Der Protest gegen den Gefängnis-Standort Bitzwäldle hat viele Formen und viele Gesichter. Foto: Haier

Kundgebung gegen Großgefängnis-Standort Bitzwäldle: Beziehungen zu Rottweil belastet.

Schömberg - Mancher Redner schlägt bei der von der Stadt Schömberg organisierten Kundgebung gegen ein Großgefängnis im Bitz-wäldle harte Töne an. Wie Schörzingens Ortsvorsteher Josef Rissler: Rottweil begehe eine Schandtat.

Vergleiche drängen sich auf am Samstagmorgen auf dem Schömberger Marktplatz. Zehn Minuten vor Beginn der Protestkundgebung ist der Platz fast menschenleer. Was die, die schon da sind, nicht überrascht: Es verhalte sich wie in der Fasnet bei der Polonaise, meinen Polizei und Bürgermeister – die Menschen kämen im letzten Moment.

"Es gibt intelligentere Alternativ-Standorte"

Sie behalten Recht. Um 10 Uhr ist der Marktplatz voll. Wieder ist es der Protest hunderter Menschen von nebenan, vom Kind bis zum Senior. Inzwischen oft bemühte Parallelen zu S 21 liegen also auf der Hand, auch wenn sie den Projektgegnern nicht so recht passen wollen: Die Bürger an der Kreisgrenze zu Rottweil wehrten sich am Anfang eines Prozesses, nicht erst, wenn die Bagger da seien, wird SPD-Landtagsabgeordneter Hans-Martin Haller später sagen. Und ein Anderer: In Stuttgart würden 300 Bäume gefällt und 5000 gepflanzt – im Bitzwäldle 25 000 beseitigt.

Karl-Josef Sprenger macht den Anfang. Vom Wagen herab ruft er dazu auf, Flagge zu zeigen für ein faires, offenes Verfahren. Der "Standort-Suchlauf" sei nicht einfach, räumt der Schömberger Bürgermeister ein, und bedürfe der Anstrengung. Die verlangt er von Ministerpräsident Stefan Mappus, der jüngst gesagt habe, dass Großprojekte künftig von Anfang an besser kommuniziert werden müssten. "Machen Sie das Großgefängnis zum Modellfall!", fordert Sprenger. "Dazu gehört Mut zum Nein, wenn eine Gemeinde sich zum Nachteil einer anderen ein Gefängnis einverleiben will."

Ein "verunglücktes Kommunikationsverfahren" sieht der Landrat und CDU-Landtagsabgeordnete Günther- Martin Pauli. Die Suche nach einer Fläche von 15 Hektar, wo doch nur zehn gebraucht würden, habe den Blickwinkel unnötig verkleinert. Zudem sei sie auf Rottweil beschränkt – zwischen Offenburg und Ravensburg gebe es aber "mit Sicherheit intelligentere Alternativ-Standorte". Mit natürlichen Ressourcen müsse sorgsam umgegangen werden. Der Standort müsse nicht per "Basta"-Entscheid erzwungen werden, mahnt Pauli, es bleibe genug Zeit für eine sorgfältige Auswahl.

Im Schulterschluss der Landtagsabgeordneten stellt Hans-Martin Haller (SPD) fest: Wenn für das Vorhaben keine Siedlungsbrache zu finden sei, bedeute alles andere einen Eingriff in die Natur und sei nicht vereinbar mit allgemeinen politischen Zielen. Die Standortsuche sei nicht ergebnisoffen erfolgt und habe dort geendet, wo der Großteil der Rottweiler Bürger nicht tangiert sei. Das Verfahren sei weder transparent noch fair gelaufen, sagt Haller unter großem Applaus.

