Ein Dankeschön für die klaren Worte: Christof Stocker mit Willy Wimmer und Alois Fleig (von links). Foto: Anton Foto: Schwarzwälder-Bote

Ex-Politiker wirft USA im Ukraine-Konflikt falsches Spiel vor / Neuer Kalter Krieg droht

Von Antonie Anton

Schramberg. Der Westen schafft das Völkerrecht ab und wäre selbst schuld, wenn es einen neuen Kalten Krieg gäbe. Diese These vertrat Willy Wimmer, einst hoher Politiker, beim Vortrag in Schramberg.

Er referierte zum Thema "Frieden in Gefahr!? – Ukrainekonflikt, Russland, USA … und wir?" im Albert-Schweitzer-Saal. Veranstalter des Abends waren die Schramberger Gruppen Pax Christi, Eine-Welt-Forum und Ökumenischer Arbeitskreis Frieden. Wimmer, ehemaliger Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung und Vizepräsident der KSZE/OSZE, führte während seiner Amtszeit Gespräche auf höchster staatlicher Ebene mit führenden Politikern rund um den Globus. Während der Kriege in Jugoslawien und im Irak, seiner Ansicht nach völkerrechtswidrige, erregte er durch deutliche Stellungnahmen Aufmerksamkeit, ebenso mit seiner Verfassungsklage im Streitfall Afghanistan. In seinem Buch "Wiederkehr der Hasardeure", das er zusammen mit Wolfgang Effenberger herausbrachte, geht er der Frage nach, wie es zur gegenwärtigen Situation der Friedensgefährdung kommen konnte.

Wird die deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigt? Wimmers Antwort war ebenso kurz wie klar: "Noch nie." Geht es bei den Kriegen um Ressourcen wie Öl? "Dauernd." Dabei sei 2015 ein denkwürdiges Jahr: Der Zweite Weltkrieg endete vor 70 Jahren, die deutsche Wiedervereinigung jährt sich zum 25. Mal. Die Wiedervereinigung habe nur aus einer Position heraus geschehen können, dass "wir verhandeln konnten". Die Menschen in Mitteleuropa hätten den Politikern vertraut. Michail Gorbatschow sprach vom gemeinsamen Haus Europa, und Russland wurde nicht außerhalb dieses Hauses gesehen. Die Rede des Bundespräsidenten vor 14 Monaten habe die Öffentlichkeit nach 40 Jahren Friedenspolitik aufgeschreckt. Es habe fast geschienen, als ob er vorausgeahnt hätte, was darauf folgen würde.

Beim kommenden G7-Treffen in Bayern fehle der russische Präsident. Willy Wimmer sieht darin eine verhängnisvolle Fehlentwicklung: "Wir haben die Russen vom gemeinsamen Tisch vertrieben." Die gegenwärtige Politik laufe dem, was die frühere Bundesrepublik wollte, diametral entgegen. Die Nato sei erneut zu einem Instrument des Kalten Krieges geworden. Um ein Ungleichgewicht in Europa zu verhindern, müssten die russischen Interessen berücksichtigt werden. Für Europa sei es unerträglich, wenn Deutschland kein stabiler Faktor sei.

Inzwischen habe in den Vereinigten Staaten eine Neujustierung ihrer Politik stattgefunden, die Konsequenzen habe. Eine friedensbestimmte Welt liege nicht mehr in ihrem Interesse, weshalb Instrumente wie die OSZE mit ihrem erfolgreichen Verhandlungskonzept beseitigt würden. Beim Jugoslawienkrieg sei das Völkerrecht bewusst gebrochen worden. Henry Kissinger habe die Abschaffung des Völkerrechts in Europa verlangt. Wer das Völkerrecht so demoliere wie der Westen, der habe seine Talente verspielt, um noch durch Verhandlungen zu Lösungen zu gelangen. Im Jugoslawienkonflikt sei sichtbar geworden, dass Europa nicht mehr zu seinem Erfolgsmodell des Verhandelns gestanden habe. Gegenwärtig werde eine Linie zwischen dem Baltikum, dem Schwarzen Meer und dem Fernen Osten gezogen, die als neuer Limes zwischen Ost und West gelten könne. Seit 1971 sei es Ziel der amerikanischen Politik, sicherzustellen, dass es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa gebe. In der Ukraine sei der ehemalige Präsident Janukowitsch innerhalb 24 Stunden zur kriminellen Figur gemacht worden. Ziel der USA sei es in der Nacht des Putsches gewesen, die Ukraine für ihre eigenen Ziele zu nutzen.

Wann kommt die nächste globale Auseinandersetzung? Hier rief der Referent dazu auf, Verantwortung zu übernehmen, etwa durch einen Brief an die Bundeskanzlerin. Wimmer warnte vor politisch-militärischen Muskelspielen. Die Bundeskanzlerin habe Zeit gekauft, doch das politische Berlin gebe ihr keine Rückendeckung, und die Nato-Generäle nähmen sie in die Zange. Die großen deutschen Medien schenkten keinen reinen Wein ein. Die Angst der osteuropäischen Staaten vor Russland und ihre Forderung, ein Bollwerk gegen Russland zu errichten, könne nur durch gutnachbarlichen Umgang mit Russland gelöst werden. Auf die Frage, ob die Ukraine in die Nato kommen dürfe, erwiderte Wimmer, es gebe keine Rechtsgrundlage dafür.