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Schopflocher Weltmarktführer krempelt Betrieb komplett um – und fährt voll auf Wachstumskurs.

Schopfloch/Freudenstadt - Freudenstadt und die Homag Group AG in Schopfloch haben derzeit einiges gemeinsam: das jeweilige Zentrum, in dem wichtige Nervenbahnen verlaufen, gleicht einer Großbaustelle. Aber die Aussichten auf das Ergebnis trösten über alle Mühen und Umstände hinweg. Kleiner Unterschied: Homag hat schon früher angefangen mit dem Umbau der Unternehmensgruppe und sieht schon Früchte der Arbeit. Der Promenadeplatz in Freudenstadt, durch den sich die Aktionäre am Mittwoch zur Hauptversammlung im Kur- und Kongresszentrum zuletzt auch noch durchkämpfen mussten, wird erst aufgerissen. Aber die Anteilseigner sind trotzdem gut angekommen und pünktlich da, 78 Prozent des Grundkapitals vertreten. Was sie von Vorstand und Aufsichtsrat zu hören bekommen, stimmt zuversichtlich. Es läuft bei Homag. Es läuft sogar sehr gut.

Vorstands-Chef Pekka Paasivaara gibt dem Publikum rund 20 Minuten lang Einblick in die Entwicklung der Homag Group AG im vorigen Jahr und in die Strategie. "Gleich vorweg: Es war ein erfolgreiches Geschäftsjahr, in dem wir viel erreicht haben", so Paasivaara. Auftragseingang im Plus, Umsatz im Plus, Gewinn vor Steuern im Plus, und auch die Zahl der Mitarbeiter wuchs um vier Prozent auf jetzt 6126. Dass die Märkte in den aktuellen politischen Sorgenländern Russland und Türkei für den Hersteller von Maschinen und Anlagen für die holzverarbeitende Industrie nachgaben – nur eine Randnotiz. Zuwächse in anderen Märkten glichen das mehr als aus. "Wir konnten neue Rekordwerte erreichen, mit zweistelligen Wachstumsraten bei Auftragseingang und Ergebnis", erklärt Paasivaara mit stoischer Miene, "wir sind noch internationaler geworden und haben unsere Marktposition als klare Nummer eins verstärkt." Die Aussichten für 2017 sind heiter: Aufträge im Wert von über 500 Millionen Euro seien im ersten Quartal eingegangen, ebenfalls neuer Spitzenwert in der Firmengeschichte.

Entsprechend milde fallen die Nachfragen der Anleger aus. Hardy Hamann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagt, er sei "zwar kein Zahlenfetischist", er finde den Geschäftsbericht aber "mittlerweile etwas dünn". Er hätte gerne etwas mehr Informationen gehabt, etwa Vergleiche zu Vorjahreszahlen. Das Ergebnis der Gruppe sei "erfreulich", könne aber gerne in Zukunft auch "ein tolles" werden. Homag sei im Dürr-Konzern "in guten Händen". Er hätte gerne vom Vorstand Umsatzprognosen, auf die man ihn später festnageln kann. Und die Dividende hätte auch etwas üppiger ausfallen dürfen als die gesetzliche Mindestvorschrift. Andererseits sei die Kursentwicklung der Homag-Aktie ja "hocherfreulich". Gnadenlose Nachfragen sehen anders aus.

12.30 Uhr, die Luft im Saal wird langsam stickig. Eine Homag-Mitarbeiterin kann sich ein Gähnen nicht verkneifen. Es läuft, wirtschaftlich, und auch aus der Versammlung droht keine Revolution. "War auch schon anders in der Vergangenheit", sagt eine Zuhörerin, die schon seit Jahren die Versammlungen besucht.

