Die Schiltacher Eisenbahner im Jahr 1906: 19 Mann, selbstbewusst und sich ihrer Bedeutung sicher. Foto: Harter Foto: Schwarzwälder-Bote

Historie: Aus der Schiltacher Bahngeschichte / Die Arbeit war schwer und die Abläufe kompliziert

So verwittert und verlassen der ehemalige Schiltacher Bahnhof derzeit erscheint, so sehr kommen Erinnerungen an seine früheren Glanzzeiten hoch.

Schiltach. Erbaut 1885 als "Empfangsgebäude" an der neuen Bahnstrecke Wolfach-Freudenstadt für teure 22 696 Mark (223 000 Euro), wirkt das Haus mit der originellen Holzverschalung im Chalet-Stil auch architektonisch interessant. Seit der gefeierten Bahneröffnung 1886 beherbergte es für Jahrzehnte wichtige Funktionen: Diensträume, Fahrkartenschalter, Wartesaal, Gepäck- und Güterabfertigung.

Die Wohnung im ersten Stock bezog der "Bahnvorstand", der so Tag und Nacht auf "seinem" Bahnhof präsent war. Der Betrieb florierte. 1907 wurden 26 000 Fahrkarten (71 täglich) und 1000 "Kilometerhefte" verkauft, 74 000 Stück Gepäck, Expressgut und Milch sowie 1000 Tiere angenommen, 20 000 Tonnen Güter versendet (und 8000 ausgeladen), was Einnahmen von 94 000 Mark bescherte.

Das ging nicht ohne eine Menge Personal, das die Station in vielfältigsten Funktionen betrieb: als Fahrdienstleiter, Schaffner, Schrankenwärter, Rangierer, Weichensteller, Wagenmeister, Streckengänger oder Signalmeister. Sie unterstanden den "Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen", in strenger Hierarchie von Beamten und Arbeitern, die Uniformen und Hoheitsabzeichen trugen. Mit seiner roten Mütze war der Bahnhofsvorsteher weithin sichtbar. So präsentierten sich die Schiltacher "Bähnler" 1906 auch dem Fotografen: 19 Mann, selbstbewusst und sich ihrer Bedeutung sicher. Alle tragen Schirmmützen mit der badischen Kokarde und dem geflügelten Rad, Symbol der Eisenbahn und ihrer (noch) unübertroffenen Geschwindigkeit.

Hoheitsabzeichen zeigen den Rang

Das Krönchen darüber zeigt, dass sie "Großherzoglich" waren. Das Flügelrad erscheint auch auf den Kragen der höheren Chargen, bei einigen mit Sternchen. Deren zwei haben Gottfried Vögele (mit Hund), "Oberstationskontrolleur", und Ernst Boos, sein im Städtchen hoch angesehener Nachfolger von 1913 bis 1926. Links daneben: "Eisenbahnsekretär" Karl Gutmann (gefallen im Ersten Weltkrieg), ganz rechts: Wilhelm Kölblin, "Eisenbahnassistent", später ebenfalls Bahnhofsvorstand. In zweiter Reihe sitzend (von links): Wilhelm Wolber (s’Hutmachers); Lademeister Friedrich Ludin; Storz, Spitalstraße. Um sie herum stehen die einfachen Beamten und die Arbeiter, Schiltacher und Zugezogene, die dort bei der Bahn Beschäftigung gefunden hatten, von links: Bahnarbeiter Christian Wöhrle, Rangierer Christian Gabelmann, Bahnarbeiter Johann Georg Storz, Lademeister Hermann Ludin, Bahnwärter Fridolin Benz, Ladeschaffner Fritz Günter, Bahnbeamter Jakob Trautwein, (NN.) Bächle, Tobias Armbruster und Bahnwärter Anton Harter.

Ihre Arbeit war nicht leicht, der Umgang mit den schweren Maschinen ebenso wie die komplizierten Abläufe, und die Zeitung berichtete immer wieder von Unfällen: Eine Weiche wurde zu früh umgelegt, die Bremsen versagten, Waggons sprangen aus den Schienen. 1912 überfuhr ein Güterwagen einen Erdhaufen und zerlegte die Bahnhofskneipe, das beliebte "Kolosseum". Sein Neubau war dann von der Straße wie von den Gleisen zugänglich, mit der Bahnsteigsperre mittendurch. Das Zügle nach Schramberg meldete seine Ankunft in "Schiltach-Stadt" immer bimmelnd und pfeifend. Einmal staunten die dort Wartenden, als nur die Lok andampfte: Ihr Führer hatte die Personenwägen vergessen und sich allein auf den Weg gemacht. "Eiligst fuhr er zurück, sie zu holen, und vergnügt wie nie ging die Reise dem gesteckten Ziele zu."