Auch das Lied vom Jammern hat Bettina Kästle im Gepäck. Foto: Anton Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunst: Bettina Kästle begeistert im "Treffpunkt" ihr Publikum

"Kästle wie Kasten, bloß kloiner", stellt sich die schwäbische Kabarettistin Bettina Kästle aus dem Hecken- und Schlehengäuort Grafenau bei Sindelfingen im "Treffpunkt" in Schiltach vor und hat damit schon den Faden zum Publikum gesponnen.

Schiltach. Unter dem Motto "Heute Abend: Kästle Musik" hat sie sich ins schwäbische Grenzland vorgewagt, bewaffnet mit drei Ziehharmonikas unterschiedlicher Größe, einer Gitarre und einer Ukulele. Sogar einer Mundharmonika und einer Tröte entlockt sie noch Töne. Nicht die große Politik oder die globalen Probleme sind ihr Ding. Sie will nicht die Welt retten. Sie hat vielmehr Spaß daran, die kleinen Alltagsbegebenheiten genüsslich zu besingen wie etwa den Gang zum Zahnarzt oder zum Friseur, ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel oder die Zeitschaltuhr im Treppenhaus, die das Licht immer im falschen Moment an- oder ausknipst.

Auch von ihrem Hauptberuf als Buchhändlerin plaudert sie musikalisch genial aus dem Nähkästchen, denn dank ihrer hervorragenden Beobachtungsgabe und ihrem dichterischen und musikalischen Talent weiß sie aus jedem kleinsten Vorkommnis eine Schmunzel-Episode zu machen, die so viele "Running Gags" enthält, dass das Publikum aus dem Lachen nicht mehr herauskommt. Man fühlt mit ihr, wenn sie auf dem Zahnarztstuhl inbrünstig betet: "Lieber Gott, lass es bitte diesmal nur Zahnstein sein. I versprech, i ess nie mehr Nutella-Brot".

Weinerliche Stimme

Bekannt kommt den Zuhörern auch das Phänomen vor: "Im Spiegel so reizend, aber unfotogen". Was das harmlose Spiel "Mensch ärgere dich nicht" innerlich an menschlich-allzumenschlichen Qualen und Schadenfreuden auslöst, ist sicherlich noch nie so treffend musikalisch karikiert worden. Zum Haareschneiden geht sie nur zu Männern, weil sie das Gefühl hat, dass Frauen kein Interesse haben, sie schöner aussehen zu lassen. Schon lange im Gepäck hat sie das in Deutschland immer noch aktuelle Lied vom Jammern. Mit weinerlicher Stimme singt sie herzerweichend: "S’goht mr schlecht, i bin zum Leida auf die Welt gstellt". Den Rat der Freundin, positiv zu denken, tut sie ab: "Soll i die Energie, die beim Leida frei wird, so verschenka?"

Aus ihrem beruflichen Umfeld weiß sie manches Erheiternde zu berichten, etwa, wenn eine Kundin das Buch abholen will, das sie im Internet in den Warenkorb geworfen hat. Wenn sie dann erzählt, wie sie nach einem Großkampftag im Laden den Feierabend genießt, darf das Publikum mitschunkeln und, angeleitet von Bettina Kästle, im Kanon nach der Pause verlangen. Die Zuschauer werden gelobt, dass es schon ordentlich "groovt" im Saal. Dass eine "Erholungsgrippe" kein Spaß ist, wird bei ihrer musikalischen Schilderung schnell jedem Zuhörer klar. Bald ist sie fix und fertig vom Gesundheitsmarathon. Die Nase voll hat sie auch vom Wandern im Albverein: "I wander net, i lauf normal". Dass ein Kinogang nicht unbedingt entspannend sein muss, können die Zuschauer nach ihrer musikalischen Schilderung absolut verstehen: vor ihr ein Riese, links ein Popcorn-Fan, von rechts kommt eine Parfümwolke und hinter ihr sitzt ein Rhythmus-Klopfer. Beim Fast-Liebeserlebnis im Treppenhaus mit der verflixten Zeitschaltuhr spannt sie das Publikum immer wieder als Klick-Klack-Begleiter ein.

Dass auch Schwaben erotische Bedürfnisse haben, beweist sie im Lied vom Nicht -Schlafen. Aus allem macht sie einen Programmpunkt, sei es die Pause oder ihr Abgang, bei dem sie dem Publikum unmissverständlich klarmacht: "Jetz isch aus dr Spaß. I will hoim". Dennoch gibt es eine gemeinsam gestaltete Zugabe und wer bis dahin noch nicht schwäbisch konnte, der hat es sicherlich bei diesen skurrilen Versen gelernt. Der Beifall war grandios.