"Brachen aus Industrie, Bundesbahn und Bundeswehr sollten geprüft werden, ehe man sich auf gewachsenen Boden fokussiert", fordert Jörg Schneider, Vorsitzender der Regionalgruppe Süd im Bundesverband Boden. Der JVA-Standort Bitzwäldle bedeute einen eklatanten Verstoß gegen das Bodenschutzgesetz, das vorschreibe, dass schädliche Bodenveränderungen abzuwehren seien. "Wenn ich gegen ein Gesetz verstoße, werde ich bestraft", greift Bodenkundler Jürgen Kühn aus Rottweil diese Argumentation auf, "und komme ins Gefängnis – haha." Die Landesregierung verstoße gegen ihr eigenes Gesetz: "Wir sollten das öffentlich anprangern!" Der beste Protest bestehe darin, "dass wir uns der Verantwortung bewusst sind und uns gesetzestreu verhalten."

"Über das Verhalten in Rottweil befremdet"

"In Zimmern unter der Burg sind die Menschen über das Verhalten in Rottweil befremdet", sagt Bürgermeister Elmar Koch. Der Stadtrat verfolge nur eigene Interessen und ignoriere die umliegender Gemeinden. Koch erinnert an das Hochwasser in Zimmern vom Juli. Durch die JVA erhöhe sich die Hochwassergefahr, weil das Wasser nicht mehr versickern könne.

Nach einer Musik-Pause – Kapellen aus Schömberg, Schörzingen und Zimmern spielen im Wechsel auf – werden die Redebeiträge emotionaler. Jochen Baumann, Vorsitzender des in Zepfenhan gegründeten Vereins zur Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft (NaKu), fordert die Menge auf, am Mittwoch, wenn der Rottweiler Stadtrat über den Gefängnisstandort abstimme, dabei zu sein. Selbst dann sei nichts entschieden.

"Wir werden nicht Ruhe geben, bis der Erhalt des Bitzwalds gesichert ist." Baumann provoziert unter großem Jubel: "Neukirch, Zepfenhan und das Obere Schlichemtal wachsen zusammen." Auch im Zollernalbkreis gebe es Einkaufsmöglichkeiten, auch dort sei Strom zu beziehen. Mit der Menge skandiert er: "Wir sind die Bürger, wir sind das Volk."

Durch das Beharren auf den Standort würden die nachbarschaftlichen Beziehungen für lange Zeit zerstört, prophezeit der Schömberger Gemeinderat Karl-Heinz Koch. Die Rottweiler Gemeinderäte hätten den für sie angenehmsten Standort gewählt, weil der am weitesten weg sei, und erst danach die Auswahlkriterien festgelegt, kritisiert Koch und fordert, die Standortentscheidung bis 2012 zurückzustellen. Dann sei klar, welche Bundeswehrstandorte geschlossen würden.

Serienbrief für den Ministerpräsidenten

Die Aussage von Justizminister Ulrich Goll, das Bitzwäldle sei alternativlos, sei "lächerlich", zeuge von "politischem Unvermögen und Arroganz", bescheinigt der Balinger CDU-Kreisrat Roman Waizenegger. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei das Kriterium der Angemessenheit im Bitzwäldle nicht erfüllt. Der Schömberger JU-Vorsitzende stellt eine neue Aktion vor: einen Serienbrief an Mappus, den er auf dem Marktplatz verteilt.

"Es kann und darf nicht sein, dass wir alles dem schnöden Mammon unterordnen", fordert der Ortsvorsteher Rissler als letzter der zehn Redner. Und greift zur großen Keule: Im Jahr 1449 hätten die Rottweiler die Burg Hohenberg "auf unserem Hausberg zerstört – Rottweil ist dabei, eine weitere Schandtat zu begehen". Komme die JVA, sei das Verhältnis zu Rottweil jahrzehntelang belastet.

Der eine oder andere Vergleich holpert an diesem Morgen. Dieser nicht: Die Schätzungen über die Teilnehmerzahl gehen – wie bei anderen Bürger-Protesten dieser Tage – je nachdem, wen man fragt, auseinander: Sprenger spricht von 800 Demonstranten, die Polizei von etwa 500.