Pfarrerin Esther Kuhn-Luz und Professor Abdelmalek Hibaoui Foto: Anton Foto: Schwarzwälder-Bote

Podiumsgespräch: "Religion als Heimat?" ist Thema bei Marktplatz Kirche im Gemeindehaus

Der Gesprächsbedarf war riesig bei der jüngsten Veranstaltung von Marktplatz Kirche im evangelischen Gemeindehaus Schramberg mit dem Thema "Religion als Heimat?", wo es vor allem um das Verhältnis zwischen Christentum und Islam ging.

Schramberg. Als Gesprächspartner bei diesem Podiumsgespräch waren eingeladen Pfarrerin Esther Kuhn-Luz aus Rottweil und Professor Abdelmalek Hibaoui vom Zentrum für islamische Theologie in Tübingen. Moderator Artur Egle-Theurer vom Evangelischen Bildungswerk Sulz bat die Referenten um persönliche Vorstellung: Pfarrerin Esther Kuhn-Luz, seit vier Jahren wohnhaft in Rottweil, früher Wirtschafts- und Sozialpfarrerin in Stuttgart und 14 Jahre lang Pfarrerin in Schwenningen, hat derzeit in ihrer Arbeit die Schwerpunkte Ökumene, Erwachsenenbildung und Gefängnisseelsorge. Hibaoui kommt ursprünglich aus Marokko, promovierte in Deutschland, arbeitete rund fünf Jahre als Imam in Stuttgart und war von 2012 bis 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für islamische Theologie, wo die Ausbildung muslimischer Religionslehrer stattfindet. Außerdem arbeitet er als Prediger in Reutlingen.

Zufrieden und glücklich

Die Frage, welche Symbole die Referenten mit dem Begriff "Heimat" verbinden, wurde unterschiedlich beantwortet. Für Pfarrerin Kuhn-Luz ist Heimat weniger als mit Gegenständen mit Menschen verbunden, mit denen man sich vertraut austauschen kann. Für Professor Hibaoui ist dort Heimat, wo ein Mensch zufrieden und glücklich ist. Zum Thema Mobilität und Flexibilität in der globalisierten Welt erklärte die Pfarrerin, im Gespräch mit vielen verschiedenen Menschen habe sie das Gefühl bekommen, Religion spiele eine große Rolle, so etwa beim Thema Sonntagsarbeit, wo ihr eine Abteilungsleiterin bei IBM gesagt hatte, sie hätte nach schlechten Erfahrungen den Sonntag wieder "zurückerobert". Die Pfarrerin befürwortete das "Ora et labora", den Wechsel zwischen Aktiv- und Passivsein.

Die Frage "Wo bin ich verwurzelt?" werde immer wichtiger und hier spielten Rituale eine große Rolle. Das Jesuswort "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben" führe vom Perfektionismus weg hin zum Gedanken, dass dem Menschen viel von Gott geschenkt sei.

Das polnische Sprichwort, die ursprüngliche Heimat sei die Mutter, die zweite Heimat die Stiefmutter, ließ Haboui so nicht stehen. Es gelte wohl für die Muslime der ersten Generation, doch für die zweite und dritte Generation sei die ursprüngliche Heimat hier.

Bei den Flüchtlingen habe die Erkenntnis, die "Mutter" des Geburtslandes könne nicht mehr genug Sicherheit geben, zur Flucht geführt, um eine neue Heimat zu finden. Er persönlich, für den Deutschland zur zweiten Heimat wurde, sieht die zwei Mütter Marokko und Deutschland als Bereicherung.

Bildungsfrage

Die Pfarrerin ging anhand des Liedtextes "Ich bin ein Gast auf Erden" der Frage nach, inwiefern der Glaube Heimat sein könne. Der Liedtext erwarte die eigentliche Heimat erst nach dem Tod im Jenseits. Dagegen stellte sie das Wort des Propheten Jeremia: "Suchet der Stadt Bestes".

Zwischen diesen beiden Polen Jenseitserwartung und Verantwortung im Diesseits spiele sich das Leben ab

. Die biblischen Erzählungen vom Heimatverlust und Fremdsein stünden dafür, dass die Menschen ihre Heimat in Gott haben. Auch der Islam lehre, wie der Professor ausführte, dass man durch den Tod seine ursprüngliche Heimat erreiche. Moderator Egle-Theurer warf die Frage auf, ob der Islam für alle Muslime innere Heimat sei, sowohl für IS-Kämpfer als auch für Flüchtlinge. Viele Flüchtlinge, so der Professor, hätten geäußert, der Glaube sei das Einzige gewesen, das sie mitnehmen konnten.

Die anschließenden Fragen der Zuhörer wollten nicht enden, so die Äußerung, dass sich auch der IS auf den Koran und seine Paradieseserwartung beziehe.

Hibaoui entgegnete, dies sei keine Glaubens-, sondern eine Bildungsfrage. Die IS-Anhänger würden sich auf einen mittelalterlichen Gelehrten beziehen, dessen Gedanken nicht mehr in die Zeit passten. Geäußert wurde auch die Enttäuschung darüber, dass die Vertreter der Religionen gerade im Zug der Globalisierung so wenig gemeinsam aufträten. Hier wies die Pfarrerin auf die Rottweiler Reihe über Religionen hin, wo der Kontakt auch mit der Synagoge geknüpft sei.

Mit Geschenken aus dem Schramberger Weltladen bedankte sich Klaus Andreae bei den Gesprächspartnern, ehe beim Marktplatz im Fond die Gespräche der Teilnehmer noch lange intensiv weitergingen.