Das Sühnekreuz an der Marienkapelle. Fotos: Kohlmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Steine auf dem Sulgen erinnern an Gräueltaten vergangener Zeiten

Schramberg-Sulgen. Achtlos geht man an diesen Zeitzeugen vorbei: die Sühnekreuze in Sulgen. Dabei sind sie ein wichtiger Bestandteil der Vergangenheit. Sühnekreuze sind Denkmale mittelalterlichen Rechts. Sie waren ein Erfüllungsteil von Sühneverträge, die zwischen verfeindeten Parteien geschlossen wurden, um eine Blutfehde wegen eines begangenen Mordes oder Totschlag zu beenden.

Der überwiegende Teil der Sühnekreuze ist in Kreuzform gestaltet, oftmals ist die Mordwaffe (Hammer, Dolch, Beil, Messer) – bezugsweise ein berufstypisches Gerät des "Entleibten" – in den Stein gehauen. Selten finden sich auch Jahreszahlen.

Die Sühnekreuze in Sulgen stammen aus dem 15. Jahrhundert. Das Kreuz am Sulgerberg steht an der Umfassungsmauer der Marienkapelle. Das andere Sühnekreuz steht an der kleinen Kapelle auf dem Haldenhof.

Kreuz an der Marienkapelle

Das Kreuz an der Marienkapelle ist aus Buntsandstein gehauen und an den Kanten ziemlich verwittert.

Wilhelm Haas, ehemaliger Archivar der Stadt Schramberg, hatte bei einer Besichtigung festgestellt, dass am Kreuzbalken die Zahl 14 eingehauen ist. Die zwei weiteren, letzten Ziffern der Jahreszahl sind infolge der Verwitterung nicht mehr lesbar. In der Mitte des Kreuzbalken ist heute noch ein großer Hammer erkennbar. Das Kreuz hat etwa eine Höhe von 95 Zentimetern, eine Breite von 89 Zentimetern und eine Tiefe von 26 Zentimetern.

Nach gefundenen alten Verträgen ist erwiesen, dass Mörder zur Sühne steinerne Kreuze an den Tatort setzen lassen mussten. Dies scheint durchaus auch in Sulgen so gewesen zu sein, denn das "Sulger Hochgericht", der Galgen, stand bedeutend weiter unten am Eckenhof. Franz Xaver Singer schreibt in seinem Schwarzwaldbuch von 1925: "Das Sühnekreuz steht in der Nähe eines gewölbten Feldbrunnens, so genannten Käppelebrunnens, um dessen Besitz sich die Leute bis in diese Zeit noch stritten." Es wird deshalb allgemein der Überlieferung Glauben beigemessen, dass an der Stelle des Kreuzes ein Streit um den Brunnen ausgetragen wurde, wobei als die tödlich wirkende Waffe ein Hammer benutzt wurde.

Dazu wussten "die letztvergangenen Ahnen" – wie Hauptlehrer Eßlinger mitteilt – zu erzählen: Um die Adventzeit sei vor dem Steinkreuz ein Licht gelaufen, bis zur Hörnlegasse und wieder zurück. Mit dem Ende der Adventzeit sei es jeweils ausgeblieben. Diesen Spuk wollen aber die heutigen Anwohner nie gesehen haben.

Kreuz an der Haldenkapelle

Auf dem Lienberg soll – was für die Deutung sehr beachtenswert erscheint – eine große Anzahl solcher Kreuze gestanden haben, die nacheinander zu Wegbauten verwendet wurden. In der Tat hat der genannte Autor Franz Xaver Singer, beim Brunnen des Lochhofs, als Stütze dienend, in einer Wegmauer ein zweites Sühnekreuz entdeckt.

Alt-Schultheiß Heizmann, der von 1903 bis 1921 sein Amt ausübte, ließ dieses an seinem früheren Standort am "Haldenkäpelle", herwärts der beiden Haldenhöfe, an der Abzweigung des Aichhalder Wegs von der Hauptstraße von Sulgau nach Schramberg wieder aufstellen.

Romantisch klingt auch, was von diesem Kreuz die Überlieferung zu erzählen weiß: Hauptlehrer Eßlinger aus Sulgau, welchem Singer alle Angaben über die dortigen Kreuze verdankt, hat – unterstützt von Oberreallehrer Rösch – zur Geschichte dieses Kreuzes erhoben: An der Stelle des Kreuzes stand bis vor einem Menschenalter ein altes Kreuz, das dem Andenken eines im 30-Jährigen Krieg Gefallen geweiht war. Ein Bauer nahm dasselbe heimlicherweise zur Nachtzeit weg und verwendete es zum Umbau seines Hofes. Bald darauf starb er, fand aber wegen dieses Frevels keine Ruhe, und ging als Geist um.

Um diesen zu versöhnen, ließ sein Sohn ein Kreuz fertigen und an der Stelle des weggenommenen setzen, angeblich im Auftrag des Geistes. Dieser blieb aus, als das neue Kreuz errichtet war.

Ein Denkmal der Volkssage, des Volksglaubens. An den Bauern erinnert auch in diesem Fall die in großem gestrecktem Ausmaß (45 Zentimeter) gehaltene Pflugschar, die weit über das Kreuzmittel nach unten und oben hinausragt, bei der aber der Ansatz fehlt. Das Kreuz fällt durch seine schlanke, hohe Gestalt auf, und durch ein leicht schräg gestelltes, lang gezogenes Pflugschar-Relief, die Spitze nach oben, mit betont breitem Schaftansatz.

Bei dem Steinkreuz neben der Haldenkapelle handelt es sich um ein von der Wissenschaft berücksichtigtes und bearbeitetes Monument. Das Kreuz aus Buntsandstein hat etwa eine Höhe von 112 Zentimetern, eine Breite von 66 Zentimetern und eine Tiefe von 24 Zentimetern. Über dem Kopf verläuft eine Rille, im Kopf ist eine kleine Vertiefung.