Schiltacher tritt in die Fußstapfen der Flößer um 1830 / Marsch über 65 Kilometer ohne große Pause

Von Hans Harter

Schiltach. Das Leben der Schiltacher Schwarzwald-Flößer war hart. Hartmut Brückner trat in ihre Fußstapfen, im Wortsinn. In einem Selbstversuch wiederlegte er die Aussage eines Flößers von einst, der nach einer langen Wanderung nach Hause ohne längere Pause behauptet hatte: "Das brächte heute keiner mehr fertig." Vor mehr als 180 Jahren hatten Schiltacher Schiffer die Idee, im Südschwarzwald Waldungen aufzukaufen und die Ernte über die Wutach zu den Holzmärkten am Hochrhein zu transportieren. Dafür benötigten sie neben viel Kapital auch die Technik und Erfahrung der hiesigen Flößer. Sie sollten den durch seine Schlucht bekannten Fluss für die Flößerei herrichten und den Transport der Stämme bis zum Rhein bei Waldshut-Tiengen übernehmen.

So machten sich seit 1831 Schiltacher Flößer gruppenweise zu Fuß auf den Weg ins 14 Wegstunden entfernte Wutachtal. An Pfingsten 1833 war auch der gerade schulentlassene Christoph Trautwein dabei, um seinen dort als Flößerobmann tätigen Vater und die beiden Brüder zu besuchen. Für den Rückweg vom Vater mit Reisegeld versehen, musste er nicht in einem Stück durchgehen, sondern konnte in Donaueschingen übernachten. Seit 1834 selber Flößer an der Wutach, wurden diese Fußmärsche für den inzwischen 16-jährigen Christoph zur Routine, da es die Schiltacher an Feiertagen, zu Festen oder bei Wasserklemme in die Heimat zog, wo auch das eine oder andere Mädchen wartete. Als im Juli eine Hochzeit angesagt war, machten die älteren Brüder von Grimmelshofen an der Wutach eine "Nachtreise" nach Schiltach, wo sie gerade zum Kirchgang ankamen. Christoph selber, vom Bruder Ulrich mit einem Taler ausgestattet, blieb im "Adler" in Riedböhringen (Stadt Blumberg). Um 4 Uhr früh brach er mit Hornberger Gerbern auf, bis Mönchweiler, und zog dann allein über Königsfeld nach Schramberg. Von allen Brunnen am Weg trinkend, schaffte er es nach Schiltach in zwölf Stunden. Er schrieb stolz: "Ohne ein einziges Mal einzukehren, das brächte heute keiner mehr fertig." Er wollte es freilich auch "keinem raten, denn von Schramberg bis Schiltach bin ich gewiss 20 Mal hingesessen". Dass er hier gleich seine "Sonntagskleider" anzog, ins "Lamm" zur Hochzeit ging und für den ersten Schoppen Wein den gesparten Reisetaler wechseln ließ, war krönender Abschluss der für den jungen Burschen anstrengenden Tour.

"Das brächte heute keiner mehr fertig" – dieser Satz in der Autobiografie des Flößers, Schiffers und Bürgermeisters Adolf Christoph Trautwein (1818-1898) ließ Hartmut Brückner, den Vize-Obmann des heutigen Schiltacher Flößervereins, nicht ruhen. Die sportliche Herausforderung, es mit einem der "Alten" aufzunehmen, reizte ihn. Vor allem aber wollte er klären, ob es überhaupt machbar ist, diese Strecke von rund 65 Kilometern ohne Pause zu laufen. Jetzt hat er es gewagt. Sein Reisebericht: "Um 3.41 Uhr bin ich in Riedböhringen losgelaufen. Die Tour ging über Behla, Hüfingen, Bräunlingen, Wolterdingen, Tannheim, Villingen, Mönchweiler, Königsfeld, Hardt, Schramberg nach Schiltach. Um 15 Uhr bin ich angekommen. Ich war elf Stunden und 19 Minuten unterwegs und bin die Strecke komplett ohne Pause durchgelaufen. Als Verpflegung hatte ich dabei: ein Doppelbrot belegt mit Schinken, zwei Liter Wasser, zwei Müsliriegel, eine Banane. Vom Hardt nach Schramberg bekam ich zwei Blasen an den Fußsohlen, das Laufen wurde dadurch beschwerlicher, letztendlich bin ich doch glücklich angekommen."