Maria Fleig und Oskar Rapp erzählten vor vielen Zuhörern über den Alltag der Tennenbronner Hütekinder früherer Generationen. Fotos: Paskal Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimathaus: Erinnerung an schweres Los

Trotz der vielen Arbeit nachmittags auch noch in die Hirtenschule: Die Tennenbronner Hütekinder hatten früher keine leichte Kindheit.

Von Christel Paskal

Schramberg-Tennenbronn. Der katholische Pfarrsaal war voll besetzt, als Robert Hermann vom Heimathaus die Kuhglocke läutete und mit der Peitsche knallte. Referentin des Abends zum Thema "Kind sein in Tennenbronn" war Maria Fleig, die immer wieder Interessantes aus ihrem Leben zu berichten weiß.

Zunächst beleuchtete sie die damals meist von den Eltern arrangierten Ehen zwischen oft naiven Paaren. Es galt die Devise "Sach zu Sach", also Vermögen zu Vermögen. Sechs bis acht Kinder kamen in der Ehe zur Welt, vielfach aber auch bis zu zehn oder mehr. "Wenn se komme sin, ware se halt do", erklärte Fleig. Die Kinder sollten auf den Höfen helfen, Mägde und Knechte ersetzen. Mit sechs Jahren mussten sie bereits mitarbeiten. Es galt im Haushalt den Tisch zu decken oder aus Zeitung rechteckiges Papier für das Plumpsklo zu schneiden. Am Samstag wurden der Hof gefegt und die Schuhe geputzt. Das Auflesen von Ähren auf den abgeernteten Feldern gehörte auch zu den Aufgaben der Kinder.

Fleig erinnerte sich noch an das Einsammeln der Kartoffelkäfer und deren Eier. "Das war eklig." Die Buben und Mädchen im Alter von acht bis 14 Jahre hüteten das Vieh auf den Weiden. Die Tiere durften keinesfalls in Nachbars Getreidefeld oder in den nahen Wald gelangen. Die Hütekinder stammten meist aus kinderreichen Familien. Das waren billige Arbeitskräfte und die Kinder waren versorgt. Sie erhielten das Essen und schliefen in einer Kammer über dem Stall. Manchmal spendierten die Bauersleute einen Anzug oder Schuhe am Ende der Hütezeit. Ein Fahrrad war auch schon mal dabei.

Die Nachtruhe endete um fünf oder sechs Uhr. "Z’ Morge" gab es Brot und mit Zwiebeln abgeschmelzte Kartoffeln. Der Weg auf die Weide war meistens weit. Nach zwei bis drei Stunden ging es zurück in den Stall. Nach dem Mittagessen mussten die Kinder von 13 bis 16.30 Uhr in die Hirtenschule, danach wieder mit den Tieren auf die Weide. Abends waren sie dann so müde, dass sie die Hausaufgaben nicht mehr schafften.

Meist waren die Kinder barfuß auf der Weide und frische Kuhfladen wärmten die kalten Füße. Gegen Regen schützten alte Decken, Kartoffelsäcke oder Umhänge aus Roggenstroh. Das Heimweh nach den Eltern und Geschwister tat weh.

Am Sonntag vertrieben sich die Buben die freie Zeit mit Fußball spielen und die Mädchen machten Spiele wie "Schlupfis" oder "Faules Ei". Ein Glanzpunkt im Jahreskreis war der Besuch des Schellenmarkts auf dem Fohrenbühl. Nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern auch aus Lauterbach, Sulzbach, dem Stockwald und Hirzwald kamen die Kinder. Wenn der Bauer besonders spendabel war, gab es auch schon mal eine Wurst.

Ein Fest für die Kinder war das Schlachtfest, obwohl das Säule dafür sterben musste. Darüber war das Liesele äußerst traurig. Durch das "Säckle strecken" bekamen die Nachbarn etwas vom Geschlachteten ab.

Am 11. November wechselten die Dienstboten, denn über den Winter blieb das Vieh im Stall. So konnten die Kinder wieder heim. Erst nach Lichtmess begann die Suche nach neuen Hirtenkindern. Mit dem elektrischen Zaun endete ihre Zeit.

"S’ Benedikte Oskar" (Oskar Rapp) vom Ramstein brachte die Besucher mit seinem Dennebronnerisch zum Schmunzeln. Er wusste noch, wie in einer Blechwanne gebadet oder wie die Haare früher geschnitten wurden. "Meine Kindheit war fröhlich", erinnerte sich Rapp.

Robert Hermann stellte abschließend fest: "Das landwirtschaftliche Leben hat die Kindheit bestimmt." Im Namen der erfreuten Heimathausgruppe bedankte er sich bei den Besuchern, dass sie in "überwältigender Weise die Treue gehalten haben."