Dabei krempelt das Management den Weltmarktführer derzeit kräftig um. Die Führungsmannschaft wurde runderneuert. Oder wie es Pekka Paasivaara formuliert: Homag sei "bei der Integration hin zu einem integrierten Konzern gut vorangekommen". Alle Produktionsstätten fertigen nur noch "unter der einen starken Marke" Homag. Die einzelnen Werke, die früher "recht eigenständig agiert" hätten, arbeiten nun "gezielt im Verbund" und nach einheitlichen Standards. Das versetzt Homag in die Lage, Produkte in verschiedenen Werken herzustellen und "notwendige Verlagerungen" schnell vorzunehmen. Das ermögliche eine bessere Auslastung der Werke. Außerdem fertige Homag damit näher bei den Kunden. Die Entwickler könnten künftig auf einheitliche Plattformen zurückgreifen. Somit bringe Homag neue Produkte schneller auf den Markt und behalte gleichzeitig "die Kosten im Griff". Der Kunde genieße den Vorteil, passgenaue und komplette Anlagen "aus einer Hand" zu bekommen, inklusive der Software. Hier sei Homag mit einem Weltmarktanteil von rund 30 Prozent einzigartig.

Der Vorstand kündigt Produktoffensive an

An Neuheiten haben die Schopflocher einiges in der Pipeline. Paasivaara kündigte "Ergebnisse" an, die teils schon auf Messen vorgestellt und bei den Kunden auf Zustimmung gestoßen seien. In Forschung und Entwicklung fließe viel Geld, die "Innovationsoffensive" sei bereits angelaufen. Große Themen seien die per Internet vernetzte Produktion, Stichwort Digitalisierung ganzer Produktionen und Industrie 4.0. Hier trete Homag bereits in "Stufe zwei" ein und wolle damit nicht nur Marktführer bleiben, sondern den Markt weiter vorantreiben. Ein Beispiel: Nach Serbien lieferte Homag eine Anlage, mit der der dortige Hersteller von Einbauküchen seine Kunden innerhalb von 48 Stunden beliefern könne – nach der Planung der individuellen Küche am Computer. Nichts mehr mit vier Wochen Wartezeit.

Küchenlieferung erfolgt in 48 Stunden

Wie reagieren die Mitarbeiter auf solche Umwälzungen, wollte DSW-Vertreter Hamann wissen. "Sehr positiv", antwortete Carmen Hettich-Günther, Aufsichtsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzende bei Homag. Sie sei seit 26 Jahren im Betrieb und habe "schon einiges erlebt". Der neue, auf zwei Mitglieder verschlankte Vorstand mit aufgewerteter zweiter Führungsebene darunter komme gut an bei der Belegschaft. Auch die gute Geschäftsentwicklung stimme positiv. "Die Mitarbeiter haben den Eindruck, es weht ein frischer Wind", so Hettich-Günther, "die Firmenkultur wird als besser wahrgenommen. Außerdem hat die Geschäftsführung offene Ohren für das Wissen und die Erfahrung der Belegschaft."

Sind Zukäufe weiterer Unternehmen geplant, will Aktionär Martin Bündele wissen. Der Vorstand hält sich bedeckt. Man sei "grundsätzlich aufgeschlossen", wenn sich "interessante Angebote" auftäten. Und die Marge werde sich auch wieder verbessern, wenn die Kosten für den Umbau der Gruppe erst mal wegfielen.

Da es so glatt läuft, kann der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Ralf W. Dieter, auf die angenehmen Seiten der Veranstaltung hinweisen: "Ich gebe zu bedenken, dass das Mittagessen seit sieben Minuten auf dem Tisch steht. Ich weiß nicht, was es gibt." Gelächter im Kienbergsaal. Weitere Fragen? "Ich stelle fest: Keine weiteren Fragen", so Dieter. Da hatten sich die Stuhlreihen schon gelichtet, für den Kampf am Büfett.

Zur Person

Carlo Crosetto , Jahrgang 1971, ist neues Mitglied im Aufsichtsrat der Homag. Er rückt für Ralph Heuwing nach. Crosetto gehört seit 1. März dem Vorstand der Dürr AG an. Er studierte Business Administration in London und startete seine Karriere 1993 im Daimler-Konzern.

Er hatte dort verschiedene Positionen im Top-Management inne und war vor allem in Asien tätig. 1998 legte er neben dem Beruf den Masterabschluss ab. 2010 war er bei der RMA-Group tätig, bis Ende 2016 als Finanzvorstand. Er ist seit diesem Jahr ferner Aufsichtsrat der Carl Schenck AG in Darmstadt und der Dürr Systems AG in Stuttgart. Der gebürtige Italiener sagte, er fühle sich im Ländle heimisch und sei mit einer Badenerin verheiratet.