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Waldmössinger Ortschaftsrat bietet Stadtverwaltung die Stirn

Macht es Sinn, eine bisher rechtswidrige Erschließungsbeitragssatzung zu ändern, die dann trotzdem keine Rechtssicherheit garantiert? Nein, sagt der Ortschaftsrat Waldmössingen klipp und klar und spricht sogar von Betrug.

Schramberg-Waldmössingen. Heftige Vorwürfe, die sich bis zum Vorwurf des Betrugs hochschaukelten, musste sich Fachbereichsleiter Recht und Sicherheit Peter Weisser in der Sitzung des Ortschaftsrats am Montag anhören. Grund war die von der Stadtverwaltung Schramberg vorgeschlagene Satzungsänderung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Wie Weisser den Räten berichtete, habe die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) im vergangenen Jahr eine Finanzprüfung bei der Stadt vorgenommen. In ihrem Prüfbericht vom März 2017 habe die GPA die derzeit gültige Erschließungsbeitragssatzung der Stadt in einem Punkt bemängelt: Die Sonderregelung für so genannte "Eckgrundstücke" komme einem "Erlass" gleich. Dies widerspreche der Beitragsgerechtigkeit und müsse angepasst werden. Mit der Regelung verfolge die Stadt das Ziel, bei einer Mehrfacherschließung Eckbaugrundstücke von einer erneuten Erschließungsbeitragspflicht zu befreien, beziehungsweise eine Doppelbelastung der Eigentümer zu vermeiden. Diese sich auf die gesamte Verteilungsregelung auswirkende Ermessensentscheidung sei nicht rechtens, schreibe das GPA in ihrem Gutachten. Eine Anfrage beim Regierungspräsidium Freiburg (RP) als zuständige Rechtsaufsicht habe ergeben, dass das RP die Bedenken der GPA teile, schilderte Weisser. Die Satzungsänderung gemäß der Mustersatzung des Städtetags sieht vor, Eckgrundstücke und Grundstücke zwischen zwei Anbaustraßen bei einer Erschließung zur Hälfte mit dem ermittelten Bruchteil zu bemessen, bei drei Ausbaustraßen zu einem Drittel und so weiter.

Eigentümer könnten ein weiteres Mal zur Kasse gebeten werden

Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Sie hätte zur Folge, dass Grundstückseigentümer, die bereits Erschließungsbeiträge gezahlt haben, ein zweites oder sogar drittes Mal zur Kasse gebeten werden. Die Thematik erläuterte der Fachbereichsleiter an einem einfachen Rechenbeispiel.

Auf Anfrage von Rat Jürgen Kaupp räumte Weisser ein, dass eine geänderte Satzung auch keine 100-prozentige Rechtssicherheit bedeute. Die Verwaltung vertrete dennoch die Ansicht, die Mustersatzung des Städtetags stelle die bessere Version dar. Kaupp kritisierte, dass der Verwaltung seit März dieses Jahres das Gutachten der GPA vorliege, sie aber erst jetzt damit rausrücke. Im vergangenen halben Jahr seien in Waldmössingen mehrere Gebiete ausgewiesen worden. Selbst Oberbürgermeister Thomas Herzog habe bei den Ortschaftsrat-Sitzungen gesagt, dass keine Beiträge auf Grundstücke anfielen, die schon einmal veranlagt worden seien. Kaupp wie Ratskollege Michael Schneider machten deutlich, so lange der Gesetzgeber keine Rechtssicherheit garantiere, werde nichts anderes beschlossen.

Rat German Notheis befürchtete, dass mit der neuen Satzung es äußerst schwierig werde, neue Baugebiete zu erschließen. Im Bereich "Greichen" gehe das schon gar nicht. Bernd Katz setzte den Fall, dass es aufgrund der Satzungsänderung zu einem Musterprozess kommt. "Dann stimmen wir nochmals ab", versicherte er.

Ratskollegin Annette Jauch äußerte Bedenken, dass der Gemeinderat dem Empfehlungsbeschluss des Ortschaftsrats nicht folge, weil Ersterer das letzte Wort habe.

Frank Stephan wittert Betrug am Ortschaftsrat und am Bürger

In diesem Fall, forderte Rat Frank Stephan, müsse über die Innenentwicklung von Waldmössingen neu abgestimmt werden. Der Ortschaftsrat habe damals auf der Grundlage der vorhandenen Informationen der Stadt eine Empfehlung abgegeben. Und jetzt – drei Sitzungen später – komme die Verwaltung plötzlich mit dieser Satzungsänderung daher. Darin sehe er einen Betrug am Ortschaftsrat und am Bürger, erboste sich Stephan. Während Weisser letzteren Vorwurf entschieden zurückwies, wog Ortsvorsteherin Claudia Schmid ab. Die Argumente der Räte seien berechtigt. Sie verstehe aber auch die Verwaltung, die nach Vorschriften handeln müsse. Einstimmig beschloss der Ortschaftsrat, die Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht zu ändern.

Über die Empfehlung berät der Ausschuss für Umwelt und Technik am Donnerstag, 12. Oktober, sowie der Gemeinderat am Donnerstag, 19. Oktober.