Guiseppe und Elisabeth Agosta mit ihrer Weihnachtskrippe, die an die "Volkskrippen" seiner sizilianischen Heimat erinnert. Foto: Carsten Kohlmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Guiseppe Agosta hat die Tradition seiner Heimat fortgeführt / Ein großer Sternenhimmel gehört dazu

Von Carsten Kohlmann

Schramberg. Eine der ältesten Weihnachtskrippen in Europa befindet sich in der Kirche Santa Maria in der Stadt Scicli auf der Insel Sizilien. Die große Tradition seiner sizilianischen Heimat veranlasst auch Guiseppe Agosta zum jährlichen Bau einer Krippe.

Guiseppe Agosta ist einer der bekanntesten italienischen Mitbürger in Schramberg, da er sich seit vielen Jahren für die Interessen seiner Landsleute einsetzt und mit großem Engagement die Geschichte der italienischen Gastarbeiter für die Ausstellung "Zwischen zwei Welten" erforscht und beschrieben hat. Mittlerweile hat er auch die doppelte Staatsbürgerschaft erworben und ist damit zum beispielhaften Deutsch-Italiener geworden. Agosta wurde 1947 in Donnaluccata, einem Stadtteil der heute 26 215 Einwohner zählenden Stadt Scicli, geboren. Gerne erinnert er sich, wie er als Kind das Weihnachtsfest erlebt hat. Am 24. Dezember trafen sich alle Mitglieder der kinderreichen Familie bei den Großeltern. Als Festessen kam traditionell eine große Lasagne mit Tomatensauce auf den Tisch. Seine Eltern, die nicht viel Geld hatten, stellten zu Hause nur eine kleine Krippe auf, die sich auf die Muttergottes und das Jesuskind beschränkte.

In der Kirche von Donnaluccata konnte Guiseppe Agosta aber schon als Kind beim Bau einer Krippe mithelfen. In den zahlreichen Kirchen von Scicli bekamen die Kinder dann auch mit staunenden Augen die großen neapolitanischen Krippen mit Figuren in bis zu halber Lebensgröße zu sehen. "Das war wunderbar, das hat mich immer fasziniert", erzählt Guiseppe Agosta über diese unvergesslichen Eindrücke. In der Mitternachtsmesse wurde das Jesuskind von der Decke heruntergelassen und durfte von allen Menschen berührt werden. Mit anderen Kindern war Guiseppe Agosta dann in der ganzen Nacht unterwegs, um von Kirche zu Kirche und von Krippe zu Krippe zu gehen.

Der Bau von Krippen in der Weihnachtszeit soll mit einer von Franz von Assisi im Jahr 1223 gestalteten lebenden Krippe seinen Ursprung haben. Die ältesten erhaltenen Krippen stammen aus dem 15./16. Jahrhundert, zu denen auch die "Volkskrippe" in der Kirche Santa Maria in Scicli gehört. Die im 18. Jahrhundert im Königreich Neapel entstandenen Barockkrippen sind für ihre große Zahl an Figuren aus dem ganzen Volksleben, phantasiereiche Gebäude und aufwändig gestaltete Landschaften berühmt.

Als Guiseppe Agosta im Frühjahr 1964 nach Deutschland und nach Schramberg kam, war Weihnachten für ihn ganz anders, als er es von seiner sizilianischen Heimat her kannte. Das Geld war anfangs zu knapp, um nach Italien zu fahren. Und in dem kleinen Zimmer, das er in seiner damaligen Herberge im "Café Hautkappe" bewohnte, konnte die Weihnachtsstimmung wie früher bei den Großeltern nicht mehr aufkommen. "Ich habe das Weihnachtsfest fast völlig vergessen", blickt er nachdenklich auf die erste Zeit in der fremden Umgebung zurück. Erst als er Ende der 1960er-Jahre seine deutsche Frau kennenlernte und mit ihr eine Familie gründete, wurde Weihnachten wieder wichtiger für ihn. Als die eigenen Kinder auf der Welt waren, entschlossen sich Guiseppe und Elisabeth Agosta, in ihrer eigenen Familie Weihnachten zu feiern. In ihrer ersten großen Wohnung in der Tiersteinstraße stellte Guiseppe Agosta einen Jahr für Jahr prächtigeren Weihnachtsbaum auf, zu dem dann im Lauf der Zeit in Erinnerung an seine Kindheit auch eine Krippe kam.

Als er vor vier Jahren in den Parktorweg umzog, schien für die Fortsetzung der Tradition zunächst kein Platz mehr zu sein. In diesem Jahr ist seine alte Liebe zum Krippenbau aber wieder zu neuem Leben erwacht. In einer Ecke des Wohnzimmers hat Guiseppe Agosta doch Platz für eine große Stallkrippe gefunden, deren zahlreiche Figuren an die "Volkskrippen" seiner sizilianischen Heimat denken lassen. Aus Geschenkpapier hat er in diesem Jahr einen prachtvollen Sternenhimmel gestaltet, wie er zu seiner sizilianischen Heimat gehört.

"Mir kommen die Gedanken an früher, wie wir zu unserer Oma gegangen sind", sagt Guiseppe Agosta und kann sich heute darüber freuen, dass nun seine Enkelkinder zu ihm kommen und die Krippe des Großvaters bestaunen. Seine sechs Jahre alte Enkelin Arianna Agosta in Tübingen hat in diesem Jahr zum ersten Mal selbst eine Krippe gebaut. "Ich war überrascht, schau, die Tradition geht weiter. Echt super."