Am 18. September vor 100 Jahren zu Grabe getragen / "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" (2)

Von Carsten Kohlmann

Schramberg. Schon bald nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges waren in Schramberg die ersten Gefallenen zu beklagen.

Besonders große Trauer rief der Tod des Baumeisters Ludwig Storz hervor, der genau heute vor 100 Jahren auf dem Friedhof seiner Heimatstadt zu Grabe getragen wurde. Am 18. September 1914 sammelte sich um 15 Uhr beim Wohn- und Geschäftshaus des sieben Tage zuvor bei den Kämpfen bei Niederaspach im Oberelsass gefallenen Hauptmanns der Landwehr I in der Oberndorfer Straße 90 nach dem Bericht im Schwarzwälder Tagblatt ein Trauerzug, "wie er hier noch nie gesehen wurde".

Wer im Hof des fast unverändert erhaltenen gebliebenen Gebäudes steht, kann sich nach wie vor gut in die damalige Atmosphäre hineinversetzen. Auf einem Torbogen ist auch noch ein Jahrhundert später die Inschrift "L. Storz. Baumeister." zu lesen. Eine Tafel an der Hauswand mit dem Handwerkszeug des Baumeisterstandes stammt ebenfalls noch aus dieser Zeit. Es wäre auch noch möglich, die Pferde an den dazu vorgesehenen Ringen anbinden zu können.

Und sogar der Postkasten mit der Beschriftung "Briefe & Zeitungen" hat ganz offensichtlich ein Jahrhundert überdauert. Das Fensterglas in der Tür ist dagegen irgendwann verloren gegangen. Und auch der Türgriff wurde im Lauf der Zeit ausgetauscht. An dieser Stelle kamen am 18. September 1914 viele Hundert Menschen zusammen, um einen Bürger aus ihrer Mitte die letzte Ehre zu erweisen, der im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben seiner Heimatstadt eine herausragende Rolle eingenommen hatte.

Seine Lebensspanne von 1863 bis 1914 deckt sich fast vollständig mit der Epoche des wilhelminischen Kaiserreiches, in der die junge Industriestadt Schramberg eine Blütezeit voller dynamischer Entwicklung auf allen Gebieten erlebte. Als Stadtbaumeister und später als selbständiger Bauunternehmer mit etwa 250 Beschäftigten und vielen italienischen Gastarbeitern prägte Ludwig Storz das bauliche Erscheinungsbild seiner Heimatstadt wie kein anderer.

Fast alle öffentlichen Gebäude dieser Zeit wie zum Beispiel die Realschule, das Rathaus oder die Heilig-Geist-Kirche, aber auch zahlreiche repräsentative Wohnhäuser wie zum Beispiel in der Tös- straße stammen von ihm.

Aus seiner Ehe mit Emilie Müller (1863 bis 1956) ging der einzige Sohn Hans Storz (1891 bis 1971) hervor, der 1958 in Tübingen eine Familienchronik verfasste, von der das Stadtarchiv Schramberg eine Fotokopie besitzt.

In seinem ganzen Denken war Ludwig Storz ein für das wilhelminische Kaiserreich sehr beispielhafter Bürger, dessen Wertvorstellungen von Kaisertreue, Patriotismus und Soldatentum geprägt waren. Es war für ihn daher ganz selbstverständlich, sich bei Kriegsbeginn sofort am ersten Mobilmachungstag freiwillig zu melden, obwohl er mit 51 Jahren sogar die Altersgrenze des Landsturms bereits überschritten hatte. Er wurde als Kompanieführer im vierten Bataillon des Landwehr-Infanterie-Regiments 119 eingesetzt, das von Anfang September bis Mitte Oktober 1914 bei Sennheim und Niederaspach im Oberelsass gegen französische Einheiten kämpfte. An der Spitze seiner Kompanie wurde er bei Kämpfen um die Wälder in diesem Gebiet bei einem Sturmangriff tödlich getroffen. Am 19. August 1914 war es noch zu einer zufälligen Begegnung mit seinem Sohn gekommen, der sich als Leutnant des Feld-Artillerie-Regiments Nummer 67 der 31. Division ebenfalls im Oberelsass diente.

Der Leichnam von Ludwig Storz konnte auf Wunsch der Familie mit Zustimmung des Armeekommandos nach Schramberg gebracht werden und wurde vor der Beisetzung in seinem Wohnhaus aufgebahrt. Der katholische Stadtpfarrer und Dekan Oskar Gageur (1873 bis 1951) rühmte den Gefallenen in seiner Traueransprache als "deutsche Eiche", als "ehrenhaften Bürger", "schaffensfrohen Künstler" und "tapferen Soldaten", von dessen Lebenswerk "die Bauwerke der Stadt" und "ganze Stadtviertel" künden würden. Sein Grabstein steht auf dem Friedhof der Stadt Schramberg im Mittelpunkt eines Familiengrabes seiner bis heute hier lebenden Nachkommen und hält als Zeitzeugnis die Erinnerung an einen der ersten Gefallenen des Ersten Weltkrieges wach.