Thomas Herzog lud die Anwesenden zum Innehalten und Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ein. Foto: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Nationalsozialismus: Gedenktag für die Opfer / Erinnerungen an Elie Wiesel / Stadt legt Kranz nieder

Am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus rief Oberbürgermeister Thomas Herzog, in Kooperation mit den Schulen der Stadt die NS-Zeit in unserer Stadt zu erforschen und zu thematisieren.

Schramberg. Zusammen mit Gemeinderat Mirko Witkowski legte Herzog bei der Gedenkveranstaltung am "Mahnmal für die Opfer des Faschismus" am 27. Januar vor der Realschule in Schramberg einen Kranz nieder.

Wie auch in den vergangenen Jahren unterstützte die Bläserabordnung der Stadtmusik die Gedenkfeier musikalisch und gab der Veranstaltung einen feierlichen Rahmen. Seit 1996 ist dieses Datum ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Der damalige Bundespräsidenten Roman Herzog hatte den Anstoß für den Gedenktag gegeben: Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz befreit.

Alljährlich finden an diesem Tag im Januar in vielen Städten Gedenkveranstaltungen statt. Schramberg beteiligte sich schon 1997 als eine der ersten Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland erstmals an diesem Gedenktag. Damit versammelten sich Bürger und Vertreter der Stadt Schramberg am frühen Freitagabend zum 20. Mal bei den Denk- und Mahnmalen am Mühlegraben vor der Realschule, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken.

In seiner Ansprache erinnerte Oberbürgermeister Herzog den Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, der vor einem halben Jahr, am 2. Juli 2016, gestorben ist. Dieser war knapp 15 Jahre alt, als er 1944 zusammen mit seiner Familie aus Sighet in Siebenbürgen nach Auschwitz verschleppt wurde. Seine Mutter und seine Schwester wurden sogleich in den Gaskammern ermordet, sein Vater kam Monate später durch die Strapazen der Haft und des Transports nach Buchenwald um.

Grauen zeichnete ihn

Elie Wiesel selbst überlebte Auschwitz und Buchenwald, aber das Grauen, dem er in den Lagern der Nationalsozialisten ausgesetzt war, hatte ihn für sein ganzes weiteres Leben gezeichnet. Zeugnis abzulegen und die Erinnerung an den Völkermord an den Juden wachzuhalten, das wurde seine Lebensaufgabe. "Nie werde ich diese Nacht vergessen, die erste Nacht im Lager, die aus meinem Leben eine siebenmal verriegelte lange Nacht gemacht hat. [...] Nie werde ich die kleinen Gesichter der Kinder vergessen, deren Körper vor meinen Augen als Spiralen zum blauen Himmel aufstiegen", zitierte Herzog aus dem erschütternden Bericht von Elie Wiesel.

"Ich danke Ihnen, dass Sie zu unserer Gedenkstunde, zu der kurzen Zeit des Innehaltens anlässlich des internationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus gekommen sind. Auch wenn es nur ein kurzer Augenblick ist, so halte ich es gerade in unserer Zeit für besonders wichtig, der unzähligen Männer, Frauen und Kinder aus Deutschland und Europa zu gedenken, die dem Verfolgungs- und Vernichtungswahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen", wandte sich Herzog an die Teilnehmer der Gedenkstunde. Um dann einen Blick auf die Tagespolitik zu werfen: "Haben Sie nicht auch ein Déjà-Vu? Sind nicht aktuell gewählte Volksvertreter in unserer Bundesrepublik unterwegs, die sich gegen das Mahnmal in unserer Hauptstadt wenden? Die für einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit plädieren, welche die NS-Zeit abhaken wollen? Volksvertreter, welche eine neue Gewichtung unseres Geschichtsbewusstseins fordern. Haben nicht gerade Abgeordnete unseres Landtages in Stuttgart im Haushaltsausschuss den Antrag gestellt, die Fördergelder des Landes für die Gedenkstätte Gurs in den Pyrenäen-en zu streichen?".

In das 1939 eingerichtete Lager Gurs waren viele Juden aus dem badischen Landesteil deportiert worden. Gerade auf Grund dieser aktuellen Ereignisse sei es wichtiger denn je, dass die Stadt und die Bürgerschaft ein deutliches Signal setzten, dass es wichtig und richtig ist, sich hier bei den beiden Gedenk- und Mahnmalen zu versammeln, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

Und es sei um so wichtiger, so Herzog, anlässlich dieser Gedenkfeier auch in Kooperation mit den Schulen die NS-Zeit in Schramberg zu erforschen und zu thematisieren. "Es kann keinen Schlussstrich geben! Wir tragen die historische Verantwortung, dass solche unvorstellbaren Gräueltaten wie in der NS-Zeit nicht wieder passieren. Wir, die heute lebenden Deutschen, wir stehen in der Verantwortung, uns unserer Geschichte zu stellen und die Opfer nicht zu vergessen", appellierte Herzog.

Vortrag über Fluchthilfe

Im Anschluss an die Gedenkfeier lud das Stadtoberhaupt in die Mediathek ein zu einem Vortrag von Sarah Glocker zum Thema "Fluchthilfe der Familie Ackermann für die Jüdin Charlotte Dreyfuss in Schramberg". Ende 1944 wurde von der Familie des Redakteurs August Ludwig Ackermann (1896 – 1981) die untergetauchte Jüdin Charlotte Dreyfuss (1900 – 1980) aus Berlin in der Berneckstraße 20 in Schramberg versteckt. Sarah Glocker, Schülerin am Gymnasium Schramberg, hat die Geschichte dieser Menschen im Rahmen der Bildungspartnerschaft des Gymnasiums mit dem Stadtarchiv Schramberg erforscht.