Der Künstler Wilfried Koch vor einem seiner zahlreichen Werke. Foto: Redaktion Villingen

Heimatgeschichte: Katharinenhöhe profitiert heute von einem vor 70 Jahren gegebenen Versprechen

Schonach -  Ein gegebenes Versprechen sollte man halten. Täglich werden Zusagen gemacht, die oft nicht eingehalten werden. Doch es geht auch anders. Das beweist eine kuriose Geschichte, die sich im Nachkriegsjahr 1947 in der Metzgerei Hepting in Schonach ereignete. Da in dieser Zeit alles knapp war, wurden auch die Lebensmittel streng reglementiert und so durfte auch die Metzgerei Hepting die begehrte Ware nur gegen Vorlage einer Lebensmittelkarte ausgeben.

Unlängst wurde nach 70 Jahren ein Versprechen eines damals jungen Mannes eingelöst, der "beim Hepting", trotz unzureichender Lebensmittelmarken, Fleischwaren für die Silberhochzeit seiner Eltern einkaufte. Und zwar bei Emma Hepting, der Großmutter des heutigen Geschäftsinhabers. Diese bestand jedoch im Scherz darauf, dass der jugendliche Kunde als Dank in besseren Zeiten, doch ein halbes Schwein kaufen könne, was dieser gerne versprach. Dies ist nun in anderer Form geschehen. Nutznießer dieser späten "Entschuldung" ist die "Katharinenhöhe", denn Metzgermeister Wolfram Hepting nahm zwar das angebotene Geld dankend an, spendete jedoch die 200 Euro, welche heutzutage in etwa einer halben Schweinehälfte entsprechen, der Kinderkrebsnachsorgeklinik.

Zu dieser Geschichte erreichte unsere Redaktion folgender Brief des jetzt 88-jährigen Wilfried Koch aus Rietberg in Ostwestfalen mit der Überschrift "Das halbe Schwein von Schonach".

Koch: "Diesem Brief geht eine Geschichte voraus, die sich 1947, also vor 70 Jahren ereignete. Unsere fünfköpfige Familie war wegen des Bombenkrieges von Duisburg nach Schonach evakuiert worden. Wir wohnten im Untertal in dem Vorgängerbau des Wohnhauses vom Steinmetz Fries. Genau auf der Stadtgrenze zu Triberg. Das Haus hieß zu Recht ›Alte Stütze‹. Nicht nur das: Über der Steinmetzwerkstatt, die an das Haus angebaut worden war, gab es zwei Räume, in Wahrheit Holzkisten ohne Gas, Wasser, Licht. Insgesamt Garagengröße. Dort waren wir untergekommen. Vater baute Strom und Gas ein. Wasser gab’s in der Waschküche. Hier pflegte der ›ganz alte‹ Castellazzi im 19. Jahrhundert den Hafervorrat für seine Pferde aufzuheben. Die brachten die Granitsteine des nahen Steinbruchs zu Baustellen der Schwarzwaldbahn. Des Abends gingen wir drei Kinder einzeln zum Schlafen in die Nachbarhäuser von Spath, Dold und Tritschler. Bei uns war kein Platz. Ich glaube, wir waren arm.

1947 feierten unsere Eltern ihre Silberne Hochzeit. Es gab noch Lebensmittelkarten. Ich ging bergauf und nach Schonach hinein zur Metzgerei Hepting. Die Großmutter des jetzigen Eigentümers war ihrer menschlichen Güte wegen längst eine Legende geworden.

