In Sicherheit, aber in teils katastrophalen Bedingungen untergebracht: Flüchtlingslager in Südosteuropa. Foto: Schmidtke/Kiolbassa

Laut Ministerialdirektor Herbert O. Zinell hat Baden-Württemberg die Lage aktuell im Griff. An Grenzen der Leistungsfähigkeit.

Schramberg - Herbert O. Zinell, Schrambergs Ex-OB, ist Amtschef des Innenministeriums Baden-Württemberg und ständiger Vertreter des Innenministers. Wir sprachen mit ihm über die aktuelle Flüchtlingssituation.

Herr Zinell, wie viele Flüchtlinge kommen zurzeit wöchentlich oder monatlich nach Baden-Württemberg? Und wie viele sind insgesamt schon hier?

Vom 3. bis 12. November hatte Baden-Württemberg einen durchschnittlichen Tageszugang von 1282 Personen. Im Oktober 2015 kamen 36. 600 Flüchtlinge allein nach Baden-Württemberg. In den Einrichtungen der Erstaufnahme des Landes befinden sich derzeit rund 45 .000 Flüchtlinge.

Die Zahl der amtlichen und ehrenamtlichen Helfer lässt sich nicht beliebig steigern. Bei weiter zunehmenden Flüchtlingszahlen kommen immer mehr Flüchtlinge auf einen Helfer. Wie können wir die Helfer, die jetzt schon an der Belastungsgrenze sind, vor der Überforderung schützen?

Grundsätzlich sind ehrenamtliche Helfer nur so lange in Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt, bis die örtlich zuständigen Betreiber den hauptamtlichen Regelbetrieb übernehmen. Alle Ehrenamtlichen werden nur temporär eingesetzt, das heißt, es erfolgt ein regelmäßiger Austausch, zum Teil mit Kräften aus umliegenden Landkreisen. Außerdem bemühen wir uns um die zahlreichen freiwilligen Helfer, die sich in den Unterkünften selbst um die Kleiderkammern, Sprachkurse und den Kindergarten kümmern. Zum Beispiel stellt die Landesregierung mit der Website http://www.fluechtlingshilfe-bw.de eine Plattform zur Verfügung, über die sich Initiativen vernetzen können.

Welche Maßnahmen wurden jetzt kurzfristig verabschiedet, um die Situation zu verbessern?

Die Landesregierung hat im Sommer die Lenkungsgruppe "Flüchtlingsunterbringung" ins Leben gerufen. Da hier die Leiter der zuständigen Ministerien zusammensitzen, kann das Land schnell und unbürokratisch auf die neue Herausforderung reagieren. Zusätzlich gibt es seit Anfang September die Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung im Innenministerium. Dort bewältigen Vertreter von Ministerien, Regierungspräsidien, Hilfsorganisationen und Bundeswehr unter der Leitung von Landesbranddirektor Hermann Schröder das aktuelle Geschäft. Sie koordinieren, wo die täglich über 1200 in Baden-Württemberg ankommenden Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf finden, wo neue Unterkünfte geschaffen werden können, wo es Betten gibt und wie die Beförderung der Flüchtlinge aus Bayern in die Unterkünfte organisiert wird. Und schließlich wurde vor wenigen Tagen im Innenministerium ein Arbeitsstab Rückkehrmanagement eingerichtet, um die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber zu koordinieren.

Wie lange wird es Ihrer Einschätzung nach dauern, bis diese Maßnahmen wirken?

Die Maßnahmen wirken bereits. Ohne sie hätten viele Flüchtlinge im Land kein Dach über dem Kopf. Wir sorgen dafür, dass die Flüchtlinge möglichst gut untergebracht werden, dass die Prozesse von der Ankunft über die Registrierung bis zum Asylantrag möglichst reibungslos funktionieren. Und das schaffen wir zum Beispiel mit Hilfe des Registrierungszentrums in Heidelberg.

Berichte über Ihren Vortrag am vergangenen Montagabend in Schramberg führten offenbar zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen. Ist das Land Baden Württemberg mit dem Zustrom von Flüchtlingen bislang nur stark gefordert oder bewegt es sich langsam in Richtung Überforderung?

Das Land Baden-Württemberg hat eine leistungsfähige, aber auch lernfähige Verwaltung. Das zeigt sich gerade jetzt. Ja, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Aufnahme der Flüchtlinge bringen uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit. Aber wir bewältigen sie, trotz aller Probleme im Detail. Und wir schaffen gerade jetzt die Strukturen, um auch künftig mit dem Zustrom von Flüchtlingen zurechtzukommen. Das bedeutet: Wir schaffen Strukturen, um die Flüchtlinge, die einen Anspruch auf Asyl haben, zu integrieren, und um Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf Asyl haben, wieder zurückzuführen. Das Land und seine Menschen sind gefordert und ich selbst staune zurzeit manchmal, wie tatkräftig wir die schwierige Situation meistern.

Die Fragen stellte Johannes Fritsche