Wie Wolfgang Tuffentsammer nach Schiltach kam / Renovierung eines alten Hauses weckt das Interesse an der Stadtgeschichte

Von Johannes Fritsche

Schiltach. Seit drei Jahren wohnt Wolfgang Tuffentsammer zusammen mit seiner Frau Betti in Schiltach und hat sich in dieser Zeit einen Namen, nicht nur als Geschichts- und Literaturkenner, sondern auch als Stadtführer gemacht.

Zwölf Jahre lang war Wolfgang Tuffentsammer evangelischer Pfarrer in Besigheim am Neckar gewesen, davor sieben Jahre lang in Ehningen bei Reutlingen. Theologie hat er in Heidelberg und Tübingen studiert. Seine Ader für Philosophie und Literatur entwickelte er schon am Gymnasium in Waiblingen. 2012 musste er aus gesundheitlichen Gründen seine Pfarrstelle in Besigheim aufgeben und ist dann dauerhaft nach Schiltach übergesiedelt.

Bereits 1997 hatten Tuffentsammer und seine Frau hier ein Haus gekauft. "Wir wollten einen Platz haben, wo wir in einem solchen Notfall hin können und uns wohlfühlen", erklärt er. Das 200 Jahre alte Gebäude gegenüber der evangelischen Kirche richteten die beiden im Lauf der Zeit her. Der Erbauer war ein Gerber und Weinhändler aus dem Geschlecht der Trautweins gewesen. Letztlich ist Tuffentsammer durch die Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses auch zur Stadtgeschichte von Schiltach gekommen.

Die Entwicklung der Flößerei fasziniert ihn besonders. Schon Besigheim war eine Flößerstadt gewesen. Die Enz fließt dort in den Neckar. In Schiltach hatte im 12. Jahrhundert der Bau des Münsters und anderer Bauwerke in Straßburg die Flößerei angestoßen. Der nächste große Schub kam, als Holland im 17. und 18. Jahrhundert eine Weltmacht war.

Flößergeschichte verbindet Besigheim mit Schiltach

Wurde bei Schenkenzell eine Nacht lang das Wasser gestaut, kam man damit auf der Kinzig 20 bis 30 Kilometer weit. Das Ziel war Willstätt am Unterlauf der Kinzig. Die Flößer, meist Waldarbeiter, mussten den Fluss gut kennen, um heil anzukommen. Zurück ginge es zu Fuß in bis zu sechs Tagen. "Die Flößerei führte zur nachhaltigen Waldwirtschaft: Man forstete immer wieder auf", freut sich Tuffentsammer, der selbst schon auf diese Weise reiste. Seine Abifahrt 1979 führte mit einem selbst gebauten Floß 210 Kilometer auf der Loire von Tours nach Nantes. "Auf dem naturalistischen Fluss praktisch ohne Wehre und Schleusen konnten wir abends an kleinen Inseln anlegen und zelten", erzählt er.

2014 hat die Unesco-Kommission die Flößerei in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Zusammen mit der Gerberei und dem Marktplatz gehört sie zu den touristischen Eckpunkten von Schiltach. Das Interesse an Geschichte und Kultur, das Erzählenkönnen und die Fähigkeit, auf Menschen einzugehen, machen aus Tuffentsammer den idealen Stadtführer dieser Sehenswürdigkeiten. Kaum eine andere Stadt habe ein solches Ensemble aus 13 historischen Fachwerkshäusern um den Marktplatz, ohne Neubauten dazwischen. Jedes zweite Haus war früher eine Gastwirtschaft. Im Weißen Rössle (heute Marktplatz 4) soll sogar der Teufel eingekehrt sein und ein Verhältnis mit einer Magd angefangen haben, die er der Sage nach anstiftete, den Stadbrand am Gründonnerstag 1533 zu legen. Zwei Wochen später starb sie in Oberndorf auf dem Scheiterhaufen. Die vielen Gasthäuser am Markt wurden gebraucht im Grenz- und Handelsort Schiltach zwischen Fürstenberg und Württemberg. Die von der Ortenau kommenden Weinhändler pausierten dort, bevor sie Wagen mit geliehenen Pferden und doppelter Bespannung die 300 Meter Höhenunterschied der Steige zum Zollhaus bei Rötenberg hoch quälten. Aber nicht nur Baudenkmäler und Geschichte beeindrucken die Touristen, in diesem Sommer viele Asiaten, Italiener und Spanier. 25 000 Übernachtungen hat Schiltach im Jahr, viele Tagestouristen kommen aus Wolfach und Alpirsbach. Vom Marktplatz führt Tuffentsammer sie zur Schüttelsäge und zum Floß daneben. Besonders faszinierend fänden die Touristen einen 16 Meter langen Gang. Er führt vom Keller der Kaffeebohne am Markt unter der Schenkenzeller Straße hindurch in den Keller eines Hauses, mit einem Ausgang außerhalb der ehemaligen Stadtmauern. Aber es gebe noch weitere Attraktionen: "Wenn man die Spanier fragt, warum sie nach Schiltach kommen, sagen sie, weil alles so grün hier ist", berichtet Tuffentsammer.

Gäste aus Spanien freuen sich über die üppig grüne Natur

Neben seinen Touren als Stadführer frönt Tuffentsammer auch seiner literarischen Leidenschaft. Mit dem Bietigheimer Romanautor, Historiker und Heimatforscher Günther Bentele arbeitet er schon seit 20 Jahren zusammen. Zweimal im Jahr hielten die beiden in Besigheim im Keller einer Buchhandlung ihre gemeinsamen literarischen Abende ab. In Schiltach war das Thema des diesjährigen literarischen Abends das Werk von Wilhelm Hauff. Im kommenden Jahr steht Grimmelshausen auf dem Programm.

Weitere Informationen: Das nächst literarische Gespräch findet am 22. September im Treffpunkt in Schiltach statt: Zum 200. Todestag von Matthias Claudius. Veranstalter sind die Volkshochschule und die evangelische Kirchengemeinde.