Seit einem halben Jahr lebt der 37-jährige, ehemalige Star der Nordischen Kombinierer Georg Hettich aus Schonach nun in Tuttlingen. Foto: Krauss Foto: Schwarzwälder-Bote

Porträt: Georg Hettich lebt inzwischen in Tuttlingen / Einstiger Star der Nordischen Kombinierer

Von Sabine Krauss

Olympisches Gold in den Händen zu halten, ist den allerwenigsten Menschen vorbehalten. Einer, der diesen seltenen Höhepunkt erlebt hat, ist Georg Hettich aus Schonach.

Schonach/Tuttlingen. Am 11. Februar 2006 holte sich der Nordische Kombinierer bei den olympischen Winterspielen in Turin im Einzel-Wettbewerb überraschend Gold, gefolgt von Silber mit der Mannschaft und Bronze im Sprint. Seit einem halben Jahr wohnt der 37-Jährige aus Schonach im Schwarzwald nun in Tuttlingen – und übt sich hier in einer ganz anderen Rolle, fernab des Spitzensports: als Erwerbstätiger und Familienvater.

"Jede Zeit hat ihren Inhalt und das ist auch gut so." Der durchtrainierte, schlanke Mann, ist in der Donaustadt im normalen bürgerlichen Leben angelangt. Seit Anfang Oktober arbeitet der 37-Jährige bei der Firma Aesculap, wo er im Entwicklungs-Bereich für Hüftrevisionsprothesen tätig ist. Abseits von Skisprung und Langlauf forscht er nun nach Optimierungsmöglichkeiten, wenn künstliche Gelenke nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden müssen, wenn Knochen sich zurückbilden und das neue Gelenk nicht richtig halten will. "Es ist ein spannendes Gebiet, in dem noch viel Forschungs- und Entwicklungsbedarf steckt", sagt er.

Dass Hettichs Wege nach Tuttlingen führten, lag schlicht am Arbeitgeber: "Ich wollte in eine Firma mit einer großen und guten Entwicklungsabteilung", erklärt er. Nie sei es sein Wunsch gewesen, etwa als Trainer in der Nordischen Kombination einzusteigen oder andere Richtungen im Sportbereich einzuschlagen. "Mein Wunsch war es, etwas mit Forschung und Entwicklung zu machen", sagt er, "für mich war es immer wichtig, mich auch außerhalb des Sports zu entwickeln." Nach seiner Promotion im vergangenen Jahr schickte er eine Initiativbewerbung los – und wurde prompt genommen. Eine bestehende Abteilung, aber ein neues Projekt: "Es macht wirklich Spaß und in der Firma fühle ich mich sehr willkommen", zieht der neue Aesculap-Mitarbeiter ein erstes Fazit.

An der FH Furtwangen hatte er in den Jahren zuvor Medical Engineering studiert – parallel zu seiner Karriere als Spitzensportler. "Im Sommersemester habe ich studiert, im Wintersemester war ich Profisportler und habe ein Urlaubssemester eingelegt", beschreibt er seine duale Karriere. "Das war eine gute Kombination", meint er lachend. An der Uni Freiburg promovierte er anschließend zum Thema Gleichgewichtskontrolle – genauer gesagt darüber, wie das Gleichgewicht im Gehirn geregelt wird.

Mit seiner Frau Birgit und dem dreijährigen Sohn Hannes wohnt Georg Hettich nun in der Tuttlinger Nordstadt. Etwas anders als in Freiburg, wo er die vergangenen Jahre lebte, sei es hier schon, gibt er zu. "Aber ein Kulturschock war es nicht, ich stamme ja schließlich auch aus einem kleinen Ort", meint der gebürtige Schonacher. Auch wenn die Zeiten des Spitzensports hinter ihm liegen – es gibt Grundsätzliches, das einfach erhalten bleibt. Viel zu trinken etwa, Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen und überhaupt regelmäßig Sport zu treiben.

Apropos Sport: "Früher war der Sport mein fester Rahmen". Zwei Einheiten täglich und das sechs Mal pro Woche – "als ich dann nach meinem letzten Weltcup im März 2010 mit der Doktorarbeit angefangen habe, war das ein krasses Gegenprogramm", erinnert er sich an die vielen Stunden zurück, die er sitzend verbringen musste.

Heute ist er froh, wenn er neben seiner Arbeit und der Familie zwei bis drei Mal pro Woche Zeit findet, um Sport zu treiben. Skaten, Joggen, Radfahren, ab und an eine Skitour – "und im Frühjahr freue ich mich darauf, die Gegend mit dem Rennrad kennenzulernen."

Was dem einstigen Olympiasieger auffällt, ist, dass er von vielen Tuttlingern erkannt wird. "Hier sprechen mich deutlich mehr Menschen an, als früher in Freiburg", hat er schon festgestellt. "Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier sehr mit dem Wintersport verbunden sind und sich dafür interessieren."

Dabei fehle ihm das Rampenlicht überhaupt nicht. "Als Nordischer Kombinierer steht man ohnehin nicht so sehr in der Öffentlichkeit", meint er, "andere Sportarten sind da populärer". Ganz abgewandt hat er sich von der Nordischen Kombination allerdings nicht, denn ab und an ist er noch als Experte für die ARD im Einsatz, wenn Fabian Rießle, Eric Frenzel und Co. ihr Können zeigen. "Da bin ich derjenige, der aus dem Hintergrund dem Kommentator während des Gesprächs sagt, was er sagen und fragen soll", sagt er lachend.

In der Nordischen Kombination: Olympia Turin 2006: Gold im Einzel, Silber im Team, Bronze im Sprint. Olympia Salt Lake City 2002: Silber im Team. WM Oberstdorf 2005: Silber im Team. WM Val die Fiemme 2003: Silber im Team. Weltcup 1999 bis 2006: 4 x 2. Platz, 7 x 3. Platz. Winter-Universiade (Studenten-WM) Seefeld 2005: Gold im Einzel. Deutsche Meisterschaften: Winterberg 2006 Gold im Einzel, Oberstdorf 2005 Gold im Einzel. Sommer Grand Prix: Hinterzarten 2008, 1. Platz, Oberhof 2005 1. Platz, Winterberg 2002 1. Platz. Nach Ende der Weltcupsaison 2009/10 beendete Hettich seine Karriere. Seine letzte Weltcupteilnahme: 14. März 2010 in Oslo.