Private, kirchliche und staatliche Träger konkurrieren um Schüler. Foto: dpa

Private allgemeinbildende Schulen, insbesondere Gymnasien, haben wieder mehr Schüler: In Stuttgart rund sechs Prozent, landesweit zwei Prozent mehr. Nach Einschätzung des Privatschulverbands und der Träger liegt das an der Vielfalt pädagogischer Angebote.

Stuttgart - Privatschulen standen lange Jahre unter dem Generalverdacht, für teures Schulgeld Kinder aufzunehmen, die es auf staatlichen Schulen nicht bis zum Abitur geschafft hätten. Vermutlich traf dies auch im einen oder anderen Fall zu, doch in der Regel müssen die Gymnasiasten dort mindestens die gleiche Leistungsbereitschaft zeigen wie auf einem staatlichen Gymnasium.

Der Generalverdacht nährte sich insbesondere daran, dass die Grundschulempfehlung verbindlich war, Eltern also keine freie Schulwahl hatten nach der vierten Klasse. 2012 fiel die Verbindlichkeit. An Stuttgarts Privatschulen sank die Schülerzahl an allgemeinbildenden Schulen erstmals seit Jahrzehnten um 200 auf 9691 Schüler – allerdings auch, weil der Doppel-Abi-Jahrgang die Schulen verließ. Inzwischen ist dieser Rückgang wieder aufgeholt.

Auf den zuletzt 37 privaten Stuttgarter Schulen, davon neun Grund- und Werkrealschulen, sechs Realschulen, vier Waldorfschulen, acht Gymnasien und zehn Sonderschulen, sind zum aktuellen Schuljahr 10 321 Schüler angemeldet, 6,3 Prozent mehr als im Vorjahr (9691). 1647 besuchen laut Regierungspräsidium die Grundschule, 2578 die Waldorfschulen und 1238 die Sonderschulen. 4858 Schüler sind an Realschulen und Gymnasien gemeldet. Inzwischen besucht laut Statistischem Amt der Stadt mehr als jeder fünfte Gymnasiast eine Schule in freier Trägerschaft.

"Kein Beweis, dass in der Bildungspolitik etwas schiefläuft"

„Unsere Schülerzahl an privaten Einrichtungen liegt ziemlich konstant bei 10 000 Schülern“, sagt Eisenmann. „Der Privatschulbereich eignet sich nicht als Beweis dafür, dass etwas in der Bildungspolitik schief läuft.“

Stabile Anmeldezahlen verzeichnen auch die kirchlichen Träger. Das Mörike-Gymnasium zum Beispiel, das vor zwei Jahren einen Realschulzug eingerichtet hat, „wird mit beiden Angeboten sehr gut angenommen“, sagt Matthias Ahrens von der Evangelischen Schulstiftung. Auch die Johannes-Brenz-Schule, die erste Ganztagsschule in der Innenstadt, habe mehr Anmeldungen, als sie aufnehmen könne. „Die Eltern beobachten sehr genau, welche pädagogischen Elemente wir anbieten und entscheiden danach“, so Ahrens. Daran habe der Ausbau der Ganztagsgrundschulen bisher nichts geändert.

Im Vergleich zum Land war die Nachfrage bei privaten Schulen, ob konfessionell oder in freier Trägerschaft, immer höher; gleichzeitig ist seit einigen Jahren absehbar, dass die Zahl der schulpflichtigen Kinder in der Landeshauptstadt nicht sinkt, wie es tendenziell landesweit der Fall ist. Nach neuesten Erhebungen des Statistischen Landesamts gibt es zwei Prozent weniger Schüler, aber ein Prozent mehr an Privatschulen.

Konstante Nachfrage bei Waldorfschulen

Der Löwenanteil der Privatschüler im Land, 33 967, besucht ein Gymnasium. Das sind zwei Prozent mehr als im vergangenen Schuljahr. 23 310 Kinder besuchen die Waldorfschule. Entsprechend der konstanten Nachfrage ist in Stuttgart-Sillenbuch bereits die dritte dieser Art eröffnet worden. 9600 Kinder besuchen eine private Grundschule, 14  781 eine private Realschule. Das sind 1,1 beziehungsweise 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr.

Landesweit besuchen zurzeit 102 062 Kinder eine private Schule, das sind neun Prozent aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen. In Stuttgart liegt ihr Anteil bei 17 Prozent. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Zahl der Schüler an beruflichen Schulen mit Fachschulen, Berufsschulen, Kollegs, Beruflichen Gymnasien und Berufsoberschulen. Rund 17 566 Jugendliche besuchen zurzeit ein Berufskolleg eines privaten Anbieters. Am meisten ist allerdings der Zulauf an den Beruflichen Gymnasien gestiegen: Dort werden landesweit mit 4624 Schülern 5,7 Prozent mehr unterrichtet als noch im vorigen Schuljahr.

Pädagogische Vielfalt als Vorteil

Der Landesverband der Privatschulen Baden-Württemberg (VDP) ist zufrieden mit dieser Entwicklung: „Das zeigt einmal mehr, dass Schüler und Eltern das gute Angebot freier Schulen schätzen und diese Schulen als integralen Bestandteil der baden-württembergischen Schullandschaft sehen“, sagt Michael Büchler, Vorsitzender des VDP Baden-Württemberg.

Christina Metke, 2000 bis 2009 Stuttgarter Stadträtin für die CDU und seither Freiberuflerin in der Öffentlichkeitsarbeit, ist in diesem Monat als Geschäftsführerin des VDP ins Amt eingesetzt worden. Sie sieht die privaten Bildungseinrichtungen im Abwehrkampf. „Teilweise müssen sich Eltern an der staatlichen Grundschule einen Schein abholen für ihre Bewerbung um einen Privatschulplatz.“ Dahinter sieht Metke „einen Versuch, Schüler in öffentlichen Schulen zu halten“.

Auch aus dem Bildungsnavigator des Landes, der unter bildungsnavi-bw.de Schülern und Eltern eine Orientierung geben soll, seien die Privatschulen zuerst „rudimentär“ vertreten gewesen, seit vergangener Woche jedoch nicht mehr. „Das muss ich klären“, sagt sie.