Pfarrer Matthias Eydt (links) im Gespräch mit Eugen Drewermann. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder-Bote

Kirchenkritiker Drewermann zu Gast bei Pfarrer Eydt / Sünden entstehen aus Verletzungen der Seele

Von Götz Bechtle

Schömberg. Seit sieben Jahren gibt es in Schömberg die Veranstaltungsreihe "Schömberger Gespräche – Reden über Gott und die Welt. Diesmal war der prominente Kirchenkritiker Eugen Drewermann zu Gast.

Dass Drewermann auch im ländlichen Raum bekannt ist, bewies der große Zulauf in den Schömberger Kursaal.

Der Schömberger Kurpfarrer Matthias Eydt hatte den Gesprächsabend unter das Thema gestellt "Die alten Wege des Jesus von Nazareth – und die Suche nach einem neuen Christentum". Eidt schrieb dazu in seiner Einladung über Drewermann: "Seine heftige Kirchen-Kritik ist nur die Kehrseite einer intensiven Auseinandersetzung mit Jesus von Nazareth, auf den sich alle christlichen Kirchen berufen."

Nicht nur für Drewermann war dieser Gesprächsabend anstrengend, sondern auch für die Zuhörer.

Als Drewermann im Kindesalter die Bombardierung seiner Heimatstadt Bergkamen miterlebte, wurde ihm die Botschaft von Jesus besonders bewusst, nämlich dass es eine Welt geben müsste, in der nicht die Gewalt herrscht. Drewermann studierte katholische Theologie und Philosophie und ließ sich außerdem in Neopsychoanalyse ausbilden. Er wurde Priester, Studentenseelsorger und Dozent an der theologischen Fakultät Paderborn. Aufgrund strittiger Ansichten Drewermanns wurden ihm alle diese Ämter entzogen. Schließlich trat er 2005 aus der katholischen Kirche aus.

Jesus, so Drewermann in Schömberg, ist die Antwort auf alle Fragen, die in der Kirche verneint werden. Dabei seien die Kernaussagen der Theologen zur Bibel unglaubwürdig. Diese seien der falsche Weg, nämlich um den Menschen zuerst einmal zu erniedrigen und ihn dann langsam wieder "aufzubauen." Das Judentum und der Islam, so Drewermann, seien Gesetzesreligionen, welche die Menschen in Gute und Böse teilen. Erst wenn alle Menschen gut seien, komme der rettende Messias. Deshalb müsse man zuerst das Böse ausrotten. Als Beispiel führte er dazu Eltern an, deren Kind in schwere Schuld geraten sei, und die sich nun selbst in Frage stellen, was sie falsch gemacht hätten. Drewermann: "Wir müssen die Menschen, die draußen sind, zurückholen und sie nicht verurteilen." Das bedeute, dass man liebevoll und ermutigend mit seinen Mitmenschen umgehen müsse, so wie Jesus dies getan hat. Über jemanden den Stab zu brechen, sei keineswegs göttlich.

Drewermann verwies dabei auf Luther, nämlich die Freiheit des Christenmenschen, nicht auf die Handlung zu sehen, sondern auf den Handelnden. Angst sei eine Wurzel des Bösen, und der Gehorsam – dazu gehören auch die gesellschaftlichen Zwänge – führe schließlich zur Schuld. Angst sei eine Tiefenschicht im Menschen, die ihn selbst entfremde und zur Verzweiflung führe.

Als Beispiel nannte Drewermann den Zöllner Zachäus, der als Geldeintreiber im Sinne der Juden ein Außenseiter sei und der durch Jesus von seiner Schuld befreit werde.

Drewermann zitiert zu seinen Ausführungen außer Jesus und anderen Persönlichkeiten aus der Bibel auch Philosophen, Schriftsteller und Komponisten oder Ghandi und andere Menschen, die zur Gewaltlosigkeit aufrufen.

Krieg erzeuge wieder Krieg, das Böse jedoch könne nur durch das Gute überwunden werden. Daraus resultiert auch Drewermanns Engagement für eine Friedenspolitik, gegen das Militär und den Krieg überhaupt.

Jesus sei durch die Kirche zum Tugendideal und zum Sakralmonument gemacht worden, jedoch sei die "Sache Jesus" nicht erklärbar. Auch könne man die biblischen Texte nicht historisch objektivieren, sondern müsse sie symbolisch verstehen.

Zu Eidts Frage "Woran kranken die Kirchen?" erklärte Drewermann, dass Jesus keine neue Religion oder Dogmatik bringen wollte. Durch die Übersetzung des Neuen Testaments vom Hebräischen ins Griechische sei beim zentralen Begriff der Gnade die Botschaft Christi mit der griechischen Philosophie verknüpft worden.

Heute gebe es die "Zensur der Bischöfe," die darauf achte, was richtig sei. So habe man bereits im Römischen Reich mit dem Staatschristentum ein Dogma der Gewalt gegen Andersdenkende geschaffen, und die nicht beweisbare Religion durch Dogmen ersetzt.

Die Sprache Jesu, so Drewermann, sei bildhaft, denn der Himmel sei weit, aber die Theologen würden ihn begrenzen. Die Kirche müsse näher an die Bedürfnisse der Menschen herangehen.

Immer wieder stellt Drewermann seine tiefenpsychologischen Erkenntnisse dar, dass Laster und Sünde aus Verletzungen der Seele entstehen, und Tugenden oft nur Schattenseiten eines ungelebten Lebens sind. Erlöst davon könne nur der Einzelne werden, nicht der Staat oder das Volk.

Für Fragen der Besucher blieb nur wenig Zeit.