Eine kleine Orgel aus der evangelischen Kirche Schömberg wird fertiggemacht für eine sechsstündige Fahrt in die neue Heimat Pflügkuff bei Treuenbrietzen, 80 Kilometer südlich von Berlin. Foto: Fisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Schömberger Orgel als Weihnachtsgeschenk für Kirchengemeinde in Pflügkuff bei Berlin / Besondere Geschichte

Von Andrea Fisel

Schömberg. Wer in diesen Tagen nach Weihnachten die kleine Dorfkirche in Pflügkuff betritt und mit ungewöhnlichen Orgelklängen überrascht wird, der beginnt vermutlich an Wunder zu glauben.

"Ich empfinde es tatsächlich als Wunder, dass eine Orgel aus Schömberg über Jerusalem nach Pflügkuff gelangen konnte", gesteht Bernd Brandl, erster Vorsitzender des evangelischen Kirchengemeinderats Schömberg. Wie es zu dieser Schenkung kam und warum ausgerechnet ein Instrument aus dem Nordschwarzwald sich auf die Reise in ein Gotteshaus im Kirchenkreis Beelitz-Treuenbrietzen etwa 80 Kilometer südlich von Berlin machte, das ist in der Tat eine außergewöhnliche Geschichte.

Eigentlich begann alles mit der Plünderung der historischen, aus massiven Feldsteinen im Zeitraum von Ende des 13. bis Anfang des 14. Jahrhunderts gebauten Pflügkuffer Kirche gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Metall war zur damaligen Zeit Mangelware und wurde dringend für die Herstellung von Waffen benötigt. So wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alle wertvollen Metallteile aus der kunstvoll gestalteten Orgel herausgerissen und von Militärfahrzeugen abtransportiert. Zurück blieb ein leerer, seines wertvollen Inhalts beraubter Torso. 70 Jahre verharrte die Dorfkirche in diesem Zustand, da religiösen Belangen in der nachfolgenden Zeit unter einem kommunistischen Regime keinerlei Beachtung und schon gar nicht finanzielle Mittel zugebilligt wurden.

Im März 2014 befand sich eine Gruppe der evangelischen Kirchengemeinde Schömberg unter Leitung von Pfarrer Johannes Luithle auf einer Reise durch Israel. Eine Besichtigung der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg stand an jenem denkwürdigen Tag auf dem Programm. Just zu diesem Zeitpunkt arbeitete dort ein Orgelbaumeister, der eigens aus Berlin angereist war, um das seltene Instrument auf der Empore wieder instand zu setzen.

Im Gespräch mit ihm wurde dann beiläufig erwähnt, dass in der Heimatkirche in Schömberg eine kleine Orgel stünde, die niemand mehr benützen würde. Vielleicht kenne der Orgelbaumeister eine Gemeinde im Osten Deutschlands, die solch ein kleines Instrument brauchen könne, so die Frage an ihn. Der Orgelbauer aus Berlin bestätigte, dass es im Osten noch manche Kirchengemeinde gebe, die gerne solch ein Instrument nutzen würde. Dann wurden Adressen ausgetauscht, später Fotos der Orgel und ihre genauen Maße versandt. Lange hörten die Schömberger nichts mehr aus Berlin. Die Sache schien vergessen.

Besagte Orgel stammte aus einem ehemaligen Andachtsraum der heutigen Schwarzwald-BfA-Rehaklinik. Da sie dort nach Besitzerwechsel und Umbau nicht mehr benötigt wurde, wanderte sie als Schenkung in die Schömberger Kirche. Dort wurde sie anfänglich noch für kirchenmusikalische Anlässe verwendet, seit Jahren stand sie jedoch nur noch ungenutzt im hinteren Teil des Gebäudes. Längst hatte der Kirchengemeinderat den Entschluss gefasst, das Instrument zu verschenken, möglichst an eine Institution oder Gemeinde, die solch eine Orgel auch sinnvoll wieder zum Erklingen bringe. Aber niemand in Schömberg oder Umgebung wollte die Orgel haben. Zu kostspielig seien Reparaturen und die regelmäßige Wartung, lautete immer wieder die Begründung.

Doch dann kam im November 2014 von Orgelbaumeister Nass in Berlin die Nachricht, er habe eine kleine Gemeinde mit einer Kirche gefunden, die gerne die Orgel übernehmen würde. Der Kirchengemeinderat in Schömberg stimmte dieser Lösung zu, denn nun war klar, dass die Orgel wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden konnte. Jetzt rückten Orgelbaumeister Jörg Stegmüller aus Wilhelmshorst bei Potsdam samt Fahrer und Orgelschüler Peter Dohnt aus Dretzen im brandenburgischen Buckautal an, um die Orgel abzubauen. Sie freuten sich über dieses Geschenk, fanden sie doch das Instrument in einem guten Zustand vor. Laut Orgelbaumeister entspreche der zarte Klang der Orgel genau den Bedürfnissen der Kirchengemeinde in Pflügkuff.

So erklang die kleine, lange Jahre ungenutzte Orgel an Weihnachten wieder. Jubelnd stimmte die Gemeinde in die Weihnachtsmusik ein, die nach sieben Jahrzehnten wieder getragen und begleitet durch eine Orgel den Kirchenraum erfüllte. "Das ist wirkliches Weihnachtsglück", sagt Brandl.