Serie: Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg / Heiligabend vor 100 Jahren / Auch die Heimatfront leidet

Von Carsten Kohlmann

Vor 100 Jahren begingen die Bürger der Stadt Schramberg ihr zweites Weihnachtsfest im Ersten Weltkrieg. Die anfängliche Hoffnung auf einen schnellen Sieg erstarrte in einem immer mehr Gefallene fordernden Stellungskrieg.

Schramberg. Auch in der Heimat nahm die Not kontinuierlich zu. Ende 1915 befanden sich etwa 2000 Bürger der Stadt im Kriegsdienst. Einige von ihnen waren bereits gefallen oder verwundet. An Weihnachten musste die Familie von Joseph Roming (1867 bis 1950) aus dem Burgweg 57 den Tod ihres Sohnes Johann Georg Roming (1894 bis 1915) beklagen, der als Musketier im Infanterie-Regiment 126 durch ein Artilleriegeschoss getötet wurde. Viele der im Kriegsdienst stehenden Schramberger bewährten sich auch im Fronteinsatz und wurden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet.

Kurz vor Weihnachten erhielt mit dem Hauptlehrer Bosch der erste Schramberger für seine Beteiligung an einem Sturmangriff in den Argonnen in Frankreich das Eiserne Kreuz erster Klasse, nachdem er zuvor bereits mit der Goldenen Militärverdienstmedaille geehrt worden war.

Auf allen damaligen Kriegsschauplätzen waren Schramberger zu finden. Ferdinand Flaig (1898 bis 1977) war zum Beispiel fern der Heimat als Artilleriemaat der kaiserlichen Marine an den Kämpfen bei den Dardanellen in der heutigen Türkei beteiligt und erhielt dafür von dem mit dem Deutschen Reich verbündeten Osmanischen Reich den Eisernen Halbmond verliehen.

Aber auch in der Heimat konnte man sich patriotisch zeigen und bei dem Goldarbeiter und Uhrmacher Leo Pfau (1862 bis 1936) in der Sängerstraße 6 "National-Schmuck wie Ringe, Broschen, Armbänder, Collier, Geschossfassungen, Medaillon" kaufen. Die moralische und materielle Unterstützung der Väter, Söhne und Brüder im Kriegseinsatz wurde als allgemeine vaterländische Pflicht empfunden.

Zu Beginn der Weihnachtszeit wandte sich der von Kommerzienrat und Ehrenbürger Erhard Junghans (1852 bis 1923) geleitete "Hilfsausschuss" mit einem großen Aufruf an die Öffentlichkeit und forderte zu einer großen Geschenkaktion auf: "Dass wir auch keinen unserer Kameraden vergessen haben, wollen wir auf Weihnachten nicht mit Worten, sondern in Taten beweisen, jeder soll seine Freude haben, leuchtenden Auges sollen sie unser Paket öffnen und mit innerem Stolz soll jeder seiner Heimatstadt Schramberg gedenken."

Am 23. November 1915 wurde mit der Abgabe von kostenlosen Pappschachteln begonnen, die von den Spendern für einen Soldaten nach Wahl gefüllt und bis zum 27. November 1915 wieder zurückgegeben werden sollten, um durch die ehrenamtlichen Hilfsausschuss-Mitarbeiter mit der Feldpost rechtzeitig an die Empfänger geschickt werden zu können. Zur Füllung wurden vor allem Rauchwaren, Kirschwasser, Landjäger, Speck, Hartwurst, Gebäck, Briefpapier, Lesestoff, Socken, eine Grußkarte und ein Tannenzweig empfohlen.

Versorgungslage daheim wird immer schlechter

Der "Hilfsausschuss" kümmerte sich aber nicht nur um die Soldaten im Kriegseinsatz, sondern auch um in schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebende Familien in der Heimat. Über 1200 Familien wurden mit einem Weihnachtsgeschenk bedacht. Lebensmittel und Konsumgüter wurden nur noch gegen Bezugsscheine abgegeben. Zahlreiche Vorschriften brachten immer mehr Einschränkungen mit sich. Ende 1915 waren in den Gaststätten Dienstag und Freitag als "fleischlose" und Montag und Donnerstag als "fettlose" Tage vorgeschrieben. Wegen der immer schlechter werdenden Lebensmittelversorgung musste man sich mit Ersatzstoffen aller Art behelfen. Der "Hilfsausschuss" verkaufte an jedem Montag und Dienstag im ehemaligen Rathaus (heute neues Geschäftshaus in der Hauptstraße 12) so genanntes "Tapiokamehl".

Geschützdonner selbst vor Ort grauenerregend

Außerdem konnte man dort auch "Krumm’s kochfertige Vollkost" kaufen, die "ohne Zugabe von Fleischbrühe in heißem Wasser gekocht eine nahrhafte und sättigende Speise" für hungrige Mägen ergeben sollte. Zu Beginn der Adventszeit erweckte starker Schneefall den Eindruck eines frühen Wintereinbruchs. Über Weihnachten herrschte jedoch regnerisches und stürmisches Wetter. Von der Westfront waren – insbesondere über die Mittagszeit – die Geschütze "in ganz grauenerregender Weise" zu hören: "Ein solch ununterbrochener Donner ist kaum je beobachtet worden."

Über Weihnachten weitgehend ruhig

Mit Ausnahme von schweren Gefechten um den Hartmannsweilerkopf im Elsass herrschte über Weihnachten an den Fronten weitgehend Ruhe. Die Militärbehörden hatten großzügig Urlaubsgenehmigungen erteilt, "so dass infolge der vielen Einberufungen Schramberg in diesen Tagen fast einer Garnison glich."

Die Weihnachtsfeiertage wurden sehr bewusst in den Familien und in den Kirchen verbracht. Einige Katholiken machten sich langjähriger Tradition entsprechend auf den Weg zum Kloster Beuron im Donautal. Am ersten Weihnachtsfeiertag lud die Stadtmusik zu ihrem Weihnachtskonzert in das Gasthaus Lamm (An der Steige 2) ein. Die Überzeugung, für eine gerechte Sache zu kämpfen und zu siegen, war ungebrochen. Man glaubte mehrheitlich, dass den Feinden der gute Wille zum Frieden fehle und sie sich die Vernichtung des Deutschen Reichs zum Ziel gesetzt hätten. Ein Kommentar mit dem Titel "Ein zweites Kriegsweihnachten" schloss deshalb im Schwarzwälder Tagblatt vom 25. Dezember 1915 auch mit der heute unglaublichen Aussage: "Möge aber auch das Christkind weiter unsere Waffen segnen, damit die Wahrheit und das Recht siegt und der grenzenlose Übermut unsere Feinde gebrochen wird." Die Serie "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" des Stadtarchivs Schramberg wird in Kooperation mit dem Schwarzwälder Boten in den nächsten vier Jahren über das damalige Geschehen berichten und bisher unbekannte Quellen vorstellen. Zur Mitarbeit sind alle Interessierten eingeladen und können sich beim Stadtarchiv melden. Unterlagen aus dem Ersten Weltkrieg, die für die Serie genutzt werden könnten, sind jederzeit willkommen. E-Mail: stadtarchiv@schramberg.de, Telefon 07422/2 92 63.