Die Stahl-Parallelgurtbrücke über die Kinzig (im Hintergrund ein Schienenbus) und der Zug nach Schramberg. Fotos: Stadt Schiltach Foto: Schwarzwälder-Bote

Im Jahr 1886 hielt die erste Eisenbahn in Schiltach / Ab 4. April wartet restaurierter Schienenbus mit informativem Innenleben wieder auf

Von Andreas Morgenstern

Schiltach. Am 3. November 1886 wurde für die Schiltacher ein Wunsch wahr. Erstmals hielt in der Flößerstadt ein Eisenbahnzug.

Die neue Kinzigtalbahn von Freudenstadt nach Hausach schloss Schiltach an das Bahnnetz des Kaiserreichs an und brachte so einen eigenen Halt auf der Stecke quer durch den Schwarzwald. Ab sofort waren von Schiltach aus Großstädte wie Straßburg, Freiburg oder Stuttgart, aber auch die Metropolen des Deutschen Reichs wie Berlin, Hamburg und Köln erreichbar.

Das Großherzogtum Baden sollten Eisenbahnstrecken als metallene Korsettstangen durchziehen, um so das zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewachsene Land enger zusammenzuführen. Neben der Rheintalstrecke besaß die Schwarzwaldquerung besondere Bedeutung.

Doch die in Schiltach gehegten Träume wurden enttäuscht, im Zuge eines Bahnbaus von Offenburg an den Bodensee einen eigenen Bahnhof zu bekommen. Solche "Kathedralen des Fortschritts" entstanden stattdessen das Gutachtal hinauf. Der Grund für diese Entscheidung, die einen höheren technischen wie finanziellen Aufwand bedeutete, war ganz einfach: Über Triberg berührte die Bahn nicht den württembergischen Boden, wie es in Schramberg der Fall gewesen wäre. Eigenstaatlichkeit hatte den Vorrang gegenüber ökonomischem Denken.

Schiltach blieb die Hoffnung auf die spätere Nebenstrecke von Hausach durch das Kinzigtal ins Schwäbische. Schließlich überwanden 1886 tatsächlich Gleise die Grenze zwischen den beiden südwestdeutschen Staaten. Schiltach erhielt einen "Dampfrösser"-Halt des modernsten Transport- und Verkehrsmittels der Zeit. 1892 trat daneben noch die Zweigstrecke nach Schramberg. Da diese aber vor allem im württembergischen Interesse lag, zahlten die Schwaben die Baukosten allein, obwohl der Großteil der Gleise auf badischem Gebiet verlegt wurde.

Die Schiltacher und ihre Waren wurden mobiler, die Wirtschaft nahm einen erneuten Aufschwung. Doch forderte der Fortschritt auch Opfer. Die traditionsreiche Flößerei hielt sich neben der neuen Frachttechnik nur noch wenige Jahre. Nicht zuletzt lag dies auch an der Verlegung des Kinzigbettes für den Bahnbau, was die Befahrung des Flusses erschwerte. Einst sicherte die Flößerei zahlreichen Familien den Unterhalt, nun verloren rasch viele Männer ihren Broterwerb und mussten sich vor allem in der Industrie neue, oft monotone Arbeit suchen.

Über viele Jahrzehnte sollten die Dampflokomotiven das Bild des Kinzigtals mitprägen. Zwischen Freudenstadt und Hausach hielten die Züge im Hauptbahnhof Schiltach und für Vorderlehengericht im Halt "St. Roman". In Richtung Schramberg stoppten die Bahnen in "Schiltach-Stadt" und in Hinterlehengericht. Von den in der Zwischenzeit aufgegebenen letztgenannten drei Haltepunkten sind heute kaum noch Spuren zu finden.

In den 1950er Jahren begann ein neues Kapitel der Bahngeschichte. Das zuständige Bahnbetriebswerk Offenburg erhielt 1952 seine ersten beiden einmotorigen roten VT95-Schienenbusse. Im Folgejahr 1953 befuhren diese auch erstmals Schiltachs Gleise. Doch erst in den nächsten Jahren wurden sie zu ständigen Gästen, da man in Offenburg erst später weitere Schienenbusgarnituren erhielt. Ab 1960 folgte dann der schrittweise Wechsel zu den zweimotorigen VT98, die mit ihrer doppelten Leistung für die teils sehr anspruchsvollen Anstiege des Schwarzwalds besser geeignet waren.

Für den Einsatz auf dieser Nebenstrecke sprach aber auch ihre geradezu berühmte Anspruchslosigkeit. Diese bezog sich nicht allein auf den beschränkten Fahrkomfort der zugigen und lauten Wagen, daher der Spitzname "Roter Brummer", sondern auch auf den geringen Wartungsaufwand. Für die Kinzigtalbahn sollte das in den 1970er Jahren ein großer Vorteil im Kampf um den Erhalt der Bahn werden. Diese stand, nachdem schon am 23. November 1959 der Regelverkehr nach Schramberg sein Ende fand, auch zwischen Freudenstadt und Hausach auf dem Prüfstand.

Der Zusammenhalt der betroffenen Kommunalpolitiker tat ein Übriges, dem Nahverkehrsangebot eine neue Perspektive zu geben. So kamen 1985 die moderneren VT627-Züge zum Einsatz, die allerdings im Fuhrpark der Bundesbahn nie über einen Exotenstatus hinauskamen. Seit 1989 begrüßt mit "Schiltach-Mitte" wieder ein zentrumsnaher Haltepunkt die Pendler und Gäste der Stadt.

2004 schlug die Bahngeschichte in der Region ein neues Kapitel auf: Die Ortenau-S-Bahn beschickt im Stundentakt ihre RegioShuttles RS1 zwischen Offenburg und Freudenstadt.

Der "Rote Brummer" hat ausgedient, ist aber nicht vergessen. Als Retter der Nebenstrecke haben ihn viele Eisenbahnenthusiasten ins Herz geschlossen. Die Stadt Schiltach widmet ihm deshalb mit ihrem "Bahnpunkt Schiltach" an der Bahnhofstraße eine ständige Ausstellung. Die vor einigen Jahren erworbene Schienenbusgarnitur wurde nach ihrer aufwendigen Restaurierung aufgestellt und durch eine Präsentation des Lebens der Kinzigtäler mit der Bahn ergänzt. Die neue Sehenswürdigkeit der Stadt begrüßt ab dem 4. April ihre Gäste.

Der Autor Andreas Morgenstern ist promovierter Politikwissenschaftler und Leiter der städtischen Museen und des Stadtarchivs Schiltaach