Aufmerksamer Zuhörer: Hans Jörg Fahrner in seiner letzten Sitzung als Stadtrat und Fraktionssprecher. Foto: Rath

Persönliches Fazit des scheidenden SPD-Fraktionssprechers. Weiterhin soziales Engagement. Mit Interview.

Schramberg - Hans Jörg Fahrner war fast 30 Jahre lang Stadtrat. Er gilt als SPD-Urgestein, sogar die politische Konkurrenz respektiert ihn als echtes Schwergewicht. Was lässt er zurück, was macht er jetzt? Im Interview gibt er Einblick in seine Sicht der Dinge – so nüchtern und unprätentiös wie in seiner Zeit als Sprecher der Fraktion.

Herr Fahrner, nach fast 30 Jahren steigen Sie aus der Kommunalpolitik aus. Sind Sie froh oder traurig?

Beides nicht. Ich hab’s gerne gemacht und war nicht amtsmüde. Kein Problem. Ein bisschen traurig gemacht hat mich, dass man bei der Verabschiedung das Selbsthilfewerk für arbeitslose Jugendliche (SHW) mit dem BAZ verglichen hat. Die SHW hat keine Leiharbeit vermittelt, sondern Leute tatsächlich in Arbeit gebracht. Wir hatten am Ende 90 Beschäftigte. Jugendliche, die von der Schule geflogen waren, konnten wir entweder zurück an die Schule oder in eine Ausbildung bringen. Außerdem gab die SHW Langzeitarbeitslosen eine Perspektive. Leiharbeit ist in meinen Augen der Weg in die Armut. Und es gibt Armut bei uns.

Aber wenn man ein politisch interessierter Mensch ist – geht das ohne Mitgestaltung?

Ich gebe nur das Gemeinderatsmandat auf. Ich bin noch im diakonischen Bezirksausschuss sowie in Vereinen und Arbeitskreisen tätig, da ist man teils mehrmals die Woche unterwegs.

Warum haben Sie eigentlich aufgehört als Stadtrat?

Mit Tanja und Mirko Witkowski hat sich die Chance zur Verjüngung ergeben. Die musste man nutzen. Ich bin jetzt 69 Jahre alt. Die CDU ist erheblich jünger aufgestellt als die SPD, der OB auch. Da liegt praktisch teilweise eine Generation dazwischen. Ich habe ein anderes Geschichtsbewusstsein als jüngere Leute, auch politisch, die treffen ja ganz andere Entscheidungen. Ich habe gespürt: Es ist Zeit zu gehen.

In 30 Jahren ist viel passiert in der Stadt. Gibt es Entscheidungen, mit denen Sie bis heute hadern?

Ja. Wenn ich an den hinteren Rathausplatz denke. Ich hätte gerne eine Tiefgarage drunter gehabt, um die Innenstadt zu stärken. Das war mit dem damaligen OB aber nicht zu machen. Der Bebauungsplan Talstadt-West ist nun nach zehn Jahren Diskussion endlich verabschiedet. Die Kommunalpolitik ist mir manchmal einfach zu langsam. Außerdem passt mir der Kurs nicht, Personal im Rathaus zu sparen, um Geld für Investitionen zu haben. Was nützt es, wenn dann die Kapazität fehlt, Investitionen umzusetzen? Das passt nicht zusammen.

Ihre stoische Miene ist schwer zu lesen. Gab es mal ein Vorkommnis am Ratstisch, das Sie bis heute wurmt?

Nee, eigentlich nicht. Ich kann trennen zwischen politischer und persönlicher Auseinandersetzung. Der Streit wurde nie in einer Schärfe geführt, wo ich gesagt hätte: So geht’s aber nicht. Ich kann kämpfen, aber auch andere Meinungen hinnehmen.

Das Gemeinderatsmandat war ja nur eins von vielen Ehrenämtern. Beruf und Familie gibt es ja auch noch. Woher nimmt man die Zeit und Kraft?

Unsere Familie ist insgesamt politisch denkend. Das gibt Kraft und Rückhalt. Wir hatten da eine gewisse Übereinkunft.

Lehrer, Stadtrat, soziales Ehrenamt – im Prinzip ging es überall auch darum, anderer Leute Probleme zu lösen. Gab es mal einen Punkt, an dem Sie gedacht haben: Kümmert Euch doch selbst um Euren Krempel?

Eigentlich nie. In jedes Amt muss man sich einarbeiten. Das ist eine Herausforderung für den Geist. Neues zu lernen, hat mir immer Spaß gemacht. Gerade ist Geschichte mein Hobby. Da erfährt man sehr viel.

Beenden Sie bitte den Satz: Ehrenamt ist...

...eine Aufgabe, die schön ist, aber auch Verantwortung voraussetzt.

Was werden Sie künftig machen?

Oh, da habe ich keine Mühe, die freie Zeit zu füllen. Unter anderem betreuen meine Frau und ich eine Flüchtlingsfamilie, deren Kinder brauchen Nachhilfe in Deutsch und Mathe. Es geht um Menschen, da muss man sich voll engagieren, da kann man nicht bloß drüber hinwegflattern. Es gibt genügend zu tun.

Was wünschen Sie sich vom Gemeinderat?

Dass es mit der Stadtentwicklung vorangeht. Dass man die Projekte zu Ende bringt, die man im Konsens mit den Bürgern angestoßen hat, und nicht ständig etwas Neues anfängt. Nur so lassen sich die strukturellen Defizite aufarbeiten, die Schramberg unbestritten hat.

Sie stammen nicht aus Schramberg. Schon mal bereut, hier gestrandet zu sein?

Nach dem Studium haben wir in Stuttgart gewohnt, direkt in der Innenstadt. Wir wollten damals eigentlich nicht weg und schon gar nicht in die Provinz. Aber es ging nicht anders. Das hat sich längst verändert. Es lebt sich sogar sehr gut hier. Die enge Verbindung zu den Menschen, die wir hier erleben, die hätte es in einer Großstadt nie gegeben. Man muss also nicht traurig sein, wenn es im Leben nicht immer so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.  

Hans Jörg Fahrner, Jahrgang 1947, stammt aus Dornhan. Er besuchte die Schule in Oberndorf und absolvierte eine Lehre als Mechaniker. Es folgte ein Studium in Maschinenbau in Esslingen. 1973 nahm er das Angebot an und wechselte in den Schuldienst. Fahrner, der zuvor als Ingenieur in Reutlingen gearbeitet hatte, absolvierte dafür ein Zusatzstudium. 1975 zogen er und seine Frau nach Sulgen, er startete als Gewerbelehrer an der Friedrich-Ebert-Schule. Später wurde er stellvertretender Leiter der Schule, am Ende kommussarischer Schulleiter. Bereits 1976 engagierte sich Fahrner kommunalpolitisch. In 40 Jahren hatte er zahlreiche politische, kirchliche und soziale Ehrenämter inne. Im Dezember 1987 rückte er für Elfriede Wendel in den Gemeinderat nach, wurde fünf Mal als Stadtrat gewählt und war von 1998 an Vorsitzender der SPD-Fraktion. Fahrner wohnt in Sulgen. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

Die Fragen stellte Volker Rath