Verklärt: zeitgenössische Darstellung der Erstürmung Lüttichs 1914. Foto: Schwarzwälder-Bote

100 Jahre Erster Weltkrieg: Die wachsende Rolle der Propaganda / Stadt Schiltach spielt Tondokumente vor

Von Hans Harter

Schiltach. Lebendiger Eindruck von einer schlimmen Zeit: "Töne des Kriegs" spielte die Stadt Schiltach am Wochenende vor. Die Idee kam gut an. Der Museums-Schienenbus im "Bahnpunkt Schiltach" war nahezu voll.

Dazu hatte Archivleiter Andreas Morgenstern eingeladen, an einem denkwürdigen Tag: genau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dazu stellte er einen der eher wenig bekannten Aspekte vor: den der Töne. Ausgangspunkt war die damalige Erfindung von Grammophon und Schellackplatte, die Zeitdokumente auf einmal hörbar machten.

Auch politisch wichtige Reden wurden so erleb- und wiederholbar, etwa Kaiser Wilhelms II. berühmter Satz: "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind", wenn auch nicht im Originalton, sondern später nachgesprochen. Gleichfalls auf Platten konnte man sich "Kriegs-Klangbilder" ins Wohnzimmer holen, etwa die 1915 produzierte "Erstürmung von Lüttich 1914", wo Trompeten und Hurrageschrei einen frisch-fröhlichen Krieg vorspielten, der inzwischen in fürchterliche Materialschlachten ausgeartet war. Dies gilt auch für das Hörbild "August 1914", ein ebenfalls später produzierter Ausmarsch eines Regiments an die Front, der mit vaterländischen Reden und Gesängen das sogenannte "Augusterlebnis" beschwor.

Hier zeigte sich die Funktion der "Kriegstöne": Als neuartige, "akustische Ereignisse" dienten sie in erster Linie der Propaganda an der "Heimatfront" und sollten die mit der Kriegsdauer nachlassende Begeisterung, den Kampfesmut und Durchhaltewillen stärken. Dies beflügelte auch den Lyriker Richard Dehmel, dessen von einem Schauspieler dramatisch rezitiertes "Fahnenlied" eines der bekanntesten Kriegsgedichte wurde.

Wie Hörbeispiele aus England belegten, war es bei den Allierten nicht anders: Eine Sängerin rief die Männer zu den Waffen, der zischende Abschuss von Gasgranaten untermalte Werbung für Kriegsanleihen.

Dass der Erste Weltkrieg auch ein "Krieg der Propaganda" war, in dem es um Werte und Weltanschauungen ging – die "preußisch-deutschen" gegen die "westlich-liberalen" – konnte das aufmerksame Publikum anhand der Hörbeispiele, aber auch der intensiven und sachkundigen Kommentierung gut nachvollziehen.