Schreinermeister Ferdinand Reuter (1877 bis 1931) und seine Frau Rosa Reuter (1885 bis 1940) aus Schramberg. Rosa Reuter wurde 1940 in der Tötungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb ermordet. Foto: Stadtarchiv Schramberg Foto: Schwarzwälder-Bote

Dunkles Kapitel der NS-Zeit in Schramberg kaum erhellt / Zahl der belegten Fälle steigt

Schramberg. Zum internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus lädt die Stadt Schramberg in diesem Jahr am Montag, 30. Januar, in Kooperation mit "Gegen Vergessen – Für Demokratie" wieder zu einer Gedenkfeier und einer Vortragsveranstaltung ein, in der das Stadtarchiv Schramberg an das Schicksal der Euthanasieopfer erinnern wird.

Über die geistig Behinderten und psychisch Kranken aus der Stadt Schramberg und ihren heutigen Stadtteilen, die in der Zeit des Nationalsozialismus dem unter dem Begriff "Euthanasie" bekannten Massenmord an vollkommen hilf- und schutzlosen Menschen zum Opfer fielen, wurde in Schramberg bis vor wenigen Jahren geschwiegen. Auf keiner Gedenktafel sind ihre Namen zu lesen. Erst über 50 Jahre nach der Ermordung von über 70 000 Menschen in insgesamt sechs im Deutschen Reich eingerichteten Tötungsanstalten begann 1994 mit einem Vortrag des damaligen Geschichtsstudenten und heutigen Stadtarchivars Carsten Kohlmann bei der Initiative "Gemeinsam gegen Gewalt" die Erforschung der Schicksale dieser Menschen.

Nachdem zunächst drei Namen von Euthanasieopfern bekannt waren, nahm die Zahl der belegten Fälle durch Hinweise von Zeitzeugen, Forschungen von Familienangehörigen und die Entdeckung neuer Quellen kontinuierlich zu. Erst im 2011 wurde in einem alten Aktenhaufen im Feuerwehrgerätehaus mit einem "Verzeichnis der Geisteskranken etc. 1940" der städtischen Fürsorgeverwaltung beim Umzug des Stadtarchivs eine Schüsselquelle entdeckt. In dem Rechnungsbuch werden 31 Personen genannt, die von der Stadt Schramberg Fürsorgeleistungen erhielten. Bei 15 Personen ist klar ersichtlich, dass sie im Rahmen der "Euthanasieaktion" ermordet wurden. Nach derzeitigen Schätzungen dürften aus der Stadt Schramberg und ihren heutigen Stadtteilen zwischen 20 und 40 geistig Behinderte und psychisch Kranke ermordet worden sein.

In der Vortragsveranstaltung werden drei Einzelschicksale vorgestellt. Martin Arnegger aus Dunningen-Lackendorf spricht über Maria Mayer (1885 bis 1940), Harald Bargenda aus Schramberg über Maria Nagel (1903 bis 1940) und Erich Maier aus Schramberg über Karl Maier (1902 bis 1941).

Stadtarchivar Carsten Kohlmann wird in das Thema einführen und die Diskussion moderieren. Die Vortragsveranstaltung steht am Beginn eines Forschungs- und Dokumentationsprojekts, das zu einem Gedenkbuch für alle Euthanasieopfer aus Schramberg führen soll. Zur Mitarbeit eingeladen sind Lehrer und Schüler aller Schularten, die vom Stadtarchiv Schramberg unterstützt werden. Die Gedenkfeier bei den Mahnmalen für die Opfer des Nationalsozialismus und "Des Bruders Tod" am Mühlegraben beginnt um 17.30 Uhr. Die anschließende Vortragsveranstaltung im Lese-Café der Mediathek findet um 18 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.