Ein langer Blick zurück: Die Stadt und der "Tübinger Vertrag" von 1514. Junges badisches Landeskind.

Schiltach - Sind die Schiltacher Badener? Die Stadt und viele ihrer Einwohner geben sich gerne dieses Image. Bei dieser manchmal überschäumenden Seligkeit wird gern vergessen, dass noch immer ein guter Schuss Württemberg im Städtchen steckt.

Die Fachwerkstatt ist ein relativ junges badisches Landeskind. Sie fiel erst 1810 ans Großherzogtum. Die andere Seite der eigenen Herkunft kann sie aber nicht leugnen: der schwäbische Dialekt, die Bauformen der Fachwerkhäuser, die Konfessionsstruktur mit ihrer protestantischen Mehrheit. Sie geht auf Herzog Ulrich zurück, der 1534 auch hier die Reformation einführte. Dieser Landesherr steht 2014 wieder im Fokus, vor allem im württembergischen Landesteil. Es ist exakt 500 Jahre her, dass er in den "Tübinger Vertrag" einwilligte. Das für Württemberg wichtige Verfassungsdokument galt bis 1805, so dass es auch Teil der hiesigen Geschichte ist, zumal an ihm Schiltacher beteiligt waren. Zu Dritt ritten sie 1514 nach Tübingen: der Schultheiß und je einer "vom Gericht" und "von der Gemeinde". Ihre Namen sind nicht bekannt. Mit den Vertretern der 52 anderen Städte Württembergs sollten sie dem Herzog gegen eine Rebellion beistehen, die als "Armer Konrad" immer mehr Anhänger gewann. Um seiner Verschuldung abzuhelfen, hatte Ulrich um 30 Prozent verringerte Maße und Gewichte eingeführt, so dass man für dasselbe Geld weniger erhielt. Die Differenz wurde als Steuer abgeführt. Aus Protest warf in Beutelsbach der "Gaispeter" die neuen Gewichte in die Rems und bewirkte so einen allgemeinen Aufstand, der Forderungen wie Rechtsgleichheit und Selbstverwaltung erhob. Sie bedrohten nicht nur die Macht des Herzogs, sondern auch die der "Ehrbarkeit", der städtischen Oberschicht, die mit Ämtern und Privilegien in die Herrschaft eingebunden war.

Angesichts der revolutionären Bedrohung fanden die "Ehrbaren" und der Fürst sich in Tübingen zu einem Landtag zusammen, bei dem die Bauern und Kleinbürger, 95 Prozent der Bevölkerung, außen vor blieben. Der dort vereinbarte Vertrag legte fest, dass die reichen Bürger die Schulden des Herzogs übernahmen, im Gegenzug für politische Rechte: Mitbestimmung bei der Erhebung der Steuern und der Erklärung von Krieg, sowie – für alle Württemberger – das Recht auf einen ordentlichen Prozess und auf Wegzug, was die Leibeigenschaft milderte.

Der Vertrag war eine klare Einschränkung der fürstlichen Herrschaft, ähnlich wie 1215 die "Magna Charta" in England, mit der er verglichen wird. Noch aber begehrte der "Arme Konrad" auf, wofür es einen "Empörerartikel" gab: Wer den Vertrag nicht beschwor, "Auflauf und Ungehorsam" zeigte, verfiel dem Strafgericht des Herzogs. Er griff denn auch schonungslos durch, mit Hinrichtungen, Brandmarkungen, Auspeitschungen, Verbannungen und hohen Geldstrafen.

Aus dem Amt Hornberg berichtete der Obervogt, dass "Schiltach samt den Höfen dahin gehörig" den Eid leistete, unter Zwang oder auch beeindruckt von dem, was ihr Schultheiß aus Tübingen mitbrachte. Auch "das Städtlein Hornberg hat sich ganz wohl gehalten", nur "im Amt ist es hart zugegangen und haben 80 oder 90 nicht wollen schwören und sind heim gezogen". Es waren Bauern aus den zum Hornberger Amt gehörenden Stäben Kirnbach, Gutach, Reichenbach, Tennenbronn, Weiler und Buchenberg. Entweder hingen sie dem "Armen Konrad" an oder hielten nichts von dem Vertrag, der ihre Bedürfnisse kaum berücksichtigte. Die weitere Mitteilung des Obervogts verhieß für sie nichts Gutes: "Ich hab den Amtleuten befohlen, die aufzuzeichnen, so nicht geschworen."