Theaterring: "Deutschstunde" bietet konzentrierte Darstellung der Probleme der NS-Zeit

Ein sehr beeindruckender Theaterabend wurde wieder mal beim Theaterring mit der "Deutschstunde" geboten, nach dem Roman von Siegfried Lenz, Theater-Fassung und Inszenierung von Stefan Zimmermann und dem Ensemble a.gon München.

Schramberg (olo). 1968 veröffentlichte der Schriftsteller Siegfried Lenz seinen Roman "Deutschstunde" und stieß damit die internationale Diskussion an über Das Dritte Reich und über das Weiterleben des Geistes der Vergangenheit in der Gegenwart.

Mehr als 40 Jahre später entdeckte der Regisseur Stefan Zimmermann den Roman wieder neu und schuf mit allen Mitteln der Bühnenkunst ein Schauspiel, das dem Prosawerk keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, hier ist mit schlichtem Bühnenbild und gekonnten Darstellungsebenen eine konzentrierte Darstellung der Probleme dieser Zeit entstanden, keine neue Sicht der Nazizeit und des Nachkriegsdeutschlands, denn der sprachliche Erzählstil von Lenz trifft es bereits im Kern.

Aber die Bühnenfassung machte deutlich, dass die angesprochenen zwischenmenschlichen Verhaltensmuster eigentlich fast zeitunabhängig sind, dass sie damals wie heute in unserer Gesellschaft auftauchen können.

Geschichtlicher Hintergrund: Die massive Verfolgung von Künstlern, die den Richtlinien des Nazideutschlands nicht entsprachen, die "entartete Kunst" produzierten und daher 1943 mit Berufsverbot belegt wurden. Der Maler Max Ludwig Nansen (Max Volkert Martens) wird von Jens Ole Jepsen, Ortspolizist und Freund aus Jugendtagen (Stefan Rehberg), über das Malverbot durch die Nazis informiert und beharrlich verfolgt. Jepsen sieht als Vertreter des Staates darin seine Pflicht, diesen Befehl getreu auszuführen und streng zu überwachen. Nansen dagegen lebt in seiner eigenen Welt der Malerei und lässt sich dabei von den Zwängen des Regimes nicht umbiegen.

Gelungene Gegenüberstellung

Sehr gelungen immer wieder die Gegenüberstellung der beiden Kontrahenten, einst Jugendfreunde, aber jetzt Vertreter unterschiedlicher Lager, deren Interessen unvereinbar sind. Äußerlich erscheint Jepsen als Vertreter der Staatsmacht oft als der Überlegene, der angeblich "legitimiert" vor nichts zurückschreckt, innerlich ist aber der Künstler Nansen immer wieder stärker, der seine Bilder im Kopf und in der Fantasie unangetastet sieht und dadurch seine Persönlichkeit bewahren kann.

Mit raffinierten Auswegen wie von ihm benannte "ungemalte Bilder" und Übermalen alter Bilder entzieht er sich teilweise der Verfolgung und unterläuft das Malverbot. An der Seite der beiden Männer ihre Frauen, Ditte Jansen, die ihren Mann in seiner künstlerischen Arbeit bestärkt, und Gudrun Jepsen, eine mehr als linientreue Deutschnationale, die alles Fremde und Abartige zutiefst ablehnt.

Beide Figuren wurden von Nicole Spiekermann in Erscheinung und Sprache als perfekt von einander abgesetzte Doppelrolle dargestellt. Man konnte es fast als "zwei Seelen in einer Brust" interpretieren.

Zwischen diesen beiden familiären Fronten schließlich Siggi Jepsen, der Sohn des Polizisten, der eigentlich mehr dem Maler und dessen künstlerischer Freiheit zugeneigt ist. Florian Stohr verkörperte diesen jungen Mann, der als Kind schon unter dem fanatischen Pflichtbewusstsein seines Vaters seelisch und körperlich litt, unbeabsichtigt aber seinem "Onkel Nansen" großen Schaden zufügte. So konnte er den Brand mancher Bilder nicht verhindern.

Als nach Kriegsende die Wahnvorstellungen des unverbesserlichen Nazivaters nicht nachlassen, wird der Jugendliche Siggi zum Bilderdieb aus der fixen Idee, Gemälde vor der Vernichtung retten zu müssen. Er landet in der Erziehungsanstalt für schwer erziehbare Jugendliche, deren Direktor (Michael Althauser) ihm im Arrest als Strafe einen Besinnungsaufsatz schreiben lässt "Über die Freuden der Pflicht".

Aus dem anfänglich tagelang leeren Blatt wird letztendlich ein riesiger Stapel vollgeschriebener Hefte, in denen sich Siggi mit seinem Vater als Mensch und dessen "Pflichtauffassung" auseinandersetzt, die ihn in den Gefühlszwiespalt zwischen den beiden Männern brachte.

Schicksale zerbrechen an der Haltung der Eltern

Dabei erscheinen auch die Schicksale seiner Geschwister Klaas (Michael Gaschler) und Hilke (Lesley Higl), die beide an dem Regime, vor allem aber an der rigorosen Haltung der Eltern zerbrechen. Besonders erschütternd waren hier die Familienszenen, in denen Sohn Klaas als Deserteur, aber auch Tochter Hilke, die dem Maler einst als Modell gestanden hatte, von ihren Eltern fallen gelassen, sogar verstoßen werden.

Selbst als Maler Nansen nach dem Krieg internationale Ehren als Künstler erfährt, kann Jepsen nur verhalten gratulieren, ein Eingestehen eigener Schuld ist ihm nicht möglich.