formen von Parkinson. Ein prominentes Beispiel ist der Google-Gründer Sergey Brin, dessen parkinsonkranke Mutter ein Gen trägt, das er auch hat. Aber so etwas ist relativ selten. Bei Parkinson ist es meist ein Zusammenspiel verschiedener Veranlagungen und der Umwelt, die zur Erkrankung führen.

Man weiß mehr über die Risikofaktoren

Gibt es Ansätze, die Hoffnung machen, Parkinson eines Tages doch heilen zu können?
Das wäre ungefähr so, als würde man das Altern zu heilen versuchen. Aber die symptomatische Therapie wird immer besser. Wenn wir es geschickt angehen, können wir es bei etwa einem Drittel der Patienten erreichen, dass sie die Krankheit in den ersten Jahren vergessen und daran zweifeln, dass sie überhaupt erkrankt sind. Außerdem weiß man inzwischen immer mehr über die Risikofaktoren. So gibt es auch Ansätze, bei Risikopatienten den Krankheitsbeginn durch eine Lebensführung mit viel Bewegung sowie durch Medikamente hinauszuzögern.
Wie erfolgversprechend sind die Versuche, eine Impfung zu entwickeln?
Die klinischen Studien dazu stecken noch in den Kinderschuhen. Man muss aufpassen, keine falschen Erwartungen zu wecken. Eine Impfung wäre zunächst für Risikopatienten sowie für Patienten in einem frühen Stadium gedacht. Es gibt da aber noch viele Fragezeichen, ob diese Therapie einmal in der Praxis eingeführt werden kann.