Das alte Schramberger Krankenhaus  Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Schramberg. Die blaue Tür sieht noch genauso wie damals: Sie hat

Schramberg. Die blaue Tür sieht noch genauso wie damals: Sie hat keine Klingel – wie alle Türen dieses besonderen Hauses. Besonders zum einen, weil es das vor Jahren geschlossene Krankenhaus ist. Besonders aber auch, weil hinter dieser Tür ein Junge groß geworden ist, der heute einer der Chefredakteure des SZ-Magazins, der wöchentlichen Beilage der Süddeutschen Zeitung, ist: Michael Ebert.

"Die Heimkehr" nennt er den Beitrag, der in der jüngsten Ausgabe des Magazins veröffentlicht ist. Schon die Bilder – von Tanja Kernweiss – sprechen für sich: Ebert steht in der verlassenen Kantine im vierten Stock, stellt im ehemaligen Kinderzimmer fest, dass dort noch der selbe Teppichboden liegt wie vor 30 Jahren – ein Besuch in der eigenen Vergangenheit.

Ermöglicht hat ihm dies der Oberbürgermeister. Thomas Herzog hat dem Besucher von der Isar für ein paar Stunden die Schlüssel überlassen. Nun tastet er sich vor in das Gebäude, das ihn mit Gerüchen von Desinfektionsmittel und Linoleum empfängt. Es fällt ihm nicht schwer, diese blaue Tür zu finden. "… mit dem Aufzug ins erste Untergeschoss, durch den Heizungskeller, vorbei an der Tischtennisplatte, an der sich Assistenzärzte öde Dienststunden vertrieben, durch die schwere Brandschutztür, die Treppe runter, durch die Glastür" – so beschreibt Michael Ebert den Weg zu jenen 84 Quadratmetern, der ehemaligen Personalwohnung, seinem Zuhause bis in den Spätsommer 1995. Diese Wohnung hatten seine Eltern bekommen, weil seine Mutter Krankenschwester auf der Intensivstation war.

Das Licht geht noch an

Ein wenig erstaunt ist Ebert schon. "Das Licht geht noch an", schreibt er, berichtet von Blumen, die auf den Balkonen aus dem Beton wachsen und entdeckt, dass in einem Zimmer im obersten Stockwerk wohl Landstreicher "ein Feuerchen gemacht" haben und das Wasser rostrot aus dem Hahn fließt.

Ebert vergisst auch nicht die Bilder von damals zu erwähnen: "Die fahlgraue Haut der Sterbenden auf Station 4 West", den Klassenkameraden, "der vor Schmerzen in sein Knie biss, als er mit einem offenen Schienbeinbruch an mir vorbeigeschoben wurde". Da ist kleine Telefonzelle, in die er auswich, wenn seine Schwester stundenlang den Anschluss zu Hause blockierte, geblieben ist aber auch die Erinnerung an die kräftigen Schreie seines neugeborenen Neffen. Und für jene Leser, die mit der wechselvollen Geschichte des Krankenhauses nicht vertraut sind, liefert Michael Ebert auch ein paar erhellende Fakten.

Nach der Lektüre dieses nicht nur für Schramberger lesenswerten Textes kann man dem Autor durchaus zustimmen: Er bezeichnet seinen Beitrag als einen "Besuch bei den Geistern der eigenen Vergangenheit" – die er nicht nur hinter besagter blauer Tür angetroffen hat.