Fußball: Alexander Fischinger zum zweiten Mal Bundesliga-Trainer der Frauen  / Ungewöhnliche Karriere

Fußball ist sein Leben. Ohne diesen Sport würde ihm etwas fehlen. Auch wenn er selbst nicht mehr spielen kann, dreht sich bei Alexander Fischinger fast alles um das runde Leder. Kein Wunder: Der Schonacher trainiert die Frauen-Bundesliga-Mannschaft des SC Sand.

Von Christel Börsig-Kienzler

Schonach. Wie es dazu kam? Dieter Wendling, der sportliche Leiter des SC Sand, rief bei ihm Ende Juli an und bat ihn um Hilfe. Der Grund: Der bisherige Trainer Sven Kahlert hatte die 2014 in die erste Bundesliga aufgestiegenen Frauen nach fünf Wochen Vorbereitung von heute auf morgen verlassen. "Da konnte ich nicht nein sagen, obwohl ich eigentlich aus privaten, terminlichen Gründen eine längere Pause einlegen wollte", verrät Alexander Fischinger. Nur drei Tage hatte er Zeit, sich zu entscheiden, sich mit seiner Frau Claudia zu besprechen und einen Ersatz für ihn in der von ihm mitgeführten Freiburger Fußballschule Alitom zu finden.

Ein weiteres Problem war, dass Fischinger und die 22 Spielerinnen des SC Sand nur zehn Tage bis zum Saisonstart blieben. "Das war eine riesige Herausforderung für mich, zumal ich nur drei der Frauen von meiner bisherigen Trainerlaufbahn her kannte", erzählt der Schonacher. Er räumt ein, dass die ersten beiden Tage im einwöchigen Trainingslager schwer waren. Die Spielerinnen waren vom plötzlichen Weggang seines Vorgängers noch schockiert, frustriert. "Wir mussten uns erst zusammenraufen, zusammenfinden, danach ging es aufwärts. Als spielfreudige, schlagkräftige Mannschaft, sind wir nun erfolgreicher als viele Fußballexperten vor Saisonbeginn uns zugetraut hätten", plaudert Fischinger aus dem Nähkästchen.

Sensationeller Sieg über Potsdam und Wolfsburg

"Gleich im ersten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen haben wir 4:0 gewonnen. Damit hatte keiner gerechnet. Im zweiten Spiel gegen Essen verloren wir unglücklich 1:0. Im dritten Heimspiel gegen Hoffenheim unterlagen wir 2:0. Hierauf taten die Experten unseren ersten Sieg als Eintagsfliege ab", resümiert Fischinger. "Zwischendurch gewannen wir zwei Pokalspiele gegen Zweitligamannschaften. Das war gut für unsere Psyche, denn dann ging das Unglaubliche los. Beim vierten Spiel in Potsdam gewannen wir in der Höhle des Löwen sensationell 2:0. Es war eine super Stimmung."

Damit war dem Sportclub aus der Ortenau der größte Coup gelungen. Mit seinem überraschenden Sieg beim 1. FFC Turbine Potsdam schlug der SC Sand erstmals in seiner kurzen Ligazeit einen der großen Vereine, eine zu dem Top-Teams der Liga zählenden Mannschaft – und das auswärts. Damit hätten die Frauen aus Sand im Traum nicht gerechnet. Auch Fischinger nicht. Die Augen des sympathischen Cheftrainers leuchten heute noch, wenn er von "dem grandiosen Erfolg" erzählt. "Meine Spielerinnen haben das super gemacht, sind derzeit bundesweit die Sensation im Frauenfußball. Die Arbeit mit ihnen macht mir Riesenspaß", sprudelt es aus Fischinger heraus. "Es ist ein tolles Team. Wir harmonieren gut. Es passt alles und läuft super. Bisher habe ich meine Entscheidung nicht bereut."

"Die eigentliche Sensation gelang uns in Wolfsburg", so Fischinger weiter. "Der VfL, zweifacher Championsleaguesieger, Deutscher Vizemeister und Deutscher Pokalsieger, der schon alles gewann, was es im deutschen Fußball gibt, und 45 Mal hintereinander nicht mehr verloren hatte, wurde von uns 1:0 besiegt. Seither seht fest: Wir als kleiner Dorfverein aus dem Südwesten mit beschränktem Etat und jungem Team mit Spielerinnen aus neun Nationen können mit den vier etablierten großen Spitzenvereinen erstmals mithalten", jubelt Fischinger.

Top-Spiel am Sonntag gegen Bayern München

Entsprechend groß ist derzeit auch das Medieninteresse an den Spielerinnen und ihrem Cheftrainer. Er blickt "völlig relaxt" auf die nächsten Spiele. "Bis zum Saisonende im Mai brauchen wir 22 Punkte. Wir haben jetzt schon 13 nach sieben Spieltagen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir unser höchstes Ziel, die Klasse zu halten, schaffen."

Doch zunächst gilt es für den Drittplatzierten hinter Wolfsburg das anstehende Top-Spiel gegen den Erstplatzierten FC Bayern München im Stadion an der Grünwalder Straße gut zu meistern. Anpfiff ist am Sonntag, 15. November, um 14 Uhr.

Es werden an die 5000 Zuschauer erwartet. "Darunter werden auch Fußallfans aus Sand und meinem Heimatort Schonach sein", freut sich Fischinger. Der Fanbus fährt am Sonntagmorgen um 6 Uhr in Sand los. Das Top-Spiel der Woche samt Interviews mit den Trainern wird auf Eurosport und DFB-TV live übertragen. In der Halbzeitpause werden die Begegnungen des Pokal-Viertelfinales gezogen. Die jüngste Top-Spiel-Liveübertragung im Fernsehen verfolgten über 280 000 Frauen-Fußball-Begeisterte.

"Für uns ist es das Größte, gegen München zu spielen, egal was passiert. Insgeheim hoffen wir natürlich auf eine weitere Sensation", verrät Fischinger, der sich die Siegeswelle selbst nicht genau erklären kann. Der Erfolg kommt aber nicht von ungefähr. Siebenmal pro Woche trainiert er mit den Spielerinnen, unter denen sich 16 Profis befinden. "Sie kennen auch schon den Motivationssong ›Der Flieger‹ von den Schonacher Wombats", erzählt Fischinger und lacht. Er freut sich bereits auf das Wiedersehen mit Schonachern in München und beim Heimspiel gegen Freiburg am 22. November in Sand.