Den ersten Preis verlieh die Jury an Karlheinz Bux für seine "Ansichten". Was mit dem Werk nach der Schau passiert, ist offen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Sonderausstellung zum ersten Schramberger Kunstpreis geht zu Ende / Arbeiten polarisieren

Von Volker Rath

Schramberg. Eine Schwarzwaldstadt in den Augen zeitgenössischer Künstler: Noch bis Sonntag dauert die Sonderausstellung zum ersten Schramberg Kunstpreis. Die Arbeiten polarisieren. Mancher findet sie gut, andere können weniger damit anfangen.

Mit Aceton auf Film geätzt. Schwarz-Weiß-Kontraste. Zerstückelt und zusammengesetzt. Rechteckig, praktisch – gut? In seinen "Ansichten" geht Karlheinz Bux nicht grade zimperlich um mit Schramberg. Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten? Sieht mancher Betrachter des Werks möglicherweise nicht das zerschnittene "Ansichtskarten-Motiv", nicht das Trennende der Linien, sondern die Verbindungen, die sie herstellen. Zwei konzentrische Kreise ließen sogar die Assoziation von Uhrwerken anklingen, heißt es im Katalog zur Ausstellung, zwischen Arbeiterwohnblocks mit grauen Fassaden und Eternit-Wellplatten als Sichtschutz am Balkon sowie Baudenkmälern des 19. Jahrhunderts. So tickt Schramberg? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Es ist ja nur ein Standpunkt von vielen.

Der Jury gefiel das plakative Werk jedenfalls am besten. Bux ist Träger des 1. Kunstpreises der Stadt Schramberg. Das Preisgeld von 5000 Euro stammt übrigens von einem anonymen Mäzen. Die Stadt erlegte den Künstlern keine Denkverbote auf. "Die Schwarzwaldstadt Schramberg aus Sicht der zeitgenössischen Kunst", lautet das Motto. Und dafür haben die Organisatoren viel bekommen: teils verstörende Fotokunst, eine Videoinstallation, Skulpturen, Bilder, liebliche Ölmalerei, Collagen, verletzliche Arbeiten aus Papier.

Das Interesse der Künstler am Wettbewerb war riesig. 55 Bewerbungen praktisch aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland gingen ein. 20 Arbeiten von 23 Künstlern – darunter drei Zweier-Teams – schafften es in die aktuelle Sonderausstellung. Das gesamte erste Obergeschoss des Schlosses stellt die Stadt dafür zur Verfügung, insgesamt drei Räume, das "Balkonzimmer".

Zwei Aspekte scheinen zu dominieren: Industriekultur und Schwarzwald-Romantik. Sie bilden die Pole für viele Motive und die dafür ausgewählten Materialien: Technik und Tourismus, Heimeliges und Befremdliches, rostiger Stahl und Tannenholz-Bilderrahmen. Ein hartes Kontrastprogramm. Einerseits die irritierende Videoinstallation, eine Art rastlose Fahrt durch eine auf Konturen reduzierte Stadt, andererseits fast schon kitschige Kirschtorten-Seligkeit. Oder deren Verfremdung. Dabei werden auch falsche Klischees bedient, mit Bollenhut und Kuckucksuhren, für die Schramberg ja nun nicht gerade steht. Macht nichts, Kunst darf das, die Stadt tut’s ja auch. Andererseits hat die vermummte Schwarzwaldmarie mit tätowierten Armen und Knarre in der Hand auch was. Alles Ansichtssache. Und, ach ja, die Fasnet darf auch nicht fehlen.

Das öffentliche Interesse am ersten Kunstpreis? "Eher durchschnittlich besucht" sei die Sonderausstellung, sagt Ute Herzog vom Stadtmuseum. Der breiten Masse der Schramberger ist es wohl eher schnuppe, wie Fremde ihre Stadt sehen. Dabei äußerten sich einige Künstler angenehm überrascht von der Offenheit und Freundlichkeit der Schramberger, die sie auf der Straße trafen. Oder die Schramberger mögen es halt gegenständlicher. Bei Krippenausstellungen drängeln sich die Besucher vor der Tür, auch die aktuelle Ausstellung "Mein Kriegsende" im Schloss bewegt. Gut, den Massengeschmack bedienen nicht alle ausgestellten Werke der Sonderschau. Aber Liebhaber in der Stadt dafür gibt es schon.

Ein Teil der ausgestellten Arbeiten ist verkauft, darunter die Videoinstallation auf sechs PC-Bildschirmen. Ute Herzog findet sie klasse: "Das wäre auch ein gutes Image-Video für die Stadt." Was mit dem Werk des Siegers passiert, ist noch offen. Die Stadt hat es nicht angekauft und will es auch nicht tun, es sei denn, die Kunstausstellungskommission entschließt sich noch dazu.

Die Reaktionen im Besucherbuch gehen weit auseinander. "Richtig toll" finden es die einen, "spannend", ein anderer Gast war "durchweg begeistert" von der Qualität der Arbeit. Anderen fehlt "der Wow-Effekt". Thema verfehlt. In krakeliger Grundschülerschrift steht, dass die Arbeiten "nix für Kinder" und teils "gruselig" seien. Einem anderen geht wohl die Tristesse zu weit, die einige Arbeiten ausstrahlen: "Finger weg von meiner Seifenblase, Du Vollzeitpessimist." Auch ein kraftvoll-poetischer Blick auf die Stadt, ein liebevolles Bekenntnis zur Heimat, provoziert durch die Ausstellung. Was will Kunst mehr?

u  Die Sonderausstellung ist noch bis Sonntag, 7. Juni, im Schloss zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags bis samstags von 13 bis 17 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr. Führungen sind nach Vereinbarung möglich, Telefon 07422/2 92 68 oder 2 92 66.

Weitere Informationen: www.schramberg.de