Junghans-Gestalter Max Scheller und der Flieger-Chrono (obere Reihe, von links): das Scheller-Original-Scheller um 1950 bis 1955, die erste Replik 1997/98 und die zweite Replik 2016. Sie wurde optisch kaum verändert. Die Bilderreihe unten zeigt (von links) die Q3, erstes Quarz-Serienmodell mit untenliegendem Bandanstoß, das Olympic-Tonneau-Modell und die Drei-Kreis-Stoppuhr mit Noryl-Gehäuse, für die es einen Design-Preis gab. Fotos: Kasenbacher/Junghans/Richter/Schultheiss Foto: Kasenbacher/Junghans/Richter/Schultheiss

Max Schellers ist der Vater der Armbanduhren und Krippen. Kreativer Kopf bei Junghans.

Schramberg - Max Scheller ist vielen Schrambergern noch als Krippenbauer im Gedächtnis. Er war aber auch Gestalter von vielen Uhren bei Junghans. Scheller ist seit über 30 Jahren tot. Aber eine Reihe seiner Entwicklungen und Ideen sind bis heute stilbildend.

Max Scheller (1927-1985) war viele Jahre der Gestalter für die Kleinuhr der damaligen Junghans Uhren GmbH. Kleinuhr – so lautete der Überbegriff für die Armbanduhren. Scheller hatte die Berufsbezeichnung "gelernter Feinmechaniker". Das klingt heute eher nach Facharbeiter. Aber zu seiner Zeit war das sehr viel. In der Zeit des Max Scheller, insbesondere in der Kriegs- und Nachkriegszeit, galten Mitarbeiter von seinem Schlag als so etwas wie Zauberer. Sie haben damals das Wirtschaftswunder vorbereitet und begleitet.

Fester Platz im Dossier über Junghans-Kreative

Als Produkt-Gestalter hat Max Scheller in dem Dossier über "die Kreativen bei Junghans" (2014) einen festen Platz. Einzusehen ist dieses im Stadtarchiv Schramberg. Jüngstes Beispiel seiner Kreativität ist die im September 2015 von der heutigen Firma Junghans erneut "relaunchte" Uhr Flieger-Chronograph. Diese Uhr wurde in der Junghans-Original-Version von Max Scheller gestaltet – wohl um 1950 bis 1955. Das Werk war damals noch das eigene Kaliber (Werk) J 88. Ob diese Uhr jemals "serienmäßig" geflogen ist, ist nicht ganz sicher. Bereits zum Anfang der Bundeswehrzeiten war es schwierig, so ein Produkt dem Bund nachhaltig zu verkaufen.

Diese Uhr besaß einen Drehring mit charakteristischen Hohlkehlen, die den Ring haptisch einwandfrei drehbar machten. Das Ziffernblatt und die Zeiger waren damals Stand der Technik. Die vergleichbaren Produkte – Tutima aus Thüringen, Hanhardt aus Schwenningen und Heuer aus der Schweiz – hatten alle ähnliche Gehäuse, Ziffernblätter und Zeiger. Heute werden die originalen Uhren von damals als Antiquitäten sehr hoch gehandelt. Die offizielle Bundeswehr-Fliegeruhr von heute kommt übrigens von Tutima aus Glashütte.

Junghans (alt) hatte diese Uhr im September 1998 schon einmal "re-editiert". Das war seinerzeit schon für die damalige Firma Junghans eine kritische Zeit. Der Funk-Hype war damals fast schon wieder vorbei, und für die Retro-Mechanik gab es im Betrieb noch nicht das nötige Personal. Lagerfeld hat mal über Fendi gesagt: Wenn einem nichts mehr einfällt, dann ist der Laden tot. 2008 war die damalige Junghans insolvent.

Ein weiteres, nicht bekanntes Werk Max Schellers war das Bill-Gehäuse der 60er-Jahre. Zu Zeiten von Max Bill waren die Werke noch sehr dick. Scheller machte aus der Not eine Tugend und gestaltete das Carrure (Gehäuse) dadurch flach, in dem er ein gewölbtes Kunststoff-Glas, ein ein gewölbtes Zifferblatt und einen gewölbten Gehäuseboden konstruierte. Die Zeiger waren ebenfalls gebogen. Natürlich hat Bill das Gehäuse mitgestaltet. Aber der Gag und die Konstruktionsvorgabe für Bill kamen vom "Scheller-Max". Übringens: Bill hat zu Lebzeiten nur dieses einzige Gehäuse benutzt. Die Zifferblätter wurden von seiner Mitarbeiterin Eva Pfeil gestaltet. Beim Design half Max Bills Meisterschüler Ernst Moeckl.

