Organist Christian Schmitt fordert die Zuhörer mit Unerwartetem heraus. Foto: Anton Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Gastspiel beschert Zuhörern viele Überraschungen / Grelle Dissonanzen und animalische Klänge

Schramberg. Bei Joseph Haydn war es nur ein Paukenschlag, mit dem er, wie überliefert, entschlummerte Zuhörer aufweckte. Der Organist Christian Schmitt ließ bei seinem nunmehr dritten Orgelkonzert in der Schramberger Pfarrkirche St. Maria die ahnungslosen Zuhörer mit einem knallenden Beckenschlag vor Schreck zusammenfahren, so dass sogar die Wände bebten.

Dabei konnte sich der vielfach preisgekrönte und international bekannte Konzertorganist und Musikpädagoge bei seinem mit Bedacht ausgewählten Programm aus Barock, Romantik und Moderne der Aufmerksamkeit des Schramberger Publikums sicher sein. Auch in seiner kurzen Einführung nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Vereins Schramberger Orgelkonzerte, Gebhard Pfaff, verriet er nichts von seinem musikalischen Attentat. Vielmehr äußerte er seine Freude, wieder an der berühmten Walcker-Orgel, die seit der Restauration "Weltruhm erlangt" habe, konzertieren zu können.

Der Solist eröffnete das Konzert mit brausendem Forteklang mit dem 1. Satz der Sonate Nr. 3 A-Dur op. 65 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Ein ruhiges Thema mit kanonischen Einsätzen erschien, wobei sich die Stimmen durchdrangen und an Tempo und Bewegung, Höhe, Glanz und Volumen zunahmen, bis das Thema in majestätischer Kraft und Fülle wie ein gewaltiger Choral über dem bewegten Bass erklang. Im Andante tranquilo ertönte eine süße Flötenmelodie, die sich wie eine zarte Bitte anhörte, aber, sich steigernd, bis zu einem Spannungspunkt emporstieg.

In eine völlig andere Klangwelt entführte der Interpret die Zuhörer mit der 1983 entstandenen "Fantasie" aus der Feder des österreichischen Komponisten Thomas Daniel Schlee. Wer allerdings träumerische Akkorde und lyrische Passagen erwartet hatte, wurde schon in der Einleitung eines anderen belehrt. Die Orgel setzte mit wilden Clustern und langgezogenen Tönen ein. Dissonante Stakkati lösten sich mit furiosen Figuren und rasanten Glissandi ab. Die akustische Szenerie wirkte wie ein scheinbar zügelloses und chaotisches Klanggeschehen. Fast schmerzhaft bohrten sich die langtönenden Dissonanzen ins Ohr, bevor ein plötzlicher Kontrast geschah. Wie zur Versöhnung nach dem musikalischen "Säbelrasseln" erschienen zarte, weiche, ja fast elegische Klänge. Die verhaltene fremdartig anmutende Melodik wuchs an zu sphärischen Klängen und entführte in eine Welt der Fantasie, bevor die alarmierenden Läufe und bizarren Auf- und Abstiege mit fast schreiender Aggression wiederkehrten.

Dieser modernen Fantasie stellte der virtuose Solist die Fantasie und Fuge c-Moll BWV 537 von Johann Sebastian Bach entgegen, bei der über einem tiefen Bass das Thema der Fantasie in weichem Registerklang ertönte und sich in Sequenzen auf- und abbewegte. Die Stimmen der Fuge erschienen in straffem Duktus und folgten in präziser Transparenz aufeinander, so dass ein durchsichtiges Klanggewebe in der für Bach typischen Harmonik entstand. Der Melodienfluss des Perpetuum mobile erschien unerschöpflich.

Eine spektakuläre Überraschung traf die Zuhörer gleich zu Beginn der Komposition "Cloudscape" von Toshio Hosokawa, die zur Jahrhundertwende entstand. Ein wuchtiger Gongschlag ging wie ein Donnerschlag nieder. Als wäre nichts geschehen, erhoben sich zarte Klänge in feinen Farbtönen und vermischten sich zu verschwimmenden Klanginseln. Grelle, irisierende Pfeiftöne über einem dunklen Fundament stiegen auf, brachen ab und machten wilden, animalischen Klängen Platz, die vibrierend verebbten. Grelle Dissonanzen mit Silberklang erweiterten sich zu Glissandi und Clustern, die sich wieder auf einen Ton reduzierten. Weiche, vibrierende Klänge mit feinem Beckenwirbel schufen den Ausklang.

Beendet wurde das Programm mit der Fantasie und Fuge op.4o über Choral "Wie schön leucht uns der Morgenstern" von Max Reger. Die Einstimmung geschah mit fulminantem Einsatz. Im zurückgenommenen Klangvolumen kamen die herrlichen Registerfarben der Walcker-Orgel zum Leuchten. Ruhig und bedächtig erschien das Choralthema, umspielt von bewegter Begleitstimme, später variiert mit wechselnder Registrierung und rhythmischer Gestaltung. Das Zungenregister erinnerte an Gesang, während das Flötenregister mit Lieblichkeit betörte. Mit seinen anbrandenden Akkorden erfüllte der virtuose Meister auf der Königin der Instrumente den Kirchenraum mit einem brillanten Klangreichtum, immer majestätischer und fulminanter werdend bis zum Finale in herrlicher Größe. Die erfüllten Zuhörer dankten mit großem Applaus und erhielten mit Beethoven noch eine Zugabe.