Schiltach will sich fit machen für eine steigende Zahl älterer Einwohner. Projektbetreuer Hölsch (links) und Bürgermeister Haas hoffen, dass viele mitmachen an der Fragebogenaktion dazu. Fotos: Rath Foto: Schwarzwälder-Bote

Stadt und SPES starten Fragebogenaktion / Gesellschaft im Wandel / Kommunalpolitik will Weichen stellen

Von Volker Rath

Schiltach. Schiltach wird älter, zwangsläufig. Die Lebenserwartung steigt, die Zahl der Kinder sinkt. Finden die Senioren im Ort, was sie brauchen? Wie stellen sie sich ihr Leben im Alter vor? Die Stadtverwaltung will’s herausfinden.

Alle Schiltacher, die ihren 40. Gebutstag schon hinter sich haben, bekommen Post aus dem Rathaus. Darin befindet sich ein achtseitiger Fragebogen. Titel: "Älter werden in Schiltach". Damit wollen die Stadt und der Freiburger Verein "SPES – Zukunftsmodelle" abklopfen, ob die Bürger im fortgeschrittenen Alter klarkommen, sich wohlfühlen. Oder ob ihnen was fehlt.

Genaue Zahlen zum Altersgefüge in der Stadt konnte Bürgermeister Thomas Haas gestern nicht liefern. Aber der "demografische Wandel" geht an Schiltach nicht vorbei. Das zeigt schon der Umfang der Aktion: 2470 Fragebögen gingen raus, bei rund 3900 Einwohnern. Zwei Drittel der Bürger haben folglich die Marke von 40 schon überschritten. Haas und Alexander Hölsch, Projektbetreuer von SPES, gehen davon aus, dass die Quote weiter steigt.

Der Bürgermeister sieht deshalb aber "nicht schwarz". Es gebe in der Stadt schon viele Angebote, um "in Würde alt werden zu können". Dazu zählen das Pflegeheim, die Seniorenwohnungen, die Sozialstation, die Tagespflege, eine Hospizgruppe und der "Treffpunkt". Derzeit entsteht ein Ärztehaus. Die Stadt ist dabei, mit EU-Fördergeldern Barrieren in der Stadt abzubauen, damit sich Ältere und Gehbehinderte leichter tun.

Die Eckpfeiler einer seniorengerechten Stadt stünden damit. "Es gibt schon supergute Strukturen", findet Haas. Das Konzept solle aber verfeinert werden. Aber vielleicht offenbare die Umfrage ja auch, dass die Kommunalpolitik mit ihrer Einschätzung der Lage "völlig falsch" liege. So oder so: Es gebe noch viel zu tun. Laut Bürgermeister stünden derzeit 30 bis 40 Interessenten auf einer Warteliste für betreutes Wohnen. Zwar würden solche Projekte in der Regel von privaten Investoren auf den Weg gebracht. "Aber die Aufgaben für die Kommunen werden ebenfalls größer", glaubt Hölsch.

Haas und Hölsch sehen dafür mehrere Gründe: Das Verhältnis von jüngeren und älteren Mensche verschiebe sich weiter. Zwar fingen vor allem in ländlichen Regionen noch Familien einen Großteil des Aufwands für Betreuung und Pflege auf. Das müsse aber nicht so bleiben. Kinder zögen heute öfter fort. Der Staat stoße an Grenzen, was Sozialausgaben und Pflegepersonal angehe. Hölsch ist ohnehin davon überzeugt, dass sich die Zahl qualifizierter Kräfte nur bedingt erhöhen lasse. Außerdem wisse keiner, wie groß der Pflegebedarf künftig sein wird. Und wie sich die Schiltacher ihr Leben vorstellen, wenn’s mal soweit sein sollte. Das sind sehr private Entscheidungen. "Ich persönlich will nicht, dass mich meine Kinder später einmal pflegen müssen. Wer weiß, wohin es sie mal verschlägt", sagt Haas.

Aber es muss nicht immer Pflege sein. Manchem Senior reicht "Alltagsbegleitung" wie Hilfe im Haushalt, um weiter in den eigenen vier Wänden klarzukommen. Die Fragebogen-Aktion soll Gemeinderat und Verwaltung Anhaltspunkte dafür liefern, in welche Richtung sich die Stadt entwickeln könnte. Es sei wichtig zu wissen, was fehlt, so der Bürgermeister. Andererseits wollen Stadt und SPES die Schiltacher dazu ermuntern, sich selbst Gedanken zu machen. Die Wohnung gestalte man am besten altersgerecht, solange man noch fit sei. Außerdem gebe es neue Formen des Zusammenlebens, auch im Alter. Dazu zählen Wohngemeinschaften.

Haas hofft, dass sich viele Bürger an der Umfrage beteiligen. Hölsch ist da guter Dinge. Bei schriftlichen Umfragen gelte eine Rücklaufquote von zehn Prozent bereits als toll. Beim Thema Älterwerden kämen doppelt bis viermal so viele Bögen zurück.

u Die Umfrage ist Teil des Leader-Projekts. 13 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg beteiligen sich. Der Fragebogen für Schiltach wurde speziell auf die Stadt zugeschnitten. Er enthalt 38 Fragen zu vielen Lebensbereichen, etwa Ärzteversorgung, Einkaufsmöglichkeiten und Kultur, aber auch privater Natur. Die Befragung erfolgt anonym. Bis zum 17. September sollen die Bögen zurückgeschickt werden. Die Auswertung übernimmt das Institut AGP Sozialforschung aus Freiburg. Im Spätherbst will die Stadt eine Bürgerversammlung einberufen, um die Ergebnisse vorzustellen. Wer Hilfe beim Ausfüllen des Fragebogens benötigt, dem bietet die Sozialgemeinschaft Unterstützung an. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Treffpunkt-Teams stehen am Mittwoch und Freitag 10. und 12. September, während der üblichen Öffnungszeiten von 14.30 bis 17.30 Uhr im "Treffpunkt" in der Bachstraße 36 zur Verfügung.