5000 Bürger aus dem Stadtgebiet und seinem Umland strömten gestern Abend zur Kundgebung auf den Schramberger Rathausplatz. Foto: Wegner

Bürgerinitiative "Pro Region" will nicht klein beigeben. Kundgebung gegen Klinik-Schließung.

Schramberg - Aus Verbitterung wächst Solidarität: 5000 Bürger der Raumschaft machten gestern Abend vor dem Rathaus deutlich, dass sie sich von der Rottweiler Kreispolitik nicht mehr länger hinters Licht führen lassen wollen.Der Proteststurm gegen die Entscheidung des Kreistags zur drohenden Schließung des Schramberger Krankenhauses war deftig: Das Stadtzentrum erlebte die wohl mit Abstand größte Kundgebung der Neuzeit. Die Erwartungen der Veranstalter aus der taufrisch gegründeten Bürgerinitiative "Pro Region Schramberg" wurden bei weitem übertroffen. Sie waren von der Resonanz aus der Bürgerschaft der ganzen Region überwältigt. Zahllose Anwesende sorgten mit ihrem spontanen Beitritt zur Bürgerinitiative gleichzeitig dafür, dass die Initiatoren mit einer Eingabe beim Sozialministerium Baden-Württembergs Druck machen, um das Krankenhaus gegen den Willen der Kreistags-Mehrheit doch noch erhalten zu können.

Am Rednerpult vor dem Rathaus wurde Klartext gesprochen, der die Schärfe der zahllosen Leserbriefe mitnichten unterbot. Und an einem aufgebauten Protestzaun dürfen die Bürger ihren Frust weiterhin loswerden.

Überregionales Bürgerinteresse

Transparente mit Beispielen einer aus Bürgersicht verfehlten Politik des Landkreises gegen die Region Schramberg wetteiferten mit machtvollen Wortbeiträge. Der, nach allen Regeln der Wortkunst, zerpflückte Krankenhaus-Entscheid für Helios und gegen Schramberg war offensichtlich der Tropfen, der das Fass des Zorns gegenüber der Politik des Landkreises zum Überlaufen brachte.

Stadtrat Uli Bauknecht eröffnete als Moderator den massiven Rundumschlag gegen Landrat, Krankenhaus-Aufsichtsrat und gegen die Kreisräte, die am 28. Februar trotz möglicher Alternative "mit unfassbarer Gefühlskälte für den Abbau von 350 Arbeitsplätzen in Schramberg stimmten". Das überregionale Bürger-Interesse und Solidaritätsbekundungen selbst aus der Stadt Rottweil, seien Beweis dafür, dass das Vertrauen in die Obrigkeit nicht mehr vorhanden sei. Die Bürger bewiesen mit ihrer Anwesenheit, dass sie parteiübergreifend nicht mehr willens seien, der anhaltenden Benachteiligung der Raumschaft tatenlos zuzuschauen. Der Westteil des Landkreises müsse seine Anliegen selbst in die Hand nehmen, wofür ein aktuell gebildeter Initiativkreis in einmaliger Zusammensetzung ab sofort sorgen wolle. Vorrangiges Ziel dieser Bemühungen sei der Erhalt des Schramberger Krankenhauses.

Unternehmer Michael Melvin verwies auf das Recht des Bürgers und Steuerzahlers auf eine ordentliche medizinische Grundversorgung. Mit der Entscheidung gegen Ameos habe der Kreistag seinen wichtigsten Beschluss überhaupt in den Sand gesetzt. Nicht der Schramberger Protest verstoße gegen die demokratischen Grundsätze, sondern der durch "Filz, Klüngel und Mauschelei" zu Stande gekommene Beschluss. Schramberg solle nun den Preis für eine seit Jahren verfehlte Kreispolitik bezahlen, die anscheinend nur darauf ausgelegt gewesen sei, das Krankenhaus – trotz früherer schwarzer Zahlen – gezielt an die Wand zu fahren, um letztendlich unliebsame Konkurrenz loszuwerden. Melvin machte deutlich, dass die seit 2003 von OB Zinell an die Kreisverwaltung gerichteten dringenden Appelle zur Veränderung im Gesundheitswesen in Rottweil nur auf Ignoranz und taube Ohren gestoßen seien. Die daraus resultierenden gravierenden politischen Fehlleistungen seien für die strukturell seit Jahren benachteiligte Raumschaft nicht länger akzeptabel. Der Kreis habe den Mittelbereich Schramberg abgeschrieben, er verweigere sich einer Solidargemeinschaft und stelle sich damit in seiner Existenz selbst in Frage.

"Altar des Profits für Helios"

Als unfassbar bezeichnete Petra Neubert, Beschäftigte des Schramberger Krankenhauses aus Dunningen, den Beschluss des Kreistags zur Standortvernichtung, die von ihrem eigenen Heimatbürgermeister mitgetragen worden sei. Ein gefühlloser kommunaler Arbeitgeber habe kaltblütig gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen. Solange noch ein Fünkchen Hoffnung sei, arbeite das Schramberger Krankenhaus mit voller Kraft weiter, betonte Neubert. Mediziner Heiko Gertsch begrüßte die Zuhörer als "Mitmenschen" und erklärte ihnen überdeutlich, warum er sich "diesem Landrat und diesem Kreis", egal wie die Entscheidung am Ende ausfalle, nicht mehr als Leitender Notarzt zur Verfügung stellen könne. Mit ihrem "unsauberen Verfahren" verspielten die Beteiligten sein Vertrauen, so Gertsch, weil es ihnen nur darum gegangen sei, Schramberg auf dem Altar des Profits für Helios zu opfern.

Oberbürgermeister Herbert O. Zinell skizzierte noch einmal die Notwendigkeit einer wohnortnahen medizinischen Versorgung. Der Kreis habe alle Mahnungen und Vorschläge ignoriert und einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Region Schramberg dürfe sich durch die verfehlte Strukturpolitik nicht weiterhin in die Ecke drängen lassen, sonst werde der finanzielle Bumerang eines Tages herb zurückschlagen. Schrambergs Hoffnung beruhe nun darauf, dass die Gerichte das zu Wege brächten, wozu die Politik nicht im Stande gewesen sei.