Verkehrsminister stellt Konzept des Landes für nachhaltige Mobilität vor

Von Christoph Ziechaus

Schramberg. Mit totaler Mobilität und Vollgas bis ins Grab fahren? Oder sollte nachhaltiges Denken nicht im Kopf enden, sondern in die Beine gehen? Das Konzept für nachhaltige Mobilität der Landesregierung stellte Verkehrsminister Winfried Hermann in Schramberg vor.

Darin geht es auch um die Lebensqualität der Menschen im ländlichen Raum. Organisiert hatte den Vortragsabend im Schloss die Volkshochschule Schramberg. Hermanns Botschaft: Baden-Württemberg solle zum Pionierland für nachhaltige Mobilität werden. Dafür sei eine Energie- und Verkehrswende notwendig, mit einem halbierten Energieverbrauch bei Einsatz von 80 Prozent erneuerbarer Energie.

"2,5 Tonnen SUV für 180 Gramm Sitzfleisch sind nicht angemessen."

Während in Ballungsräumen mit verbessertem öffentlichem Nahverkehr (ÖPNV) die Anzahl von Autos rückläufig sei, sei sie im ländlichen Raum gestiegen, wie in Schramberg von 502 im Jahr 1993 auf 599 in 2013. Dieser Entwicklung wolle man entgegenwirken mit der Mobilitätsgarantie bei einer Verdoppelung des Anteils des ÖPNV bis 2030 durch landesweiten Taktverkehr der Bahn von 5 bis 24 Uhr mit zuverlässigen Zugangsboten durch Busse.

Bei der Vernetzung von Verkehrsmitteln spiele auch das Fahrrad eine große Rolle, für das die Infrastruktur mit Rad- und Fußwegen sowie Stellplätzen verbessert werden soll. Mit einer neuen Initiative soll ab Ende Februar der Fußverkehr gestärkt werden mit besseren und barrierefreien Wegen sowie Querungen von Straßen. Zudem soll Verkehr reduziert werden durch eine Stadt der kurzen Wege mit verstärkter Innenentwicklung und kompakten Siedlungsstrukturen. Die Trennung in Zentren für Einkauf, Gewerbe, Schulen und Sport verursache unnötigen Verkehr. Dagegen seien Innenbereiche zu entwickeln, dann könne man mit "der vorhandenen bebauten Fläche auskommen". Solche Entwicklungen fördere das Land, wie in Waldmössingen, ebenso Bürgerbus-Projekte, die schon in 30 Städten im Land unterwegs seien. Auch die Elektromobilität werde gefördert, mit der Einrichtung von Ladestationen oder mit Carsharing. Das könne aber nur eine Anschubfinanzierung von Pilotprojekten sein, die dann von Kreisen oder Kommunen übernommen werden müssten.

Dem Vortrag schloss sich eine Diskussion mit dem Minister an. Schramberg habe durch seine Topografie und Lage sehr viele natürliche Barrieren, so Johannes Grimm. Er empfahl ein Modellprojekt ÖPNV zur Vernetzung der Mobilität. Der ÖPNV sei ein Schülerverkehr, der neben den Elternbeiträgen durch Zuwendungen von 200 Millionen Euro im Jahr vom Land gestützt werde. Er sei nicht umsonst zu haben, widersprach der Minister einem Einwand von Eberhard Pietsch. Ziel müsse eine unabhängige Finanzierung sein, auf einer einheitlichen Basis für alle Landkreise. Dazu müssten 22 Verkehrsverbünde im Land unter einen Hut gebracht werden mit einem Tarif und einem Ticket.

Auch der Anschluss an die Bahn gehöre dazu, denn nach dem Regionalisierungskonzept bestellen die Länder die Züge. Bis 2016 habe die vorige Landesregierung zwei Drittel der Strecken zu Höchstpreisen an die Bahn vergeben. Für die Zeit danach werden nun um die 20 Netzteile neu ausgeschrieben, so dass sich alle Betreiber bewerben können. Zudem war die Bahn "mit Automanagern im Vorstand ein Unternehmen zum Abbau des Schienenverkehrs", so dass Regional- und Güterverkehr vernachlässigt wurden. Mit einem anderen Schienenkonzept müsse man die Bahn ertüchtigen, damit mehr Verkehr auf die Schiene verlegt werde.

Die meisten Straßen und Brücken seien nicht für die heute üblichen Mengen und Lasten über 40 Tonnen gebaut und gingen deshalb kaputt. Das Land lenke heute zwei Drittel der Mittel in den Erhalt der Infrastruktur, der Rest in einen "maßvollen Aus- und Neubau". Wenig genutzte Straßen könnten nicht gefördert werden, sagte der Minister an die Adresse des Lauterbacher Bürgermeisters Norbert Swoboda, der nach einer Förderung des Ausbaus der Straße nach Sulzbach gefragt hatte .

Er könne als Landesminister nicht immer sagen, was er als Grüner denke, verwies er auf ausfallende Steuereinnahmen durch die Subventionierung von meist schweren Firmenwagen. Mit SUVs erzielten die Hersteller die höchsten Renditen; diese Fahrzeuge dienten nicht einer nachhaltigen Mobilität, schon gar nicht, um Kinder im Kindergarten abzuliefern. Sein Premiumfahrzeug sei dagegen leicht, leise und fahre mit erneuerbarer Energie. Winfried Hermann: Ein 2,5-Tonnen-SUV für "180 Gramm Sitzfleisch" sei nicht angemessen.