Von meinem Zettel las ich ab, was ich kaufen sollte, um Gäste zu bewirten, und die Abschnitte der Fleischkarte reichten nicht. Ich muss wohl verzweifelt geguckt haben, vielleicht auch voll stiller Hoffnung. Jedenfalls sagte die gütige Frau hinterm Glastresen lachend: ›Ich geb dir einfach, was ihr braucht. Und wenn alles vorbei ist, kaufst du uns mal ein halbes Schwein ab.‹ Das war ein Scherz. Denn ›alles‹ und ›vorbei‹ war eine unabsehbare Zukunft ohne die barbarische marokkanisch-französische Besatzung und ohne Hunger. Es reichte aber für das Fleisch zur Silbernen Hochzeit. Es blieb keine Schuldigkeit außer den Fleischmarken. Und dass wir später ein halbes Schwein bezahlen könnten, war genauso unsicher. Wir verehrten Frau Hepting, und ich verehre sie heute noch.

Als es uns allen besser ging, erinnerte ich mich immer und immer wieder an das Gespräch mit Frau Hepting und an das halbe Schwein. Aber wir hatten Schonach längst verlassen, und unsere Studien- und Arbeitsplätze waren weit entfernt. Unlängst und nach vielen Jahren besuchten wir die drei überlebenden Wisser-Töchter in Schonach und auf einem kleinen Umweg Herrn Hepting in seinem Metzger-Laden. ›Guten Tag, bitte seien Sie nicht beunruhigt, wenn hier zwei Leute kommen und fragen, was ein halbes Schwein kostet.‹ Er fasste sich schnell und gab Antwort: ›150 bis 200 Euro.‹ Ich fragte weiter: ›Und kennen Sie hier in Schonach eine Institution, der man damit ein bisschen helfen könnte?‹ Er nannte uns die Reha-Klinik Katharinenhöhe in Furtwangen. Dann erzählte ich meine Geschichte und dass ich sie jetzt zum guten Ende bringen wollte. ›Ich bin froh, dass ich’s noch erleben darf, denn mit 88 sollte man nicht mehr allzu weit vorausplanen müssen.‹

Wir spürten in der Kürze der Begegnung bei Herrn Hepting eine Ausstrahlung, wie ich sie meiner Frau von seiner Großmutter berichtet hatte. Die 200 Euro haben wir auf Wunsch von Herrn Hepting – und nur für ein halbes Schwein – nun direkt an die Nachsorgeklinik überwiesen, von der wir erfuhren, dass die Krankenkassen-Pflegesätze bei Weitem nicht ausreichen."

Der im Jahr 1947 damals 18-jährige Wilfried Koch aus Rietberg in Ostwestfalen, hat sich im Lauf seines Lebens zu einer bekannten Persönlichkeit entwickelt, die weit über die Grenzen Deutschlands in künstlerischer wie kunsthistorischer Hinsicht bekannt wurde. Koch schlug bereits mit 17 Jahren seine künstlerische Laufbahn ein.

Er begann in Frankfurt seine Ausbildung im Porträtfach und setzte die Studien für freie Malerei an der Kunsthochschule in Stuttgart fort. Hier besuchte er auch die grafische Fachhochschule und gestaltete für mehrere Verlage Bucheinbände- und Illustrationen. Als außerordentlich erfolgreicher Kunsthistoriker veröffentlichte Koch sein Buch "Baustilkunde", welches in 21 Sprachen übersetzt wurde, darunter auch ins Chinesische. Dieses Buch ist im Lauf der Jahre zu einem konkurrenzlosen internationalen Standardwerk geworden und wird in Fachkreisen als "Der Koch" gehandelt. Außerdem hat sich der äußerst vielseitige Mann auch als Maler, Grafiker, Lehrer, Musiker, Belletrist und als Bildhauer einen Namen gemacht. Seine an sich selbst gestellten Ansprüche sind sehr hoch, denn Koch beschreibt seine Begabungen und Tätigkeiten wie folgt: "Was immer ich auch künstlerisch und wissenschaftlich unternehme, ich mache es mit professionellem Anspruch an mich und natürlich in Erwartung einer ebenso professionellen Kritik."

Im Jahr 2007 gründete Koch zusammen mit seiner Ehefrau die "Dr. Wilfried und Hilde Koch Stiftung", in der 19 Großskulpturen, sieben Kleinplastiken, 80 Gemälde und mehr als 600 Zeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten.