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Landesbischof i. R. Gerhard Maier findet anlässlich des Reformationsjubiläums deutliche Worte

Anlässlich des Jubiläums "500 Jahre Reformation" veranstaltet die evangelische Kirchengemeinde Sulgen eine vierteilige Vortragsreihe. Der Auftakt am Samstagabend – mit "Allein die Schrift" überschrieben – war Landesbischof i. R. Gerhard Maier vorbehalten.

Schramberg-Sulgen. Pfarrer Markus Krimmer konnte im evangelischen Gemeindehaus Sulgen ein nahezu volles Haus begrüßen. Er stellte den mit ihm befreundeten ehemaligen Bischof der evangelischen Landeskirche Württemberg, der auch Erinnerungen an Sulgen hatte, als einen Mann vor, in dessen Leben die Auseinandersetzung mit der Bibel eine zentrale Bedeutung gewonnen habe. So richtete Krimmer an den Referenten eingangs die Fragen: "Was hat die Bibel heute zu sagen?" Und: "Wie können wir sie heute verstehen?"

Hinter allen Ausführungen des Altbischofs stand die Kernaussage: "Eine Kirche, die nicht mehr betet und Bibel liest, hat keine Zukunft."

Seine erste Frage lautete also in die Runde: "Was helfen uns Worte?" Schon in Goethes "Faust" sei bei der Übersetzung des Johannes-Prologs die Vorsicht gegenüber dem "Wort" spürbar. Heute, in einer Zeit vieler Worte, sei man dem Wort gegenüber noch vorsichtiger, besonders angesichts des Vorwurfs, die Bibel sei ein "papierener Papst", etwas, an das man sich binde, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Doch das Wort der Bibel könne Leben retten, wie der Referent aus einem persönlichen Kriegserlebnis belegte.

Das Wort wird über das Hören und das Sehen vermittelt

In der Bibel gehe es von Anfang an um das Wort Gottes, so Maier: "Und Gott sprach: Es werde Licht". Die Frage sei, wie Gott sein Wort übermittelt habe. Es gebe dazu zwei Wege: über das Hören (Elia hört Gott nicht im Sturm, sondern im leisen Wehen) und über das Sehen, das bei allen Propheten die Augen für die Wahrheit geöffnet habe.

Bei der Frage, wann die Bibel entstanden ist, stellte der Altbischof heraus, dass Mose ein "Spätling" sei, denn lange zuvor habe es eine Reihe von Alphabeten wie die ägyptischen Hieroglyphen oder die mesopotamische Keilschrift gegeben.

Mose erhält von Gott den Auftrag, ein Buch zu schreiben

Nach Ex 17, 14 habe Mose nach dem Sieg über die Amalekiter von Gott den Auftrag erhalten: "Schreibe dies in ein Buch." Die Autorität, die hinter den Worten der Bibel stehe, sei die Inspiration. Auch nach Paulus sei "alle Schrift von Gottes Geist durchweht". Der fast gleiche Wortlaut sei bei Josephus, einem römisch-jüdischen Geschichtsschreiber, zu lesen.

Die 22 Bücher der Schrift, von denen Josephus spreche, machten, wenn die kleinen Propheten zu einem Buch zusammengefasst werden, exakt das Alte Testament des Protestantismus aus. Auch für Jesus, die Zentralgestalt, habe die Schrift das verbindliche Wort des Vaters dargestellt, wie er in Joh 10,35 sage: "Es wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe....bis das alles geschieht."

Die Zuverlässigkeit der Überlieferung habe sich auch bei der Entdeckung der vollständigen Jesaja-Rolle in den Höhlen von Qumran gezeigt. Hinsichtlich der biblischen Prophezeiungen und Jesu Voraussagen gebe es nicht einen Punkt, der nicht in Erfüllung gegangen wäre: so die Voraussagen über die Geburt des Messias aus dem Geschlecht Davids in Bethlehem.

Unter der Vielzahl der falschen Propheten und Messiasse stelle die erfüllte Prophetie der Bibel etwas Besonderes dar. So sei Luther zu der Aussage gekommen, dass "allein die Schrift Königin sein solle", denn sie sei verständlich, klar und aus dem Zusammenhang zu verstehen. Diese Linie sei in allen reformatorischen Bekenntnissen zu finden.

Eine wichtige Diskussion werde heute um die Frage geführt, ob die Bibel das Wort Gottes enthält oder ob sie das Wort Gottes ist. Bei drei Generationen von Theologen von Rudolf Bultmann über Ernst Käsemann bis Peter Stuhlmann gebe es drei verschiedene Ansichten darüber. Die Reformatoren hätten jedoch mit Recht festgelegt, dass die Bibel das Wort Gottes ist. Sie greife als unglaubliche Kraftquelle und zentrale Lebensader tief in das persönliche Leben ein.

In den Psalmen und Liedern liegt eine besondere Kraft

Ein Beispiel sei das Bekehrungserlebnis des Augustinus ("Nimm und lies"). Auch in den Psalmen und Liedern liege eine vehemente Kraft. Die Bibel sei notwendig auch zur Abwehr gegen Irrlehren. Gottes Wort leite die Menschen richtig. Solange die Kirche eine betende und Bibel lesende sei, werde sie Zukunft haben.

Gerne war der Altbischof im Anschluss an seinen Vortrag bereit, Fragen der Zuhörer zu beantworten, ehe Pfarrer Krimmer sich bei ihm mit einem Geschenkkorb mit Schwarzwälder Spezialitäten bedankte.