Konstrukteure arbeiteten nach seinen Vorgaben

Max Scheller war ein "Designer mit der Maschine". Das musste er sein, weil alle damals gefertigten Gehäuse aus Messing-Rohlingen der eigenen Fertigung im Haus spanabhebend bearbeitet wurden. Die Gehäuse wurden dann im Hause verchromt oder vergoldet. Goldgehäuse kamen aus Pforzheim. Stahlgehäuse konnten bei der damaligen Firma Junghans zu Max Schellers Zeiten und auch später nicht gefertigt werden. Das Thema Eigenfertigung wurde damals groß geschrieben, die Rendite war annähernd Null.

Bei der Kleinuhr hat Max Scheller – wie Heinrich Biesgen bei der Großuhr – die so genannten Brot-und-Butter-Produkte gut gestaltet. Er war derjenige, nach dessen Modellen die Konstrukteure konstruierten, nicht umgekehrt. Er war auch Erfinder, zusammen mit seinen Mitarbeitern Kurt Wessolowski (gestorben im Januar 2016) und Franz Molitor. Für die "Atochron" und die "Datochron" hat er beispielsweise den mit einem Ring verschraubten wasserdichten Stahlboden für den Batteriewechsel miterfunden.

Bei Scheller musste alles schnell gehen. Oft genügten Skizzen, die er dann in Produkte verwandelte. Heute ist das undenkbar. Alle Funktionsmodelle der legendären ersten Quarzuhrenserie Q-1 bis Q-4 haben Max Scheller und seine Abteilung realisiert. Damals konnte man einen Vertriebsmann nicht mit einer 3-D-Animation zufriedenstellen. Der Verkäufer wollte die Modelle, zumindest das Muster in die Hand nehmen und an den Arm legen. Für die Olympic-Serie (1971/72) hat Max Scheller das Tonneau-Grund-Modell gestaltet. Die erste Quarz-Serienarmbanduhr (W666) kommt von Max Scheller, und die Drei-Kreis-Stoppuhr mit Noryl-Gehäuse entstand in Zusammenarbeit mit Udo Schultheiss.

Auch die neu geschaffene Funktionsstelle DGA (Design Grafische Abteilung) hatte bei der Armbanduhr zu Schellers Zeiten noch nicht mitgewirkt. Da hat noch der Vertrieb, zusammen mit dem Facheinkäufer Huber und Alfred Finkbeiner (Design-Büro), die Gehäuse, Zifferblätter, Zeiger und Bänder zusammengeführt. Zifferblätter wurden seinerzeit aus riesigen Mustermengen der größtenteils Pforzheimer Lieferanten ausgewählt. Als Udo Schultheiss als Chefdesigner kam, hat er, zusammen mit Max Scheller und Siegfried Wahr, dann das Endprodukt gestaltet – und der Einkauf hat eingekauft, was ihm vom Design vorgegeben wurde.

Am Ende abgefertigt mit einem "Fensterplatz"

Im September 1981 verließ Udo Schultheiss die damalige Firma Junghans. Er gründete eine erfolgreiche Firma für Produkt-Design mit dem Schwerpunkt Uhren. Max Scheller wurde schon früher von branchenfernen Produkt-Managern mit einem "Window-Place" – auf deutsch: Fensterplatz – abgefertigt; ein Büro mit schöner Aussicht, aber betriebsintern kaltgestellt. Um 1983 wurde er in den Vorruhestand versetzt. Das hatte aber alles nichts mehr mit Udo Schultheiss zu tun, auf diese Feststellung legt der damalige Design-Chef Wert. Max Scheller starb 1985, im Alter von gerade mal 58 Jahren. Aber seine Ideen als Armbanduhren-Gestalter existieren weiter.

Der Autor

Udo Schultheiss, Autor des Textes, war lange Jahre der Chef-Designer bei der Firma Junghans (alt). Zusammen mit seinen Mitarbeitern in den Design-Abteilungen hatte er die Möglichkeit, die Technik-Innovationen der 60er- bis in die 80er Jahre in gut gestaltete Produkte umzusetzen. für den Bereich Kleinuhr, als Schultheiss im Jahr 1967 die Design-Gesamtleitung (DGL) bei Junghans übernommen hatte. Die Kleinuhr war damals Neuland für Schultheiss und er war nach eigenem Bekunden froh, dass Scheller als "alter Hase" sich um diesen Bereich schon seit Jahren erfolgreich gekümmert hatte. Scheller und Schultheiss waren ein ungleiches Paar, die Wege zwischen den beiden sehr kurz. Irgendwie hatten beide bei der Produktgestaltung die gleiche "Chemie".